OVG NRW: Einvernehmenserfordernis bedeutet kein generelles Vetorecht eines Krankenhauses
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW stellt in seinem Beschluss vom 13. August 20201 – 13 B 1403/20 – klar, dass ein Krankenhaus bei der Festlegung von Notfallaufnahmebereichen zur kurzfristigen Erklärung des Einvernehmens verpflichtet werden kann. Verweigert das Krankenhaus die Erklärung des Einvernehmens gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Rettungsgesetz NRW (RettG NRW), obwohl es am Entscheidungsprozess beteiligt wurde und durch die beabsichtigte Festlegung der Notfallaufnahmebereiche keine Überforderung des Krankenhauses droht, kann das Einvernehmen durch die Aufsichtsbehörde im Wege der Rechtsaufsicht ersetzt werden.
Der Fall
Der Entscheidung lag eine Verfügung des Trägers des Rettungsdienstes zugrunde. Diese basierte auf der Fortschreibung des Rettungsdienstbedarfsplans und verpflichtete ein Krankenhaus unter Androhung einer Ersatzvornahme dazu, sein Einvernehmen zur Neu-Festlegung der Zuschnitte der Notfallaufnahmebereiche zu erklären. Der von dem Krankenhaus hiergegen erhobene Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte zunächst Erfolg (VG Düsseldorf, Beschluss vom 9. September 2020 – 29 L 1111/20). In zweiter Instanz wurde die Entscheidung allerdings zugunsten des Trägers des Rettungsdienstes als Antragsgegner korrigiert.
Die Entscheidung des OVG NRW
Im Gegensatz zur Vorinstanz bejahte das OVG NRW ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung und lehnte den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab. Das besondere öffentliche Interesse sei darin zu sehen, die vorhandenen Ressourcen der Krankenhäuser im Stadtgebiet der Antragsgegnerin für die Notfallrettung auf Grundlage einer aktuellen, wirklichkeitsgetreuen Planung und ohne Verzögerung durch ein Hauptsacheverfahren auszuschöpfen.
Dringlichkeit der Neufestlegung von Notfallaufnahmebereichen auch ohne Versorgungsengpässe
Der Begründung des OVG ist zu entnehmen, dass es auf etwaige Versorgungsengpässe in Notfällen nicht ankomme. Denn im öffentlichen Interesse liege nicht nur die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes, sondern auch die mit der Neuregelung angestrebte bestmögliche Organisation des Rettungsdienstes unter Ausschöpfung der personellen und materiellen Ressourcen.
Das OVG stellt klar, dass die Festlegung der Notfallaufnahmebereiche im Einzelfall für die Frage von Bedeutung sein kann, in welches Krankenhaus ein Notfallpatient transportiert wird. Daran ändere auch die (Erst-)Versorgungsverpflichtung eines Krankenhauses gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KHGG NRW nach Maßgabe der ihm durch den Feststellungsbescheid gemäß § 16 KHGG NRW konkretisierten Aufgabenstellung nichts. Diese werde durch die Festlegung von Notfallaufnahmebereichen speziell für die Notfallrettung konkretisiert. Insoweit komme ihr eine organisatorische, subsidiäre Auffangfunktion bei der Zuweisung von Notfallpatienten zu. Aus der Beteiligung der Krankenhäuser an der Festlegung der Notfallaufnahmebereiche und der Vorgabe, dass diese nur mit ihrem Einvernehmen erfolgen darf, folge ihnen gegenüber deren Verbindlichkeit, aus der sich nach dem Willen des Landesgesetzgebers eine konkrete Aufnahmeverpflichtung ableite.
Kein Anspruch eines Krankenhauses auf Zuschreibung eines bestimmten Notfallaufnahmebereichs
Auch schütze das Erfordernis des Einvernehmens in § 11 Abs. 1 Satz 2 RettG NRW materielle Rechte der Krankenhäuser mittelbar nur insoweit, als sie vor einer Überforderung durch einen ihnen zugeschriebenen Notfallaufnahmebereich bewahrt werden sollen. Es werde jedoch keine materielle Rechtsposition vermittelt, aufgrund derer ein Krankenhaus die Zuschreibung eines bestimmten Notfallaufnahmebereichs oder die Nichtberücksichtigung eines konkurrierenden Krankenhauses beanspruchen könne. Daher seien subjektive Rechte der Krankenhäuser, insbesondere hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Interessen, im Rahmen des RettG NRW unbeachtlich.
Fazit
Die Festlegung von Notfallaufnahmebereichen obliegt dem Träger des Rettungsdienstes, so dass aus dem in § 11 Abs.1 Satz 2 RettG NRW geregelten Einvernehmenserfordernis kein generelles Vetorecht eines Krankenhauses abgeleitet werden kann.