Keine fiktive Lieferung von dezentral erzeugtem Strom eines BHKW bei Zahlung eines KWK-Zuschlags

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 29. November 2022 – XI R 18/21 – die bereits durch das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 16. Juni 2021 – 9 K 1260/19 – getroffene Entscheidung bestätigt, dass entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung die Auszahlung des sogenannten KWK-Zuschlags nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) für hocheffiziente KWK-Anlagen nicht zu einer Lieferung von dezentral verbrauchtem Strom führt.


Nach Ansicht der Finanzverwaltung wird zunächst der gesamte durch das BHKW erzeugte Strom inklusive des Eigenverbrauchs an den Netzbetreiber geliefert. In Höhe des selbst (dezentral) genutzten Stroms erfolgt eine Rücklieferung des Netzbetreibers. Diese Lieferfiktion ist an die Auszahlung von Zuschlägen nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) geknüpft, vgl. Abschnitt 2.5 UStAE.

Während sich die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für die Hinlieferung aufgrund einer Bewertung der selbst verbrauchten Mengen mit Strommarktpreisen und Entgelten für vermiedene Netznutzung erhöht, besteht für gemeinnützige Unternehmen, die im Wesentlichen steuerfreie Ausgangsumsätze ausführen, aus der Rücklieferung kein Vorsteuerabzug. Die Anwendung der Lieferfiktion führt also zu einer erhöhten Umsatzsteuerzahllast.

Im zugrundeliegenden Urteilsfall erbaute eine Anstalt des öffentlichen Rechts ein Blockheizkraft zur Wärme- und Stromversorgung auf dem eigenen Gelände und verbrauchte den produzierten Strom nahezu ausschließlich selbst. Das BHKW war an das eigene Stromnetz im Rahmen einer Kundenanlage und zudem mit dem allgemeinen Stromversorgungsnetz verbunden. Der Strombedarf war stets höher als die durch das BHKW produzierte Menge, so dass nach Auffassung des Finanzgerichts – losgelöst von der reinen Möglichkeit der Einspeisung und der Zahlung des KWK-Zuschlages – nicht von einer Einspeisung in das öffentliche Stromnetz auszugehen war. Demzufolge konnte es auch zu keiner Rücklieferung des Stroms kommen.

Wie bereits vorinstanzlich festgestellt, erfordert eine steuerbare Lieferung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes, dass der Unternehmer einem Dritten die Verfügungsmacht an einem Gegenstand gegen Entgelt verschafft. Es fehle bei einem Direktverbrauch eigenproduzierten Stroms aber an der Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag an den Netzbetreiber, die zu einer Übertragung der Verfügungsmacht und damit zu einer Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG führe. Denn gemäß dieser Regelung komme es auf die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, an.

Der Verbrauch eigenerzeugten Stroms bei geförderten BHKW führe somit nicht zu einer Lieferung an den Netzbetreiber. Auch aus den Vorschriften des KWKG lasse sich keine Lieferung des Stroms vom Anlagen- an den Netzbetreiber ablesen. Mangels kaufmännisch-bilanzieller Einspeisung im Bereich des KWKG sei auch aus dem EEG nichts anderes ableitbar.

Die Finanzämter sind indes weiterhin an die umsatzsteuerliche Lieferfiktion im Umsatzsteueranwendungserlass gebunden, welche mittlerweile auch fast gänzlich von den Netzbetreibern im Rahmen der Abrechnung angewandt wird. Somit stellt die aktuelle Abrechnungspraxis einen Widerspruch zum BFH-Urteil dar. Es darf gespannt erwartet werden, wie die Finanzverwaltung sich nunmehr positioniert.

Bis dahin steht für den Anlagenbetreiber sowohl von Neu- als auch von Bestandsanlagen die Frage der weiteren umsatzsteuerlichen Behandlung im Raum. Insbesondere ist zu klären, ob der KWK-Zuschlag und die fiktive Hinlieferung weiterhin der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind und wie im Falle eines offenen Umsatzsteuerausweises vorzugehen ist. Bei Nichtanwendung der Lieferfiktion unter Verweis auf die in Rede stehende Entscheidung sollte zudem berücksichtigt werden, dass damit auch ein etwaiger (anteiliger) Vorsteuerabzug aus laufendenden Aufwendungen entfällt und ggf. Vorsteuerkorrekturen gemäß § 15a UStG erforderlich werden können.
 

Praxis-Hinweis

Üblicherweise erfolgen die Abrechnungen der Netzbetreiber mittels Rechnungsgutschrift. Wir empfehlen daher, die Abrechnungen zu prüfen und diesen ggf. rechtzeitig zu widersprechen. Es sind die einschlägigen Vorschriften zur Verjährung von Ansprüchen zu beachten. Zudem sollten die mit dem Netzbetreiber abgeschlossenen Einspeiseverträge überprüft werden. Auch für die Vergangenheit sollte im Wege des Einspruchsverfahrens gegenüber dem Finanzamt die Umsatzsteuerveranlagung offengehalten werden. Gerne beraten wir Sie hierzu.

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Steuerberaterin, Partnerin, Leitung KompetenzTeam Steuern Köln
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Steuerberater, Leitung Steuern München

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