Coronavirus: Fragen zu Vereins- und Gesellschaftsrecht (Update 13.01.2021)

Seit 28. März 2020 ist das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht Covid-19-Abmilderungsgesetz in Kraft. Es beinhaltet unter anderem Erleichterungen für Vereine und GmbH zu Versammlungen und Beschlussfassungen und galt zunächst nur für Versammlungen und Beschlüsse im Jahr 2020.

Am 14. Oktober 2020 hat die Bundesregierung die „Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ beschlossen. Danach werden die vorübergehenden Erleichterungen für die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, die Europäische Gesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Genossenschaften, die Vereine und Stiftungen sowie die Erleichterung im Bereich des Umwandlungsrechts bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.

So wird auch bei Fortbestehen der durch die COVID-19-Pandemie bedingten Einschränkungen über den 31. Dezember 2020 hinaus den Unternehmen betroffener Rechtsformen sowie Vereinen und Stiftungen weiterhin die Möglichkeit gelassen, Beschlussfassungen unter erleichterten Bedingungen vorzunehmen (Stichwort: virtuelle Versammlungen), so dass ihre Handlungsfähigkeit gewährleistet bleibt. Nichtsdestotrotz sind Einzelfragen – insbesondere im Zusammenhang mit Mitgliederversammlungen – offengeblieben.

Update 13.01.2021: Konkretisierung der bisherigen Regelungen

Hier hat der Gesetzgeber nunmehr nachgelegt und Änderungen des COVID-19-Abmilderungsgesetzes beschlossen, die ab März 2021 gelten und die bisherigen Regelungen konkretisieren. Dies betrifft insbesondere die Fragen zur Einberufungspflicht bei satzungsmäßig vorgesehener Versammlung und die Geltung der Regelungen für andere Vereins- und Stiftungsorgane. Die Änderungen sind an den entsprechenden Stellen im nachfolgenden Text durch Kursivsatz kenntlich gemacht.

 

I. Vereinsrechtliche Fragen

Der Notvorstand als Mittel zur Vermeidung einer Mitgliederversammlung in Corona-Zeiten?

Durch die coronabedingten landesspezifischen Regelungen und damit verbundenen Beschränkungen zum Zusammenkommen einer größeren Anzahl von Personen sehen sich viele Vereine derzeit mit der Frage konfrontiert, ob und wie sie Mitgliederversammlungen möglicherweise vorerst vermeiden können. Dies gilt gerade dann, wenn schwer aufschiebbare Entscheidungen, wie die Bestellung eines neuen Vorstandes nach abgelaufener Amtszeit des bisherigen Vorstandes, anstehen. In solchen Fällen mag die Beantragung der Bestellung eines Notvorstandes als geeignetes Mittel erscheinen, um die Zeit, bis die Durchführung von Mitgliederversammlungen unter normalen Bedingungen wieder möglich ist, zu überbrücken.

Grundsätzlich lassen sich bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen nach § 29 BGB auf Antrag (Not-)Vorstandsmitglieder bestellen - soweit ein Verein nicht über die erforderlichen Mitglieder eines Vorstandes verfügt. Die Bestellung erfolgt in diesem Fall durch das Amtsgericht.

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hatte mit Beschluss vom 9. Juni 2020 – 7 W 32/20 – unter anderem darüber zu entscheiden, ob diese Voraussetzungen zur Bestellung eines Notvorstandes vorliegen, wenn die satzungsgemäße Amtszeit des alten Vereinsvorstandes abgelaufen ist. Entscheidend war dabei, ob ein Verein dann entsprechend § 29 BGB nicht mehr über Vorstandsmitglieder „verfügt“.

Im konkreten Fall fand sich in der Vereinssatzung allerdings eine Regelung, dass die Vorstandsmitglieder nach abgelaufener Amtszeit bis zur wirksamen Neuwahl im Amt bleiben. Das OLG Brandenburg lehnte daher die Bestellung eines Notvorstandes ab und argumentierte zutreffend, dass Voraussetzung der Bestellung eines Notvorstandes sei, dass tatsächlich kein Vorstand bestehe. Nicht die vereinsinternen Regelungen zur Amtszeit der Vorstandsmitglieder seien also entscheidend, sondern allein die Frage, ob der Verein (noch) über einen Vorstand verfüge. Dies sei im konkreten Fall bereits durch die Klausel zur Amtsinhaberschaft bis zur Neuwahl eines neuen Vorstandes zu bejahen.

Das OLG ging in seinen Ausführungen jedoch noch einen Schritt weiter und wies darauf hin, dass ein Verein sogar dann noch über einen Vorstand im Sinne des § 29 BGB verfüge – und die Bestellung eines Vorstandes auch dann nicht möglich wäre –, wenn sich die genannte Klausel zur Verlängerung der Amtszeit nicht in der Vereinssatzung fände, der bisherige Vorstand jedoch noch im Vereinsregister eingetragen wäre.

