Ist die privatärztliche Abrechnung fachgebietsfremder Leistungen jetzt möglich?

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat mit Urteil vom 18. Januar 2022 – 1 ZRR 40/20 – entschieden, dass ein Arzt auch fachgebietsfremde Leistungen unter den Voraussetzungen der §§ 1 Abs. 2 Satz 1 und § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ abrechnen kann. Gleichwohl sind sämtliche Leistungserbringer gut beraten, die Erbringung und Abrechnung fachgebietsfremder Leistungen sehr sorgfältig zu beurteile

 

Ist die privatärztliche Abrechnung fachgebietsfremder Leistungen jetzt möglich?

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat mit Urteil vom 18. Januar 2022 – 1 ZRR 40/20 – entschieden, dass ein Arzt auch fachgebietsfremde Leistungen unter den Voraussetzungen der §§ 1 Abs. 2 Satz 1 und § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ abrechnen kann. Gleichwohl sind sämtliche Leistungserbringer gut beraten, die Erbringung und Abrechnung fachgebietsfremder Leistungen sehr sorgfältig zu beurteilen.

Der Fall

Ein niedergelassener Facharzt für Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie hat sich gegen die Rückforderungen ärztlicher Honorare durch eine private Krankenversicherung (PKV) zur Wehr gesetzt. Der Orthopäde hatte MRT-Leistungen erbracht und auch abgerechnet, ohne Inhaber der fachgebundenen Zusatz-Weiterbildung Magnetresonanztomographie zu sein, welche mit der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 eingeführt worden war. Die PKV vertrat die Auffassung, wegen der außerhalb des Fachgebiets erbrachten MRT-Leistungen seien die Behandlungsverträge wegen eines Verstoßes gegen Art. 34 des Heilberufe-Kammergesetzes Bayern (HKaG) nach § 134 BGB nichtig. Der beklagte Arzt wandte dagegen ein, MRT-Untersuchungen seien für Orthopäden nicht fachfremd; die Bayerische Landesärztekammer habe bestätigt, dass ein Orthopäde in den Grenzen seines Gebietes MRT-Leistungen erbringen dürfe.

Die Entscheidung

In der Vorinstanz hatte bereits das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg den Anspruch der PKV mit der Begründung zurückgewiesen, die Durchführung von MRT-Untersuchungen durch den Arzt könne nicht als „fachfremd" eingestuft werden. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat das Urteil des OLG Nürnberg – wenn auch mit anderer Begründung – bestätigt und darauf hingewiesen, ein Verstoß gegen das Beschränkungsgebot in Art. 34 Abs. 1 HKaG führe weder zur (Teil-)Nichtigkeit des Behandlungsvertrages noch stehe dem eine Abrechnung der Leistungen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 oder § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ entgegen.

Art. 34 Abs. 1 HKaG enthalte schon kein Verbotsgesetz, zudem entspreche die Nichtigkeitssanktion nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Auch sei die Frage, ob die konkrete ärztliche Leistung als „nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich“ (§ 1 Abs. 2 GOÄ) anzusehen sei, objektiv zu beurteilen. Sofern die im Einzelfall ergriffenen diagnostischen bzw. therapeutischen Methoden dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, wovon hier nach den Feststellungen des OLG Nürnberg auszugehen sei, unterliege deren Berechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte keinen Einschränkungen. Haftungsrechtlich sei entscheidend, ob die tatsächlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des behandelnden Arztes dem nach einem objektiv typisierenden Maßstab zu beurteilenden medizinischen Standard genügen. Dass dem im konkreten Fall nicht so war, wurde im Rahmen der Instanzen offenbar nicht vorgetragen.

Praxis-Hinweis

Mit Blick auf dieses Urteil könnte man nun die Auffassung vertreten, dass fachgebietsfremde Leistungen zumindest auf Basis der GOÄ stets abgerechnet werden können. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu der vom Bayerischen Obersten Landesgericht ergangenen Fragestellung liegt ersichtlich noch nicht vor. Gleichwohl sind sämtliche Leistungserbringer gut beraten, die Erbringung und Abrechnung fachgebietsfremder Leistungen sehr sorgfältig zu beurteilen. Es ist damit zu rechnen, dass erhebliche Ressourcen in die Durchsetzung der Vergütungsansprüche investiert werden müssen. Rein vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass im vertragsärztlichen Bereich ein Verstoß gegen das Verbot der Erbringung fachfremder Leistungen zwangsläufig zu Honorarkürzung führt.

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