Krankenhäuser aufgepasst: Die Neuordnung der Qualitätssicherung klopft an die Tür

Die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung hat am 20. Oktober 2023 ihre siebente Stellungnahme veröffentlicht, und zwar zur Gestaltung der Qualitätssicherung in Krankenhäusern. Sie plädiert, im Zuge der Krankenhausreform Bürokratie abzubauen, neue Qualitätssicherungsinstrumente einzuführen sowie bestehende Instrumente zu überprüfen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft begrüßt die Marschrichtung. In welche Richtung bewegt sich das „neue“ System der Qualitätssicherung? Werden Mindestmengen an Bedeutung verlieren, die datengestützte Qualitätssicherung neu ausgerichtet und planungsrelevante Qualitätsindikatoren abgeschafft? Eine Einordnung.


I. Ausgangslage

Zentral ist für die Regierungskommission, den Dokumentationsaufwand und die Bürokratie bei der Qualitätsbewertung durch Rückgriff auf versorgungsnahe Daten zu reduzieren sowie Hemmnisse durch datenschutzrechtliche Vorgaben abzubauen. Neben der Erfassung der Versorgung über die Sektorengrenzen hinweg, betont die Regierungskommission die Notwendigkeit der Evidenzbasierung der Qualitätssicherungsmaßnahmen. 

Als „Leitgedanken“ greift sie das Konzept von „Value-based Healthcare“ (VBHC) auf, das den Patientennutzen deutlich stärker in den Fokus rückt. Die Versorgung wird dabei vor allem mittels Ergebnisindikatoren bewertet, die den Zustand des Patienten beschreiben, wie er ihn selbst wahrnimmt, sog. Patient-Reported Outcome Measures (PROMs). Zusätzlich werden die Erfahrungen von Patienten mit Prozessen im Rahmen der Gesundheitsversorgung über Patient-Reported Experience Measures (PREMs) einbezogen.
 

II. Neue Schwerpunkte in der Qualitätssicherung

1. Strukturvorgaben für Leistungsgruppen

Derzeit existiert eine ganze Reihe an Richtlinien, in denen der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Mindestanforderungen festlegt, die Krankenhäuser erfüllen müssen, damit sie berechtigt sind, in dem betreffenden Bereich Leistungen zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen. Diese Richtlinien enthalten überwiegend Anforderungen an die Struktur, insbesondere die Qualifikation und Anzahl von Ärzten sowie die Ausstattung (z.B. räumlich, apparativ). Bisher setzen diese Vorgaben vor allen an der Indikation an (z.B. Bauchaortenaneurysma, minimalinvasive Herzklappenintervention, Kinderonkologie, Kinderherzchirurgie). Sie gelten für alle Krankenhäuser und verursachen durch die Nachweispflichten einen hohen bürokratischen Aufwand.

Deshalb spricht sich die Krankenhauskommission dafür aus, in einer zukünftig an Leistungsgruppen ausgerichteten Krankenhausversorgung, die Strukturvorgaben des G-BA auf bestimmte Leistungsgruppen zu beziehen. Eine Nachweispflicht für ihre Einhaltung soll anfänglich, dann jedoch erst wieder nach drei Jahren bestehen, um Bürokratie abzubauen.
 

2. Qualitätsmanagement

Bisher werden den Krankenhäusern nur sehr allgemeine Vorgaben zu ihrem Qualitätsmanagement über die Qualitätsmanagement-Richtlinie (QM-RL) des G-BA gemacht. Die Regierungskommission stellt sich eine Weiterentwicklung der QM-RL vor, indem z.B. mit den Ergebnissen aus der datengestützten Qualitätssicherung, Registern oder Patientenbefragen gearbeitet wird, systematisch evidenzbasierte Leitlinien aus Medizin und Pflege umgesetzt werden, Behandlungsfälle in Fallkonferenzen professionell analysiert werden und in der Qualitätssicherung qualifiziertes Personal in Abhängigkeit von der Anzahl der zugewiesenen Leistungsgruppen vorgehalten wird.   
 

3. Zertifikate

Die Regierungskommission identifiziert fach- oder prozedurenspezifische Zertifikate als sinnvolles und ergänzendes Instrument zu den Mindeststrukturvorgaben für Leistungsgruppen. Als Problem sieht sie, dass bisher sowohl Patienten als auch zuweisende Ärzte die Aussagekraft von Zertifikaten nicht gut genug einschätzen können. Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) soll daher auf der Basis von ihm entwickelter Kriterien vorhandene Zertifikate bewerten. Zertifikate, die wissenschaftlichen Kriterien nicht genügen, sollen die Krankenhäuser nicht mehr führen dürfen.

Ziel ist darüber hinaus, Gesundheitsregionen bzw. Versorgungsnetzwerke mit einem Zertifikat zu versehen. Zertifiziert werden soll die strukturierte und abgestimmte Zusammenarbeit von Krankenhäusern (z.B. klinische Behandlungspfade für bestimmte Krankheitsbilder, Entlassmanagement, Indikationsboards, Datentransparenz). Einrichtungen mit einem solchen Zertifikat sollen finanzielle Zuschläge erhalten. Abschläge für Einrichtungen ohne solche Zertifikate soll es (vorerst) nicht geben.
 

