Haftung der Organgesellschaft für Steuern, die nach Ende der Organschaft entstanden sind

Für die Finanzbehörden ist es bei einer Insolvenz des Organträgers und dem damit verbundenen Forderungsausfall im Einzelfall von besonderer Bedeutung, die Organgesellschaft in Haftung nehmen zu können. Die „Reichweite“ dieser Haftung ist Gegenstand eines aktuellen Urteils des Bundesfinanzhofs.

Steuerforderungen, die das Finanzamt vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beansprucht hat, gelten dem Grunde nach als Insolvenzforderungen. Für die Finanzbehörden ist es bei einer Insolvenz des Organträgers und dem damit verbundenen Forderungsausfall im Einzelfall von besonderer Bedeutung, die Organgesellschaft in Haftung nehmen zu können. Dies kann sich naturgemäß nur auf Forderungen im Zusammenhang mit einer bestehenden umsatzsteuerlichen Organschaft beziehen, die spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihr Ende findet. Die „Reichweite“ dieser Haftung ist Gegenstand des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. April 2022 – VII R 18/21.

Der Fall

Der Kläger und Revisionsbeklagte wurde am 27. März 2014 zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Organgesellschaft, einer GmbH bestellt. Das Insolvenzgericht beschloss, dass sämtliche Verfügungen der Insolvenzschuldnerin (der Organgesellschaft) ausschließlich mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters zulässig sind. Der Kläger wurde zur Verfahrenseröffnung zum Insolvenzverwalter bestellt. Über das Vermögen des Organträgers ist in der Folgezeit ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Die Finanzverwaltung beanspruchte Rückstände aus Umsatzsteuervoranmeldungen gegenüber dem insolventen Organträger für den Monat März 2014 und meldete die Forderung zur Insolvenztabelle bei der Organgesellschaft an. Das Finanzamt war der Ansicht, dass hinsichtlich der Umsatzsteuerschuld für diesen Monat eine Haftung der Organgesellschaft nach § 73 AO greife. Der Kläger bestritt in seiner Stellung als Insolvenzverwalter die Forderung vollumfänglich. Das zuständige Finanzamt erließ daraufhin einen Feststellungsbescheid, gegen den der Kläger Einspruch einlegte. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Insolvenzverwalter Klage mit dem Ziel der Feststellung, den Rückerstattungsbetrag aus den Voranmeldungen zu reduzieren.

Das Finanzgericht Sachsen gab dem Kläger recht. Zur Begründung führte es aus, dass eine Haftung nicht bestehe, weil die Steuerschuld erst mit Ablauf des 31. März 2014 und somit nach dem Ende der Organschaft entstanden sei.

Das Finanzamt wendete sich gegen diese Entscheidung mit der Revision vor dem Bundesfinanzhof.

 

Die Entscheidung

Der Bundesfinanzhof gab der Revision des Finanzamtes statt. Die Kammer verwies das Verfahren zurück an die Vorinstanz und hob dessen Entscheidung auf. Der BFH gab dem Finanzgericht auf, Feststellungen über die Höhe des Haftungsbetrages zu treffen.

Nach dem Wortlaut des § 73 Satz 1 AO haftet die Organgesellschaft „für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist“. Dies richtet sich, so der BFH, nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes. Der BFH stellt mit Verweis auf die § 73 AO i. V. m §§ 2 und 18 UStG fest, dass die Haftungsnorm steuerliche Risiken ausgleichen solle, die mit der Verlagerung der steuerlichen Rechtszuständigkeit auf den Organträger verbunden seien. Auch die Gesetzesbegründung führe in Bezug auf die Haftungsnorm § 73 AO aus, dass bei steuerlicher Anerkennung einer Organschaft auch Beträge umfasst seien, die ohne die Organschaft von der Organgesellschaft geschuldet wären.

Nach Ansicht des BFH ist es nicht von Bedeutung, zu welchem Zeitpunkt die Steuerschuld entstanden ist. Mit Verweis auf das Urteil des VII Senats vom 19. Januar 2021 – VII R 38/19 – sei vielmehr entscheidend, zu welchem Zeitpunkt Handlungen bzw. Unterlassungen vorgenommen wurden – während des Bestehens der Organschaft oder nach ihrer Beendigung. Die Beendigung der Organschaft falle vorliegend entsprechend neuerer Rechtsprechung auf den Zeitpunkt der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit der Kompetenz eines Zustimmungsvorbehalts. Der Haftungstatbestand greife damit für sämtliche Umsätze bis zum 27. März 2014.

Fazit

Das Urteil des Bundesfinanzhofs veranschaulicht, in welcher Form die Rechtsmaterien Insolvenzrecht und Steuerrecht ineinandergreifen. Im Insolvenzsteuerrecht bedürfen Sachverhalte mitunter einer eingehenden Prüfung. Haftungsfragen zwischen den Rechtsträgern einer umsatzsteuerlichen Organschaft sind in Abgrenzung zum vorliegenden Fall insbesondere von Bedeutung, wenn die in Anspruch genommene Gesellschaft von einer Insolvenz gar nicht betroffen ist und sich der Haftungsanspruch der Finanzverwaltung unter Umständen vollumfänglich „realisiert“.

 

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