Nach Schätzungen des Umweltbundesamtes entfallen in Deutschland etwa 35 % des Gesamtenergieverbrauchs sowie ungefähr 30 % der CO2-Emissionen auf den Bausektor. Um ihre anspruchsvollen Energieeffizienz- und Klimaziele zu realisieren, vertritt die Europäische Union die Auffassung, dass eine Verdopplung der jährlichen Renovierungsrate des Gebäudebestandes erforderlich ist, die momentan zwischen 0,4 und 1,2 % liegt. Die EU schlägt daher strengere Rechtsvorschriften zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und eine Überarbeitung der Bauprodukteverordnung vor.
Regulatorische Vorgaben erhöhen die Berichtsanforderungen
Im Rahmen der Implementierung der CSRD und der Taxonomie-Verordnung sind große Kapitalgesellschaften im Sektor Gesundheits- und Sozialwirtschaft verpflichtet, bis zum Jahr 2025 eine umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung zu etablieren. Zudem sind Einrichtungsträger, die gemäß ihrer Satzung oder ihrem Gesellschaftsvertrag einen Lagebericht erstellen müssen, angehalten, ihre Berichterstattung zu erweitern. Der Lagebericht soll in Zukunft detaillierte Informationen zu Nachhaltigkeitsaspekten wie Umweltrechten, sozialen Rechten, Menschenrechten und Governance-Faktoren einschließen. Hierbei ist essenziell, dass die nachhaltigkeitsbezogenen Ziele, Maßnahmen und Ergebnisse klar und verständlich für die Adressaten des Lageberichts dargestellt werden. Es ist von Bedeutung, auf Nachhaltigkeitsrisiken in den Zeithorizonten kurz-, mittel- und langfristig einzugehen. Bei diesem Prozess müssen die umfassenden Richtlinien der EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards – ESRS), die am 31. Juli 2023 verbschiedet wurden, unbedingt berücksichtigt werden.
Besondere Anforderungen an den Immobilienbestand
Im Kontext einer umfassenden „Klimarisiko- und Vulnerabilitätsbewertung“ sind die Betreiber von Gesundheitseinrichtungen dazu verpflichtet, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit der Patienten bzw. Bewohner und den Betrieb zu evaluieren. Dies beinhaltet auch die Analyse potenzieller Anpassungslösungen wie Gebäudekühlung und Sonnenschutzsysteme. Diese Anpassungsmaßnahmen werden mittels vordefinierter Indikatoren überwacht und quantifiziert. Im Rahmen der Umsetzung der Klimaschutzziele hat die Taxonomie-Verordnung spezifische Schwellenwerte für die Realisierung von Bauprojekten, den Erwerb von Gebäuden, die Renovierung bestehender Gebäude sowie die Implementierung von energieeffizienten Geräten festgelegt. Basierend auf diesen Vorgaben können Immobilien, die vor dem 31. Dezember 2020 errichtet wurden und entweder über einen Energieausweis der Klasse A verfügen oder zu den besten 15 % des regionalen Gebäudebestands zählen, eventuell als konform mit der Taxonomie betrachtet werden. Diese Vorgaben sollen sicherstellen, dass Immobilien einen hohen Energiestandard erfüllen und eine geringe Umweltbelastung verursachen.
Ferner ist die Erfassung der relevanten Umsätze, Investitionsaufwendungen (CapEx) und Betriebsaufwendungen (OpEx) gemäß den Taxonomie-Anforderungen zwingend vorgeschrieben. Zusätzlich wird erstmals eine ökologische Bewertung über den gesamten Lebenszyklus der Immobilien durchgeführt. Hierbei werden alle Umweltauswirkungen, die mit dem Bau, dem Betrieb und der Entsorgung der Immobilie im Zusammenhang stehen, vollumfänglich berücksichtigt.
Die ESRS wiederum sehen vor, dass die Unternehmen im Lagebericht eine Aufschlüsselung des Buchwerts der Immobilien nach Energieeffizienzklassen sowie eine klimabezogene Gefährdungsanalyse des Gebäudebestandes vornehmen.
Wirtschaftlicher Druck und Klimaschutzfahrplan
Die Implementierung des ESRS E1 „Klimawandel“ nimmt eine zentrale Position in der umfassenden Transformation ein. Dieser Standard definiert eine Vielzahl von Leistungsindikatoren, die erstmals offen kommuniziert werden müssen. Die Unternehmen sind ab dem Jahr 2025 angehalten, in sich wiederholenden Fünfjahreszeiträumen klare Ziele zur Reduktion von Emissionen zu formulieren und Meilensteine sowie den Grad der Zielerreichung transparent darzulegen. Dies beinhaltet auch die Ausarbeitung konkreter Aktionspläne. Der initiale Zielzeitraum (z. B. 2026 bis 2030) kann als Ausgangsbasis ein Referenzjahr zwischen 2022 und 2025 haben.
