Der neue IDW ERS IFA 1 n. F.

Am 3. Juli 2023 hat der Immobilienwirtschaftliche Fachausschuss (IFA) des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland den Entwurf einer Neufassung der IDW-Stellungnahme zur Rechnungslegung „Abgrenzung von Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten bei Gebäuden in der Handelsbilanz“ (IDW ERS IFA 1 n. F.) verabschiedet. Ziel ist die Konkretisierung des bisherigen Standards im Hinblick auf die Neufassung des Klimaschutzgesetzes aus dem Jahr 2023. Der Entwurf beinhaltet eine noch nicht abschließend abgestimmte Berufsauffassung. Mit dem neuen Standard werden nun erstmalig konkrete Bewertungsgrößen festgelegt, um zu bestimmen wann eine wesentliche Verbesserung über den ursprünglichen Zustand hinaus und damit aktivierungspflichtige Herstellungskosten bei der Gebäudesubstanz im Rahmen einer energetischen Sanierung vorliegen.

Nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sind Aufwendungen als Herstellungskosten bei Gebäuden zu aktivieren, falls eine der drei folgenden Voraussetzungen vorliegt:

  • Herstellung eines Gebäudes,
  • Erweiterung eines bestehenden Gebäudes,
  • wesentliche Verbesserung eines Gebäudes, die über dessen ursprünglichen Zustand hinausgeht.


Herstellung eines Gebäudes

Eine Herstellung liegt regelmäßig dann vor, wenn das Gebäude derart abgenutzt ist, dass es unbrauchbar geworden ist (Vollverschleiß) und durch die vorgenommenen Maßnahmen unter Verwendung der nutzbaren Teile ein neues Gebäude entsteht. Damit das Gebäude in bautechnischer Hinsicht als neu anzusehen ist, müssen die verschlissenen Bauteile ersetzt werden, die bestimmend sind für die Nutzungsdauer des Gebäudes.


Erweiterung eines bestehenden Gebäudes

Eine Erweiterung eines Gebäudes liegt regelmäßig dann vor, wenn die bauliche Maßnahme dazu dient, das Gebäude in seiner Substanz zu mehren. In der Praxis ergeben sich regelmäßig keine Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Erweiterung eines Gebäudes durch eine Aufstockung, einen Anbau oder die sonstige Erweiterung der nutzbaren Fläche des Gebäudes. Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich jedoch bei der sogenannten „Substanzvermehrung“, wenn also ein Gebäude in seiner Substanz vermehrt wird, ohne dass dabei die nutzbare Fläche des Gebäudes vergrößert wird. Eine aktivierungspflichtige Erweiterung liegt nicht vor, wenn durch die Maßnahme ein selbständig verwertbarer Vermögensgegenstand errichtet wird, der in keinem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude steht. Solche Vermögensgegenstände sind unabhängig vom Gebäude als eigenständige Vermögensgegenstände zu aktivieren und abzuschreiben.

Vor dem Hintergrund steigender Energiepreise und dem Wunsch nach Unabhängigkeit von den Energieversorgern entscheiden sich immer mehr Unternehmen für eine Photovoltaik-Anlage. Auch hierbei ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob eine Erweiterung des Gebäudes oder ein eigenständiger Vermögensgegenstand vorliegt. Der neue Standard liefert auch hier sinnvolle Hinweise für die Praxis. Demnach ist von einem einheitlichen Nutzen- und Funktionszusammenhang auszugehen, wenn es für den Bilanzierenden eine Pflicht zum Einbau einer Photovoltaik-Anlage gibt oder der erzeugte Strom nahezu ausschließlich in dem betreffenden Gebäude verwendet wird.