Tatsächlich richte sich die maßgebliche Frage, ob ein Vorstand noch vorhanden sei, also nicht nach den vereinsinternen Regelungen, sondern allein danach, ob der bisherige Vorstand noch im Vereinsregister eingetragen ist. Aus Gründen des Schutzes des Vertrauens in die Richtigkeit des Vereinsregisters sei der dort eingetragene Vorstand analog § 121 Abs. 2 S. 2 AktG weiterhin zur Einberufung einer Mitgliederversammlung befugt. Allein durch die so einberufene Mitgliederversammlung lasse sich dann ein neuer Vorstand bestellen.

In seiner Argumentation konsequent, aber dennoch bemerkenswert, weist das OLG schließlich darauf hin, dass dies sogar dann gelte, wenn die Unrichtigkeit der Eintragung im Vereinsregister objektiv feststünde.

Festzuhalten ist, dass die Bestellung eines Notvorstandes nach abgelaufener Amtszeit leider kein geeignetes Mittel zur Vermeidung einer Mitgliederversammlung in Coronazeiten darstellt. Solange Personen – sogar objektiv unrichtig – als Vorstandsmitglied im Vereinsregister eingetragen sind, sind diese weiterhin zur Einberufung einer Mitgliederversammlung als Mittel zur Neubestellung eines Vorstandes berechtigt. Offen bleibt nach dieser Entscheidung, ob die Bestellung eines Notvorstandes möglich wäre, wenn Mitglieder, deren Amtszeit abgelaufen ist, vorher aus dem Vereinsregister ausgetragen werden. Nachdem das Oberlandesgericht aber so entschieden auf die Eintragungen im Vereinsregister abstellt, erscheint dies sehr wahrscheinlich. Sofern je nach Vereinssatzung für die Austragung aus dem Vereinsregister keine Mitgliederversammlung erforderlich ist, könnte damit die Austragung und anschließende Bestellung eines Notvorstandes also möglich und damit ein geeignetes Mittel zur Vermeidung einer Mitgliederversammlung sein.

Darf unser Verein trotz des Ausbruchs von COVID-19 eine körperliche Mitgliederversammlung abhalten?

Zum Teil ist eine körperliche Mitgliederversammlung wieder möglich – dies ist jedoch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich zu beurteilen.

In Anbetracht des seit November 2020 ausgerufenen „Teil-Lockdowns“, der wiederum unterschiedliche Umsetzungen auf Landesebene erfahren hat, und der nunmehr beschlossenen Verlängerung und Verschärfung vieler Einschränkungen ist eine eine Überprüfung der landesspezifischen Rechtslage hinsichtlich des „ob“ und des „wie“ vor einer entsprechenden Versammlung dringend zu empfehlen.

Sofern und soweit Versammlungen überhaupt zulässig sind, müssen die entsprechenden Dokumentations-, Abstands- und Hygienebedingungen bei der Versammlung selbst wie auch bei dem Zutritt und eventuellen Warteschlangen berücksichtigt werden, so dass in den meisten Fällen die üblichen Versammlungsorte nicht mehr ausreichen dürften. Außerhalb unmittelbar rechtlicher Überlegungen sollte aber auch in Anbetracht der Gesamtsituation weiterhin alles vermieden werden, was die Infektionsgefahr für alle Beteiligten und deren Umfeld erhöhen könnte.

Die Notwendigkeit einer physischen Versammlung sollte stets anhand des Einzelfalls geprüft werden. Ferner kann auch vor dem Hintergrund der möglicherweise gemischten Akzeptanz einer solchen Versammlung bei den Mitgliedern weiterhin eine Verschiebung in Erwägung gezogen werden.

Die neue Gesetzeslage ab März 2021 stellt dabei eindeutig klar, dass der Vorstand bei entsprechenden Versammlungsverboten und der Unzumutbarkeit einer virtuellen Versammlung nicht zur Einberufung verpflichtet ist. So lautet der neue § 5 Abs. 2a Covid-19-Abmilderungsgesetz:

  • (2a) Abweichend von § 36 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist der Vorstand nicht verpflichtet, die in der Satzung vorgesehene ordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, solange die Mitglieder sich nicht an einem Ort versammeln dürfen und die Durchführung der Mitgliedersammlung im Wege der elektronischen Kommunikation für den Verein oder die Vereinsmitglieder nicht zumutbar ist.

Hiermit hat der Gesetzgeber die an dieser Stelle bereits zuvor vertretene Rechtsansicht bestätigt. Gleichzeitig bleibt jedoch unbestimmt, wann eine virtuelle Versammlung unzumutbar sein soll. Die Gesetzesmaterialien stellen hier auf „kleine Vereine“ ohne „ausreichende Mittel“ und Vereine, die „überwiegend ältere Mitglieder haben, die nicht bereit oder in der Lage sind, an einer virtuellen Versammlung teilzunehmen“. Die Beurteilung bleibt letztlich jedoch eine Frage des Einzelfalls.

Wie kann ich eine Mitgliederversammlung verschieben oder absagen?