Die aus betrieblichen Aktivitäten resultierenden Treibhausgasemissionen werden standardisiert in CO2-Äquivalenten (in Tonnen) angegeben. Schrittweise sollen die Betreiber eine trägerspezifische Klimaneutralität anstreben und diesen Prozess in einem langfristigen Klimaschutzfahrplan dokumentieren, der auch für externe Parteien verständlich ist. Es ist von Bedeutung, die finanziellen Auswirkungen der notwendigen Maßnahmen im Zusammenhang mit den angestrebten Emissionseinsparungen zu berücksichtigen (siehe Tabelle).
Die umfassende Betrachtung der laufenden und der investiven Aufwendungen ist von Bedeutung und verdeutlicht den langfristigen finanziellen Handlungsspielraum des Betreibers. Daher ist es für Unternehmen wesentlich, bereits im Vorfeld Investitionsbedarfe, potenzielle Finanzierungslücken und mögliche Anpassungen des Geschäftsmodells strategisch zu analysieren. Die gegenwärtigen Förderprogramme im Bereich Klimaschutz weisen häufig Limitierungen auf, weshalb es erforderlich ist, alternative Finanzierungsoptionen zu identifizieren.
Finanzielle Chancen und Risiken einer nachhaltigen Immobilie
Im gegenwärtigen Umfeld fokussieren Unternehmen hauptsächlich auf die Bereiche Gebäudehülle, Gebäudetechnik und Heizenergieversorgung (insbesondere die Modernisierung von Heizanlagen, die Optimierung des Energiemanagements und die Einbindung von Smart Metering). Bereits der Wechsel zu Brennstoffen mit geringeren Emissionsfaktoren kann eine erhebliche Reduktion der CO2-Emissionen bewirken.
Eine nachhaltige Immobilie stellt für Gesundheits- und Sozialunternehmen sowohl finanzielle Möglichkeiten als auch Risiken dar. Durch die Implementierung nachhaltiger Maßnahmen lassen sich Kosten einsparen. Eine verbesserte Energieeffizienz führt zu geringeren Energieausgaben, während eine optimierte Ressourcennutzung und ein effektives Abfallmanagement zu weiteren Einsparungen beitragen können.
Aus Sicht der EU stellt darüber hinaus der Ausbau der Kreislaufwirtschaft einen wesentlichen Baustein in der Gesamtstrategie dar. Ein erheblicher Anteil des CO2-Fußabdrucks von Gebäuden resultiert aus den verwendeten Baustoffen, insbesondere aus energieintensiven und langlebigen Materialien wie Beton und Stahl. Die CO2-Bilanz eines Gebäudes kann wesentlich verbessert werden, indem nicht mehr benötigte Baustoffe recycelt werden, was einen wichtigen Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft darstellt.
Zusätzlich können nachhaltige Immobilien die Anziehungskraft auf Investoren und potenzielle Bewohner steigern. Eine wachsende Anzahl von Investoren legt im Rahmen der Due Diligence Wert auf nachhaltige Investitionen und präferiert folglich nachhaltig ausgerichtete Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen. Diese Ausrichtung kann somit zu einer höheren Nachfrage führen und langfristig stabile oder steigende Mieteinnahmen zur Folge haben. Dennoch ist es von Bedeutung, zu berücksichtigen, dass die Transformation zu einer nachhaltigen Immobilie zunächst mit erhöhten Investitionskosten verbunden ist. Angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen ist es daher von entscheidender Wichtigkeit, eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen, um die langfristigen finanziellen Auswirkungen besser einzuschätzen. Mit der Hilfe von Szenarioanalysen lassen sich unterschiedliche Transformationspfade betrachten und optimierte Strategien entwickeln.
Praxis-Hinweis
Die zunehmende Betonung der Nachhaltigkeitsberichterstattung und die regulatorischen Vorgaben, unter anderem eine Dekarbonisierungsstrategie zu entwickeln, haben bedeutende Auswirkungen auf die Gesundheitsbranche. Träger von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen stehen vor der Herausforderung, ihre Nachhaltigkeitsstrategie zu überdenken und ihre Immobilien entsprechend anzupassen. Eine umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung ermöglicht es den Trägern, Transparenz zu schaffen und die finanziellen Möglichkeiten und Risiken einer nachhaltigen Immobilie zu evaluieren. Die Umstellung auf eine nachhaltige Immobilie erfordert zwar anfängliche Investitionen, bietet jedoch langfristig Potenzial für Kosteneinsparungen und eine gesteigerte Attraktivität für Investoren und Bewohner.