Green Deal - Anforderungen an ein nachhaltiges Berichtswesen

Steigende Energiekosten, Extremwetterereignisse und die Diskussion um die Arbeitsbedingungen in der Pflege wirken sich immer stärker auf die Unternehmen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft aus. Geschäftsführer und Aufsichtsgremien müssen in diesem Zusammenhang nachhaltige Lösungsansätze zur Bewältigung der neuen Herausforderungen finden.

 

CSRD-Richtlinie verpflichtet zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts

Steigende Energiekosten, Extremwetterereignisse und die Diskussion um die Arbeitsbedingungen in der Pflege wirken sich immer stärker auf die Unternehmen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft aus. Geschäftsführer und Aufsichtsgremien müssen in diesem Zusammenhang nachhaltige Lösungsansätze zur Bewältigung der neuen Herausforderungen finden. Nach den Plänen der EU-Kommission sind hierbei konkrete Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln und im Lagebericht zu veröffentlichen. Wir geben einen ersten Überblick, welche zusätzlichen Anforderungen sich daraus für das Berichtswesen ergeben und wie die Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung sinnvoll gestaltet werden kann.

Im Sommer 2022 haben sich der Europäische Rat und das Europäische Parlament weitgehend über die von der EU-Kommission geplante Anpassung der sogenannten Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD-Richtlinie) geeinigt. Damit sind ab 2025 alle großen Kapitalgesellschaften verpflichtet, einen dezidierten Nachhaltigkeitsbericht in ihren Lagebericht aufzunehmen und von einem externen Prüfer prüfen zu lassen. Auch Einrichtungsträger, die nach ihrer Satzung oder ihrem Gesellschaftsvertrag einen Lagebericht aufzustellen haben, werden zukünftig ihre Berichterstattung ausweiten müssen. Es ist davon auszugehen, dass die kreditgebenden Banken und Fördermittelgeber die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien einfordern und finanztechnisch einpreisen werden (z. B. durch günstigere Finanzierungsbedingungen).
 

Anforderungen an das Berichtswesen

Im Lagebericht sind zukünftig detaillierte Informationen zu Nachhaltigkeitsthemen wie Umweltrechten, sozialen Rechten, Menschenrechten und Governance-Faktoren zu veröffentlichen. Die nachhaltigkeitsbezogenen Ziele, Maßnahmen und Ergebnisse sowie ihr Zusammenspiel müssen für den Adressaten des Lageberichtes nachvollziehbar sein, wobei explizit auf kurz-, mittel- und langfristige Nachhaltigkeitsrisiken einzugehen ist. In diesem Zusammenhang wurde die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) von der EU-Kommission beauftragt, EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards – ESRS) zu entwickeln. Die EFRAG hat im Frühjahr 2022 dreizehn umfangreiche Standardentwürfe für die Bereiche Umwelt, Soziales und Governance vorgelegt, die eine signifikante Ausweitung des Berichtswesens zur Folge haben. Darüber hinaus müssen gemäß der sogenannten Taxonomie-Verordnung unter anderem Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit der Patienten bzw. Bewohner und den Betrieb sowie mögliche Anpassungslösungen (z. B. Gebäudekühlung, Sonnenschutzsysteme) bewerten.

Es wird bereits heute deutlich, dass die Mehrheit der Unternehmen den Prozess der Lageberichterstellung komplett überarbeiten muss. Die Informationsbeschaffung bzw. die Implementierung der standardkonformen Berichterstattung wird einen erheblichen zeitlichen Vorlauf in den Bereichen Controlling, Personal, Technik und Finanzbuchhaltung benötigen. In Hinsicht auf die Umsetzung der Anforderungen bedarf es einer grundlegenden Klärung der Begrifflichkeiten und der Etablierung einer vollständigen und kontinuierlichen Datenerhebung. Die zum Aufbau eines Nachhaltigkeitsreportings einschlägigen Empfehlungen der Global Reporting Initiative (GRI) und des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) können hier eine erste Orientierung bieten.
 

Kennzahlen zur Nachhaltigkeit

In den nächsten Jahren werden insbesondere die Umsetzung der Taxonomie-Verordnung (vor allem Anpassung an den Klimawandel) und des ESRS E1 „Climate change“ eine zentrale Rolle spielen. Anhand der Parameter Umsatzerlöse, Investitionsausgaben und Betriebsausgaben muss demnach dargestellt werden, wie hoch der Anteil der taxonomiefähigen (nachhaltigen) Wirtschaftstätigkeiten an den Gesamtaktivitäten der Gesundheitseinrichtung ist. Auch werden zum Beispiel der Betrieb eines Krankenhauses, die Vermietung von Seniorenwohnungen und der Bau neuer Einrichtungen als taxonomiefähige Wirtschaftstätigkeiten eingestuft, für die detaillierte Vorgaben zu beachten sind. Anhand konkreter Emissionsreduktionsziele sollen die Träger ab 2025 in rollierenden Fünfjahreszeiträumen Meilensteine und Zielerreichungsgrad sowie konkrete Aktionspläne offenlegen (siehe die nachfolgende Tabelle). Für den ersten Zielzeitraum (z. B. 2026 bis 2030) kann ein aktuelles Basisjahr zwischen 2022 und 2025 zugrunde gelegt werden. Unter Hinzuziehung der genutzten Fläche sowie der vorgehaltenen Pflegeplätze bietet es sich an, den durchschnittlichen Energieverbrauch pro genutzter Fläche (kWh/qm) sowie pro Pflegeplatz oder Bett (kWh/Pflegeplatz bzw. Bett) einrichtungsbezogen zu ermitteln. Die hieraus resultierenden Treibhausgasemissionen werden anhand standardisierter Verfahren umgerechnet und in CO2-Äquivalenten (in Tonnen) dargestellt.

Am Beispiel des ESRS S1 „Own workforce“ mit insgesamt 26 Offenlegungsbereichen wird deutlich, dass perspektivisch auch erhöhte Anforderungen an das Personalcontrolling gestellt werden. Im Lagebericht sollen demnach Angaben über Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf die eigene Belegschaft in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Chancengleichheit und sonstige Arbeitnehmerrechte erfolgen. Hierbei werden erstmalig im Lagebericht unter anderem Indikatoren für die folgenden Bereiche aufgeführt: Schulung und Kompetenzentwicklung (Schulungsstunden, Weiterbildungsausgaben), Work-Life-Balance, angemessene Vergütung, Lohngefälle zwischen Frauen und Männern.
 

Nachhaltige Handlungsfelder

Aufgrund der oben genannten regulatorischen Vorgaben müssen die Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft den Status quo des energetischen Gebäudezustandes und des tatsächlichen Energieverbrauchs erfassen und notwendige Maßnahmen zum klimaneutralen Umbau einleiten. In der Praxis werden hier insbesondere die folgenden Handlungsfelder priorisiert und bewertet:

  • Reduzierung des Primärbedarfs an Energie und Strom
  • Bauliche Maßnahmen in Form von Verschattung, Klimatisierung und Begrünung
  • Optimierung der technischen Anlagen im Kälte- und Wärmebereich
  • Mobilität der Mitarbeiter und Besucher
  • Abfallmanagement und Lebensmitteleinsatz im Krankenhaus, Pflegeheim etc.
  • Sensibilisierung der Bewohner und Mitarbeiter für ein nachhaltigeres Nutzerverhalten

 

Klimaschutzfahrplan

Unter Berücksichtigung der oben genannten Ausgangswerte (Leistungsindikatoren) kann die trägerbezogene Klimaneutralität schrittweise im Rahmen eines langfristigen Klimaschutzfahrplans angestrebt und für Dritte nachvollziehbar dokumentiert werden. Die notwendige Gesamtbetrachtung der laufenden und investiven Aufwendungen bildet in Verbindung mit den angestrebten Emissionseinsparungen letztlich den (langfristigen) finanziellen Handlungsspielraum des Trägers ab. Aus Unternehmenssicht können damit frühzeitig Investitionsbedarfe und Finanzierungs­lücken strategisch betrachtet werden. Hierbei zeichnet sich bereits heute ab, dass die aktuellen Förderprogramme für Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichend sind und alternative Finanzierungslösungen gefunden werden müssen.

 

Praxis-Hinweis

Die Festlegung und die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen werden in den nächsten Jahren die Unternehmensleitungen und Aufsichtsgremien intensiv beschäftigen. In diesem Zusammenhang sind die Implementierung eines nachhaltigen Berichtswesens und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachabteilungen unabdingbar. Strategisch gut aufgestellte Unternehmen haben hier die Chance, sich als nachhaltige Arbeitgeber bzw. Sozialpartner zu positionieren. Die frühzeitige Etablierung eines Klimaschutzfahrplans schärft das Bewusstsein für die nachhaltig notwendigen Maßnahmen sowie den zukünftigen Handlungsspielraum.

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