Nach den jüngsten Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) war die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes unlängst immer mehr zurückgedrängt worden, ganz zentral in der Entscheidung des BFH vom 23. Juli 2019 – XI R 2/17, in der es um die Umsatzsteuer auf die Umsätze eines Inklusionsbetriebs in Gestalt eines Bistros ging. Der BFH hatte hier entschieden, dass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Umsätze des Bistros wettbewerbsschädlich sei. Ferner seien die Umsätze dieses Zweckbetriebs im Sinne von § 68 Nr. 3 c) AO dem Regelsteuersatz von 19 % zu unterwerfen, weil die Ausgangsleistungen (Gastronomieleistungen) zwar als solche der Zweckverwirklichung dienten, aber nicht den behinderten Menschen und damit nicht dem begünstigten Personenkreis zugutekämen und somit nicht originär gemeinnützig seien.
Dieses Urteil des BFH war in Kreisen der betroffenen Einrichtungen auf heftige Kritik gestoßen, da sich die Ausgangsleistungen bei Inklusionsbetrieben – sowie auch bei Werkstätten für behinderte Menschen – regelmäßig nicht speziell an behinderte Menschen, sondern an einen allgemeinen Kundenkreis richten. Der Sinn solcher Einrichtungen besteht gerade auch darin, einen Brückenschlag zum allgemeinen Wirtschaftsleben herzustellen. Infolge der BFH-Rechtsprechung bestand eine erhebliche Unsicherheit mit Blick auf die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7 % in derartigen Einrichtungen.
Auch für die allgemeinen Zweckbetriebe nach § 65 AO schien die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach der aktuellen Rechtsprechung des BFH nunmehr nahezu ausgeschlossen. In seinem Urteil vom 26. August 2021 – V R 5/19 – hatte der BFH die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Umsätze eines Zweckbetriebs nach § 65 AO abgelehnt. Begründet wurde dies mit der in § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) UStG enthaltenen Wettbewerbsklausel, die dem Wortlaut nach auch für Zweckbetriebe nach § 65 AO gesondert einzuhalten sei, obwohl bereits die Zweckbetriebsnorm des § 65 AO selbst eine – wenn auch dem Wortlaut nach mildere – Wettbewerbsklausel enthält und die Finanzverwaltung bei Zweckbetrieben nach § 65 AO die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes daher stets bejaht (vgl. Abschnitt 12.9 Abs. 9 Satz 2 UStAE).
Nach der Neufassung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) UStG im Wachstumschancengesetz soll nunmehr die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bei Zweckbetrieben nach § 65 AO festgeschrieben werden, da nach der Gesetzesbegründung ein unzulässiger Wettbewerb bereits durch die entsprechende Voraussetzung dieser Zweckbetriebsnorm ausgeschlossen sei. Ferner stellt die geplante Neufassung klar, dass steuerbegünstigte Körperschaften bei den übrigen Katalog-Zweckbetrieben im Sinne der §§ 66 bis 68 AO ihre steuerbegünstigten Zwecke selbst erfüllen und folglich den ermäßigten Steuersatz anwenden können, „wenn die Leistungsempfänger oder an der Leistungserbringung beteiligte Personen vom steuerbegünstigten Zweck der Einrichtung erfasst werden“. Diese Formulierung sollte künftig Sicherheit beispielsweise für Inklusionsbetriebe bringen.
Praxis-Hinweis
Zunächst bleibt abzuwarten, ob das Gesetz in der vorliegenden Entwurfsfassung verabschiedet wird – die finale Abstimmung im Bundesrat ist auf den 15. Dezember 2023 terminiert. Wenn Sie Fragen zur Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes haben, wenden Sie sich gerne an unser Steuerteam.