Gewinnverwendung und Kapitalstärkung von Stiftungen

Die vorschnelle Zuführung von sonstigem Vermögen zum Grundstockvermögen (§ 83b Abs. 2 Nr. 3 BGB) ist nicht immer sinnvoll, sondern kann auf Dauer zu sehr einengen. Stiftungen, die ihr Kapital stärken wollen, sollten einen anderen Weg gehen. Empfehlenswert ist die Dotierung einer Kapitalerhaltungsrücklage.

„Wohin mit dem Geld?“ ist in der aktuellen Lage der Gesundheits- und Sozialwirtschaft zwar eine selten gestellte Frage. Einige Stiftungen erwirtschaften jedoch trotz des widrigen Umfelds einen Jahresüberschuss, über dessen Verwendung dann zu entscheiden ist. Grundsätzlich sind die Überschüsse (wie alle steuerbegünstigten Körperschaften zufließenden Mittel) zeitnah zur Zweckverwirklichung zu verwenden. Steuerlich ergibt sich diese Pflicht für gemeinnützige Stiftungen aus § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO. Stiftungsrechtlich ergibt sich dies – wesentlich weniger scharf konturiert – aus § 83c Abs. 1 Satz 2 BGB. Jedoch lassen sowohl das Steuer- als auch das Stiftungsrecht Ausnahmen zu.

Steuerlich können im Rahmen des § 62 Abs. 1 AO Rücklagen gebildet werden. Diese sind zum Teil zweckgebunden wie Projekt-, Betriebsmittel- oder Widerbeschaffungsrücklage (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO). Zweckgebundene Rücklagen müssen aufgelöst und die darin gebundenen Mittel wieder der zeitnahen Verwendung zugeführt werden, wenn der Grund für ihre Bildung entfallen ist (§ 62 Abs. 2 Satz 2 AO). Sie eignen sich deshalb nicht zur langfristigen Kapitalstärkung. Darüber hinaus dürfen ein Drittel des Überschusses aus Vermögensverwaltung sowie zusätzlich höchstens 10 % der sonstigen prinzipiell zeitnah zu verwendenden Mittel der „freien Rücklage“ zugeführt werden (§ 62 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 AO). Ist der Höchstbetrag in einem Jahr nicht ausgeschöpft, kann die unterbliebene Zuführung in den folgenden zwei Jahren nachgeholt werden (§ 62 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 AO).

Der Körperschaft bzw. Stiftung steht es frei, die Mittel aus der freien Rücklage kurzfristig zu verwenden oder damit dauerhaft, ohne zeitliche Limitierung, ihr Kapital zu stärken. Folglich ist die freie Rücklage des Steuerrechts das geeignete Instrument zur langfristigen Kapitalstärkung.

Die Satzungen gemeinnütziger Stiftungen sehen in aller Regel (explizit oder implizit) vor, dass Rücklagen im Rahmen der steuerlich Zulässigen gebildet werden dürfen. Durch eine solche Satzungsbestimmung wird die Rücklagenbildung auch stiftungsrechtlich legitimiert. Ohnehin stiftungsrechtlich zulässig ist die Bestimmung von sonstigem Vermögen zu Grundstockvermögen (§ 83b Abs. 2 Nr. 3 BGB).

Will eine Stiftung unter Beachtung von Steuerrecht und Stiftungsrecht den Jahresüberschuss zur Stärkung der Kapitalbasis verwenden, so eröffnen sich ihr also zwei Möglichkeiten. Betragsmäßig werden beide Möglichkeiten durch § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO (freie Rücklage) begrenzt. Stiftungsrechtlich werden die Mittel entweder dem Grundstockvermögen oder einer Kapitalerhaltungsrücklage zugeführt.


Grundstockvermögen

Die im neuen Stiftungsrecht ausdrücklich vorgesehene Widmung der Mittel als Grundstockvermögen (§ 83b Abs. 2 Nr. 3 BGB) bietet den größten Schutz vor Ausgabewünschen künftiger Gremienmitglieder. Gleichzeitig weist sie die geringste Flexibilität auf. Die Entscheidung ist unumkehrbar. Ein „Wiederauskehr“ aus dem Grundstockvermögen gibt es – abgesehen von vorübergehenden Maßnahmen (§ 83c Abs. 2 und 3 BGB) – nicht. Die Handlungsfähigkeit der Organe wird endgültig beschränkt. Gravierender noch ist die sogenannte Sicherungsspirale: Das einmal gebildete Grundstockvermögen muss erhalten bleiben. Ist es durch Anlageverluste geschmälert, so muss dies in den Folgejahren (z. B. durch Thesaurierung) wieder ausgeglichen werden. Mit der Zuführung zum Grundstockvermögen treffen die Gremien deshalb implizit Vorfestlegungen für künftige Ergebnisverwendungen. Zwar gibt das Stiftungsrecht keinen starren Zeitrahmen für die Wiederauffüllung des Grundstockvermögens vor. Das ändert aber nichts an der diesbezüglichen Pflicht des Vorstands. Die förmliche Erhöhung des Grundstockvermögens ist deshalb ein zweischneidiges Schwert.


Kapitalerhaltungsrücklage

Flexibler ist die Bildung einer Kapitalerhaltungsrücklage. Sie ist ein Ausschnitt der Ergebnisrücklagen und dient der Absicherung für den Fall etwaiger Kaufkraft- oder Wertverluste des Grundstockvermögens, ist aber ihrerseits nicht erhaltungspflichtig. Insoweit dient die Kapitalerhaltungsrücklage der langfristigen Kapitalstärkung, auch wenn sich die Gremien nicht auf ewig binden. Bei Veränderung der Umstände können sie im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens auf diese Rücklage zugreifen, sofern das Eigenkapital mindestens in Höhe des Grundstockvermögens noch vorhanden ist.
 

Praxis-Hinweis

Welchen Weg die Stiftung geht, ist ihr in der Regel selbst überlassen – spätestens mit der Stiftungsrechtsreform besteht ausdrücklich keine Pflicht zur Erhaltung des (realen) Werts im Sinne eines Kaufkraftausgleiches mehr (vgl. § 83c Abs. 1 Satz 1 BGB). Außerdem ist für das stiftungsrechtliche Gebot des (nominalen) Werterhaltes unseres Erachtens nicht zwingend die formelle Erhöhung des Grundstockvermögens erforderlich – die Kapitalerhaltungsrücklage kann diesen Zweck auch erfüllen. Einer Erhöhung des Grundstockvermögens „aus eigener Kraft“ nach § 83c Abs. 2 Nr. 3 BGB muss das zur Entscheidung berufene Organ hierüber ausdrücklich beschließen, eine konkludente Erhöhung durch die Feststellung des Jahresabschlusses mit einer entsprechenden Bilanz ist nach unserer Rechtsauffassung nicht ausreichend. Wollen Sie dagegen den Jahresüberschuss Ihrer Stiftung ganz oder zum Teil zur Kapitalstärkung einsetzen, so empfiehlt sich meist eine Einstellung in die Kapitalerhaltungsrücklage, nicht aber die Erhöhung des Grundstockvermögens. Übrigens: Wenn ein „Zustifter“ nicht als solcher benannt werden möchte und nicht den zusätzlichen Sonderausgabenabzug nach § 10b Abs. 1a EstG geltend machen, der Stiftung aber die größtmögliche Flexibilität angedeihen lassen will, gelten die vorgenannten Ausführungen auch für „Zustiftungen“ sinngemäß. Er kann auch als „Großspender“ seine Mittel als Spende unter Verwendungsauflagen in eine Kapitalrücklage geben.

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