Wesentliche Verbesserung eines Gebäudes

Eine wesentliche Verbesserung eines Gebäudes, die über dessen ursprünglichen Zustand hinausgeht, liegt vor, wenn die Nutzungsdauer des Gebäudes deutlich verlängert oder die Gebäudequalität über die zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung hinaus deutlich verbessert wird. Der ursprüngliche Zustand des Gebäudes ist im Sinne des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB stets der Zustand zu dem Zeitpunkt, in dem das Gebäude betriebsbereit war und in das Vermögen des Bilanzierenden aufgenommen wurde. Dies ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Herstellung oder der Anschaffung des Gebäudes. Sollte es in der Folge zur Aktivierung nachträglicher Anschaffungs-/Herstellungskosten bzw. zu Substanzverlusten gekommen sein, ist dieser Zustand maßgebend. Hinsichtlich der wesentlichen Verbesserung der Gebäudequalität ergeben sich Abgrenzungsschwierigkeiten im Hinblick auf die Interpretation der geforderten wesentlichen Verbesserung über eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung hinaus. In diesem Fall zielt der bisherige Standard auf den Gebrauchswert des Gebäudes ab, der sich regelmäßig nach der Lage, der Architektur, der Anzahl und Größe der Räume sowie insbesondere der Ausstattung des Gebäudes bemisst. Da sich die ersten drei Punkte nur schwer oder gar nicht anpassen lassen, ist hier insbesondere auf eine wesentliche Verbesserung der Ausstattung des Gebäudes abzustellen. Regelmäßig problematisch ist dabei die objektive Bewertung einer wesentlichen Verbesserung und des zeitgemäßen Zustands. In diesem Fall sind sowohl der technische Fortschritt seit Inbetriebnahme des Gebäudes als auch gegebenenfalls Veränderungen der Lebensgewohnheiten zu berücksichtigen. Mithin bedeutet zum Beispiel die Modernisierung eines Gebäudes im Hinblick auf eine Dachsanierung oder das Ersetzen von einfachverglasten Fenstern durch Mehrfachverglasung für sich betrachtet keine wesentliche Verbesserung über den zeitgemäßen Zustand hinaus.

Eine aktivierungsfähige Maßnahme im Sinne des IDW-Standards war bislang immer dann gegeben, wenn eine Verbesserung in mindestens drei der zentralen Bereiche der Ausstattung vorgenommen wird. Als zentrale Bereiche der Ausstattung gelten

  • Fenster
  • Elektronik/Informationstechnik (einschließlich Gebäudeautomation)
  • Sanitärausstattung
  • Maßnahmen zur Wärme- und Energieversorgung und -speicherung
  • Wärmedämmung

Die maßgebliche Änderung im neuen IDW-Standard betrifft insbesondere die Behandlung der energetischen Sanierungen. Hiernach führen Maßnahmen zu einer wesentlichen qualitativen Verbesserung des Gebäudes, wenn sie zu einer Minderung des Endenergieverbrauchs um mindestens 30 % führen bzw. eine Verbesserung der Energieeffizienzklasse um mindestens zwei Stufen gegenüber dem ursprünglichen Zustand des Gebäudes erreicht wird – und zwar auch dann, wenn nur eine Maßnahme in einem einzelnen zentralen Bereich der Ausstattung zu dieser Verbesserung führt.


Zusammenhängende Maßnahmen

Vor dem Hintergrund energieeffizienter Investitionsvorhaben können auch zusammenhängende Maßnahmen unter Umständen an Bedeutung gewinnen. Auch wenn Baumaßnahmen in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen, sind sie grundsätzlich einzeln zu bewerten. Eine zusammenhängende Beurteilung ist nur dann geboten, wenn die einzelnen Maßnahmen für sich lediglich eine zeitgemäße substanzerhaltende Maßnahme (= Erhaltungsaufwand) darstellen, jedoch mit anderen Maßnahmen gemeinsam in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und damit zu einer einheitlichen Baumaßnahme führen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die einzelnen Maßnahmen bautechnisch bedingen. Ein enger zeitlicher Zusammenhang kann dabei auch gegeben sein, wenn die Baumaßnahme über mehrere Geschäftsjahre geplant ist.


Praxis-Hinweis

Der neue IDW ERS IFA 1 n. F. bietet insbesondere bei der energetischen Sanierung von Altgebäuden klare Leitlinien. Vor dem Hintergrund der weiterhin bestehenden Komplexität solcher Maßnahmen empfiehlt es sich, bei bilanziellen Fragestellungen die beteiligten Architekten und Bauplaner einzubinden, um die Frage nach der wesentlichen Verlängerung der Nutzungsdauer und der über den ursprünglichen Zustand hinaus gehenden wesentlichen Verbesserung sachgerecht beantworten zu können. Auch empfehlen wir, insbesondere bei umfangreichen Maßnahmen, die bilanziellen Fragestellungen mit dem Abschlussprüfer zeitnah abzustimmen

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Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner, Niederlassungsleitung Mainz und Freiburg

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