Durchgriffshaftung auf den GmbH-Geschäftsführer

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 30. März 2023 – 8 AZR 120/22 – entschieden, dass die Geschäftsführung einer GmbH gegenüber Dritten nur in engen Grenzen auf Schadenersatz wegen Verletzung eines den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzes haftet (§ 823 Abs. 2 BGB).


Der Fall

In dem vom BAG entschiedenen Fall war der Kläger als Angestellter (Arbeitnehmer) bei einer GmbH (Schuldnerin) angestellt. Die Beklagten waren Geschäftsführer der GmbH. Nachdem über das Vermögen der GmbH als Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, bezog der Arbeitnehmer von der Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld.

Mit seiner Klage nimmt der Arbeitnehmer die Geschäftsführer auf Schadenersatz wegen von der von diesen vertretenen GmbH nicht geleisteter Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch. Die Geschäftsführer, so der ehemalige Arbeitnehmer, würden aus § 823 Abs. 2 BGB persönlich haften. Nach § 21  Abs. 1 Nr. 9 i. V. m. § 20 MiLoG sei die fahrlässige oder vorsätzliche Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns bußgeldbewehrt. Die Geschäftsführer seien als gesetzliche Vertreter der GmbH nach § 9 OWiG taugliche Täter der Ordnungswidrigkeit; sie hätten den Bußgeldtatbestand auch zumindest fahrlässig verwirklicht. Danach habe er einen „direkten Zahlungsanspruch“ gegen die Geschäftsführer. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.
 

Die Entscheidung

Das BAG hat die Revision des Klägers als unbegründet abgewiesen. Gegenüber außenstehenden Dritten haften Geschäftsführer grundsätzlich nicht persönlich. Vielmehr sei die Außenhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 13 Abs. 2 GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, die nach § 43 Abs. 1 GmbHG den Geschäftsführern einer GmbH aufgrund ihrer Organstellung obliegt, umfasse zwar auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt (sogenannte Legalitätspflicht). Diese Pflicht bestehe aber grundsätzlich nur der Gesellschaft gegenüber und nicht im Verhältnis zu außenstehenden Dritten. § 43 Abs. 1 GmbHG, so das BAG, regele allein die Pflichten des Geschäftsführers aus seinem durch die Bestellung begründeten Rechtsverhältnis zur Gesellschaft. Diese Pflichten dienen nicht dem Zweck, Gläubiger der Gesellschaft vor den Folgen einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung zu schützen. So werde aus der Regelung in § 43 Abs. 2 GmbHG deutlich, dass eine Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung nur Schadensersatzansprüche der Gesellschaft, nicht hingegen der Gläubiger der Gesellschaft entstehen lasse. Ein Geschäftsführer einer GmbH hafte daher nach ständiger Rechtsprechung nur dann persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn ein besonderer Haftungsgrund gegeben sei.

Ein besonderer Haftungsgrund liege indes nicht vor. Die Geschäftsführer seien dem Arbeitnehmer nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 9, § 20 MiLoG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zum Schadensersatz verpflichtet. Der Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 i. V. m. § 20 MiLoG stelle kein Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmer der Gesellschaft in ihrem Verhältnis zu den Geschäftsführern der Gesellschaft i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB dar.

Eine GmbH hafte gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG für durch Verstöße gegen gesetzliche Ver- und Gebote entstehende Schäden ausschließlich mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Eine Haftung der Geschäftsführer einer GmbH gegenüber Dritten sieht das Gesetz nicht vor. Dieses gesellschaftsrechtlich normierte Haftungssystem könne zwar durch den Gesetzgeber erweitert werden. Eine solche Erweiterung sei bezüglich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Geschäftsführer einer GmbH für Verstöße gegen Straftatbestände durch § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB und für die Begehung von Ordnungswidrigkeiten durch § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG erfolgt. Voraussetzung für eine solche Ausnahme sei allerdings, dass die Schutznorm, die eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB begründet, hinreichend deutlich erkennen lasse, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Geschäftsführer der Gesellschaft persönlich haften sollen. Dies jedoch sei im Hinblick auf die in § 21 Abs. 1 Nr. 9, § 20 MiLoG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG getroffenen Bestimmungen nicht erfüllt.
 

Praxis-Hinweis

Die Entscheidung des BAG ist zu begrüßen. Unter Hinweis auf die eindeutige Regelung in § 13 Abs. 2 GmbHG zeigt das BAG in seiner Urteilsbegründung klar auf, unter welchen (engen) Voraussetzungen die Geschäftsführung einer GmbH gegenüber Dritten für Schäden persönlich haften.

Autor
Autor

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß