Keine Entlastungswirkung allein durch Feststellung des Jahresabschlusses

In einem Urteil äußert sich das OLG Brandenburg zu der Frage, ob durch die Feststellung des Jahresabschlusses ohne Weiteres eine Entlastungswirkung herbeigeführt wird.


Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg erfreut uns in jüngster Zeit regelmäßig mit relevanten Urteilen zu Führungsfragen. Nach Urteilen aus dem Vereinsrecht zur Delegation von Geschäftsführungsaufgaben durch den Vereinsvorstand (siehe Newsletter 3/2022) und zu Delegationsmöglichkeiten der Mitgliederversammlung (siehe Newsletter 5/2022) geht es diesmal um die Frage, ob durch die Feststellung des Jahresabschlusses ohne Weiteres eine Entlastungswirkung herbeigeführt wird.

Der Fall

Ein Gesellschafter-Geschäftsführer hatte sich in dem Zeitraum von Dezember 2015 bis Januar 2020 eigenmächtig ein höheres Geschäftsführergehalt ausgezahlt. Nach seinem Ausscheiden verlangte die GmbH dies im Rahmen einer Schadensersatzforderung zurück. Dem trat der Geschäftsführer mit dem Argument entgegen, er sei für die Jahre 2016 und 2017 entlastet worden und im Übrigen habe die Feststellung der Jahresabschlüsse ihm gegenüber auch die Wirkung eines Anerkenntnisses seines Gehalts. Das Landgericht verurteilte den Geschäftsführer zur Rückzahlung, weil die Feststellung des Jahresabschlusses für die Höhe des Geschäftsführergehalts nicht verbindlich sei. Zudem habe der Geschäftsführer für die Frage der Entlastung hinsichtlich der den Gesellschaftern zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht ausreichend vorgetragen. Gegen das Urteil legte der Geschäftsführer Berufung ein.

Die Entscheidung

In seinem Urteil vom 19. Juni 2022 – 7 U 133/21 – bejahte das OLG Brandenburg einen Schadensersatzanspruch, da die Auszahlung eines höheren Geschäftsführergehalts, welches weder vertraglich zugestanden noch gebilligt worden war, gegen die Sorgfaltspflichten eines „ordentlichen Geschäftsmanns“ verstoße. Das Argument, das Gehalt sei angemessen, trug nicht – zuständig bleibt die Gesellschafterversammlung.

Für die Jahre 2016 und 2017 verneinte das Gericht allerdings eine Haftung des Geschäftsführers, da die befreiende ausdrückliche Entlastung zeitgleich mit der Feststellung der Jahresabschlüsse erfolgt war, in denen die höheren Gehaltszahlungen eindeutig erkennbar waren. Diese Entlastungen blieben auch wirksam – auch wenn hier ein rechtswidriges Verhalten des Geschäftsführers gegeben sei. Ein für eine Unwirksamkeit erforderlicher schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß liege nicht vor.

Darüber hinaus sei aber keine ausdrückliche Entlastung beschlossen worden. Insbesondere führe allein die Feststellung des Jahresabschlusses nicht zum Ausschluss von Ansprüchen gegenüber den geschäftsführenden Mitgesellschaftern. Zwar liege in der Feststellung der Bilanz ein gesellschaftsinterner, konstitutiv wirkender Akt der Billigung des Jahresabschlusses. Eine Entlastungswirkung für Drittverbindlichkeiten wie die Ansprüche aus dem Dienstvertrag kann jedoch nur in besonderen Fällen angenommen werden, nämlich dann, wenn dies ausdrücklich vereinbart wird oder vor der Feststellung bewusst gewesen ist, dass Uneinigkeit in Bezug auf die Verbindlichkeit besteht.

Bewertung

Mit einer Entlastung nach § 46 Nr. 5 GmbHG sprechen die Gesellschafter dem Geschäftsführer für die Geschäftsführung oder einzelne Maßnahmen ihr Vertrauen aus mit der Folge, dass Schadensersatzansprüche wie auch Abberufungsgründe entfallen. Allein die Feststellung des Jahresanschlusses nach § 46 Nr. 1 GmbHG und damit der darin enthaltenen Bilanzpositionen führt dagegen nicht zum Anerkenntnis der Höhe nach und damit auch zu keiner konkludenten Entlastung. Das OLG erteilt damit einer extensiven Anwendung der Feststellungswirkung eine klare Absage. Ohne weitere Erklärungen sind Drittverbindlichkeiten damit nicht verbindlich festgestellt. Die Bilanzen stellen lediglich fest, dass diese Ausgaben getätigt worden sind – gebilligt wurden diese durch die Feststellung noch längst nicht.

Praxis-Hinweis

Oft wird von beiden Seiten mit unterschiedlicher Intention angenommen, dass mit der Feststellung des Jahresabschlusses eine Entlastung einherginge, die einerseits Ansprüche abschneiden bzw. andererseits Sicherheit geben würde. Dem ist aber nicht ohne Weiteres so. Eine Entlastung muss vielmehr ausdrücklich erteilt werden oder bei der Feststellung des Jahresabschlusses eine entsprechende Feststellung vereinbart werden. Der Geschäftsführer wird also darauf drängen müssen, eine ausdrückliche Entlastung zu erhalten – der Gesellschafter oder der Aufsichtsrat hingegen wird sämtliche Posten der Bilanz kritisch zu prüfen haben und in Zweifelsfällen streitig stellen und vor einer Entlastung klären müssen.

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