4. Datengestützte Qualitätssicherung

Kritisch betrachtet die Regierungskommission die datengestützte Qualitätssicherung. Sie sieht in der gesonderten Dokumentation der Daten (zutreffend) einen hohen bürokratischen Aufwand. Zudem verweist sie darauf, dass das Qualitätssicherungsinstrument vor allem chirurgisch-orthopädische Indikationen und längst nicht alle Fachgebiete bzw. Leistungsgruppen einbeziehe. Außerdem bezögen sich die vorhandenen Qualitätsindikatoren überwiegend auf die ärztlichen Leistungsanteile ohne Betrachtung der Qualität weiterer Berufsgruppen. Deshalb stellt sie sich folgende Änderungen vor:

Der Dokumentationsaufwand soll verringert werden, indem für die Berechnung der Qualitätsindikatoren möglichst auf ohnehin vorhandene Daten (GKV-Routinedaten, Daten aus der elektronischen Patientenakte sowie aus klinischen Registern) zurückgegriffen wird. Auf ihrer Grundlage soll eine Ausweitung der datengestützten Qualitätssicherung vor allem auf internistische und chronische Erkrankungen stattfinden. Neben der krankenhausbezogenen Betrachtung soll es möglichst auch sog. „Area-Indikatoren“ geben, die eine regionale oder bundeslandbezogene Qualitätsbetrachtung ermöglichen. Schlussendlich soll die Pflegequalität deutlich stärker einbezogen werden und sich nicht auf die Betrachtung der Dekubitusprophylaxe beschränken.  
 

5. Krankenhausbedarfsplanung, planungsrelevante Qualitätsindikatoren

Besonders kritisch sieht die Regierungskommission die Festlegung von planungsrelevanten Qualitätsindikatoren durch den G-BA. Es erwies sich nach ihren Ausführungen als ausgesprochen schwierig, die Qualität ganzer Fachabteilungen auf der Grundlage der Prozessqualitätsindikatoren zu bewerten, so dass die Länder auf ihrer Grundlage keine Handhabe für qualitätsverbessernde Maßnahmen hatten. Die Regierungskommission plädiert daher für ihre sofortige Abschaffung und regt u.a. an, sich über anderweitige Konzepte Gedanken zu machen, auf Strukturvorgaben für die Leistungsgruppen zu setzen sowie die PREMs ergänzend in die Krankenhausbedarfsplanung einzubeziehen.
 

6. Mindestmengen

Das Instrument der Mindestmengen wird u.a. deshalb von der Regierungskommission kritisch gesehen, weil es nicht zwangsläufig dazu führe, dass Patienten in Einrichtungen versorgt werden, die angemessen ausgestattet seien und es Indikationsausweitungen befördere. Die Zentralisierung und Regionalisierung von Leistungen sind ein Anliegen der Regierungskommission, gleichwohl beschränkt sie die Berechtigung von Mindestmengen vor allem auf eine Konvergenzphase. Im Zusammenhang mit der Zuweisung von Leistungsgruppen könne es zur Steuerung von Patientenströmen dienen. Perspektivisch geht die Regierungskommission davon aus, dass das Ziel der Zentralisierung und Regionalisierung über die Leistungsgruppen stattfindet und das Instrument der Mindestmengen an Bedeutung verliert.   
 

7. Indikationsqualität

Bisher hat die Indikationsqualität in der Qualitätssicherung einen vergleichsweisen geringen Stellenwert, obwohl sie von zentraler Bedeutung für die Qualität der Versorgung ist. Dies stellt die Regierungskommission zutreffend fest. Sie sieht die wissenschaftlichen Leitlinien als Instrumente, über die Evidenz und Empfehlungsstärke von Indikationen Sichtbarkeit erlangen können. Die Indikationsregeln in den Leitlinien ließen sich in die Qualitätssicherung über verschiedene Instrumente einbinden (z.B. datengestützte Qualitätssicherung, fach- oder prozedurenspezifische Zertifikate, Nutzung in interdisziplinären Indikationsboards).
 

8. Patientenbefragungen mit PREMs und PROMs

Die Perspektive der Patienten zur Beurteilung der Qualität hat bisher eher randständige Bedeutung, obwohl es standardisierte Instrumente, nämlich die oben erläuterten PREMs und PROMs, gibt. Die Regierungskommission stellt sich eine Einbeziehung der Patientenperspektive in die datengestützte Qualitätssicherung vor, wobei erst nach einer freiwilligen Pilotphase die Erhebung von PREMs und PROMs für die Krankenhäuser verbindlich werden soll.
 

III. Ausblick

Sollten die Vorschläge der Regierungskommission in dieser oder ähnlicher Form Realität werden, werden die Krankenhäuser ihre Qualitätsstrategie anpassen, um in den für sie relevanten Leistungsgruppen vertreten zu sein, Zertifizierungen erfolgreich zu durchlaufen, in den Qualitätsauswertungen gut da zu stehen und in den Patientenbefragungen auf positive Ergebnisse zu kommen. Wir halten Sie zu den weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden.

Autorin
Autorin

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß