Bundesarbeitsgericht präzisiert Bestimmung von Ausschlussfristen beim Entgelt-Rückzahlungsanspruch
Entstanden ist ein Anspruch, wenn alle Voraussetzungen eingetreten sind, von denen er abhängt. Er wird fällig, wenn der Gläubiger die Leistung verlangen kann. Dieser Zeitpunkt kann auch erst nach dem Entstehen der Forderung liegen. Der Begriff der Fälligkeit in Ausschlussfristen ist unter Einbeziehung des Kenntnisstands des Gläubigers und subjektiver Zurechnungsgesichtspunkte interessengerecht auszulegen. Es muss dem Gläubiger tatsächlich möglich sein, seinen Anspruch geltend zu machen. Liegen die rechtsbegründenden Tatsachen für einen Zahlungsanspruch in der Sphäre des Schuldners, ist zu prüfen, ob der Gläubiger es durch schuldhaftes Zögern versäumt hat, sich Kenntnis von den Voraussetzungen zu verschaffen, die er für die Geltendmachung seines Anspruchs benötigt.
Der konkrete Fall
Eine Arbeitnehmerin, als Fachkraft für Schulsozialarbeit beim Land Nordrhein-Westfalen beschäftigt, war in der Zeit vom 20. Dezember 2016 bis zum 6. Januar 2017, vom 11. bis zum 20. Januar 2017 und vom 20. Februar 2017 bis zum 24. März 2017 arbeitsunfähig erkrankt. In der Zeit vom 24. März 2017 bis zum 7. April 2017 „galt“ die Klägerin in ihrer Einsatzschule als „dienstunfähig“, auch wenn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dort nicht vorlag. Mit Erstbescheinigung ihres behandelnden Arztes von Dienstag, dem 11. April 2017, wurde ihr eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 10. bis zum 21. April 2017 und anschließend durch Folgebescheinigungen eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bis zum 12. Mai 2017 attestiert. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen reichte die Beklagte bei ihrer Einsatzschule ein. Diese wurden zur Bezirksregierung weitergeleitet, und das Landesamt für Besoldung und Versorgung leistete bis einschließlich zum 12. Mai 2017 Entgeltfortzahlung. Im Oktober 2018 teilte die Krankenkasse der Arbeitnehmerin dem Land mit, dass sie aufgrund anzurechnender „Vorerkrankungen“ vom 20. Februar bis zum 7. April 2017 vom „Ende der Entgeltfortzahlung“ am 9. April 2017 ausgehe und sie der Arbeitnehmerin für die Zeit vom 10. April bis zum 12. Mai 2017 Krankengeld nachzahlen werde. Im Dezember 2018 machte das klagende Land gegenüber der Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Rückzahlung gezahlter Bezüge in Höhe von rund 3.500 € geltend.
Das Urteil
Der Entgelt-Rückzahlungsanspruch folgt aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Fraglich war jedoch, ob dieser nach § 37 TV-L bereits verfallen war. Das BAG ist der Auffassung, dass eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast gilt, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert ist, da es keine Pflicht des Arbeitgebers gibt, von sich aus Auskünfte über das Bestehen einer Fortsetzungserkrankung einzuholen, um gegebenenfalls im Anschluss einen Entgelt-Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer innerhalb geltender Ausschlussfristen beziffern zu können. Eine solche Pflicht kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber Kenntnis von Umständen hat, aus denen sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die neuerliche Krankheit des Arbeitnehmers auf denselben Krankheitsursachen wie eine vorausgehende Erkrankung beruht, durch die der Entgeltfortzahlungszeitraum bereits erschöpft ist.
Nach Auffassung des BAG war daher der Entgelt-Rückzahlungsanspruch des Landes erst mit dem Zugang des Schreibens der Krankenkasse im Oktober 2018 im Sinne von § 37 TV-L fällig geworden, zumal für die Zeit ab dem 10. April 2017 von der gleichen Gemeinschaftspraxis, die auch die vorherigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt hatte, wieder eine „Erstbescheinigung“ ausgestellt wurde.
Fazit zum Entgelt-Rückzahlungsanspruch
Bei den Ausschlussfristen tritt die Fälligkeit gegebenenfalls erst dann ein, wenn der Gläubiger Kenntnis von seiner Forderung erlangt, obwohl der Anspruch an sich bereits entstanden ist. Insoweit kann die Ausschlussfrist auch wesentlich später enden.