Sofern die Satzung – wie in den meisten Fällen üblich – hierzu keine Vorgaben macht, gelten für die Absage und die Verschiebung einer Mitgliederversammlung die gleichen Formvorschriften wie für deren Einberufung. Sie müssen der satzungsmäßig bestimmten Form für eine Einladung genügen (schriftlich?) und von dem Organ ausgesprochen werden, das für die Einladung zuständig ist. Fristen sind ohne spezielle Satzungsvorgabe nicht zu beachten. Die Mitglieder müssen jedoch rechtzeitig vor dem Termin davon Kenntnis nehmen können. Im Fall einer Verschiebung kann diese  mit der erneuten Einladung zu einem neuen Termin verbunden werden.

Ist stattdessen eine virtuelle Mitgliederversammlung oder ein Umlaufbeschluss möglich?

Im Grundsatz setzt eine Mitgliederversammlung nach § 32 BGB immer ein physisches Treffen voraus. Trotz der umfassenden Möglichkeiten der Internet- und Telekommunikationstechnik konnte dies bisher nicht ohne Weiteres ersetzt werden. Nur wenn die Satzung dies bereits vorsah (z.B.  in Form einer Video- oder Telefonkonferenz, Chatgruppe etc.) oder alle Vereinsmitglieder diesem Vorgehen zustimmten, war dies ausnahmsweise möglich. Gemäß § 32 Abs. 2 BGB ist eine Beschlussfassung der Mitglieder auch ohne Mitgliederversammlung zulässig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich (auch per Fax oder in elektronischer Form nach § 126a BGB; nicht jedoch als einfache E-Mail) erklären. 

Das Covid-19-Abmilderungsgesetz hat u.a. die bisherige Schwierigkeit, Mitgliederversammlungs-Beschlüsse im Verein ohne Versammlung zu fassen, beseitigt. Art. 2 § 5 des Gesetzes gilt nunmehr auch für Mitgliederversammlungen, die 2021 stattfinden, und hat in seinem neuen Abs. 2 folgenden Wortlaut:

  • (2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung vorsehen, dass Vereinsmitglieder
    • 1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilnehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können oder müssen,
    • 2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abgeben können.

Diese Vorschrift stellt virtuelle Versammlungen und Mischformen der Präsenzversammlung gleich. Eine derartige Versammlung ist ohne eine besondere Satzungsgrundlage sowie ohne die Zustimmung aller Mitglieder – wie bei der bisherigen schriftlichen Beschlussfassung – für gültige Beschlüsse ausreichend. Der neue Gesetzeswortlaut soll außerdem klarstellen, dass kein Mitglied den Vorstand zwingen kann, ihm eine physische Teilnahme an einem Versammlungsort zu ermöglichen.

Eine virtuelle Versammlung setzt – unabhängig vom eingeschlagenen technischen Weg – voraus, dass die erforderlichen Zugangsdaten (Link, Einwahldaten etc.) samt aller notwendigen „Schlüssel“ (Passwort, Code etc.) für alle Mitglieder rechtzeitig vor der Versammlung zugänglich gemacht und im Zweifel die technischen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Der Verein hat sicherzustellen, dass die Versammlung frei von Bild- und/oder Tonunterbrechungen abläuft und der Empfang während der gesamten Versammlung uneingeschränkt bleibt.

Gleichzeitig müssen die Abstimmungsmodalitäten, sofern diese in der Satzung festgelegt sind, gewahrt bleiben – notfalls muss der Verein eine „Abstimmungssoftware“ oder ein entsprechendes Online-Tool für geheime Abstimmungen bereitstellen. Sollte der Verein dies oder andere technische Voraussetzungen nicht leisten können, verbleibt zumindest ein Restrisiko dahingehend, dass eine virtuelle Versammlung für einzelne Mitglieder eine „besondere Erschwernis“ in der Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte darstellen könnte, was die gefassten Beschlüsse zumindest anfechtbar machen würde.

Unter Umständen kann es daher ratsam sein, die künftig mögliche vereinfachte schriftliche Beschlussfassung zu wählen oder wenigstens die virtuelle Versammlung damit zu kombinieren. Das Covid-19-Abmilderungsgesetz sieht im Weiteren (Art. 2 § 5 Abs. 3) nämlich vor:

  • (3) Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde. 

Die schriftliche Beschlussfassung soll demzufolge durch die Neuregelung ebenfalls vereinfacht werden. Bisher erforderte § 32 Abs. 2 BGB bei einer schriftlichen Beschlussfassung die Einstimmigkeit. Nunmehr ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder „beteiligt“ wurden – dies bedeutet wohl: „angeschrieben“ – und bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben. Die bestehenden Mehrheitserfordernisse bleiben unberührt, so dass in der Regel eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt. Die Ausdehnung auf die Textform bedeutet u.a. , dass keine Unterschrift erforderlich ist. Folglich sind auch Abstimmung via E-Mail und andere elektronische Textmedien wie beispielsweise z.B. SMS oder WhatsApp möglich.

Sind Kernangelegenheiten des Vereins von einer virtuellen Beschlussfassung oder einem Umlaufbeschluss ausgeschlossen?

Nein. Sofern die o.g. Anforderungen eingehalten werden, können in einer virtuellen Versammlung ebenso wie bei einer schriftlichen Beschlussfassung alle Angelegenheiten des Vereins entschieden werden. Hierzu können z.B. Gremienwahlen, die Feststellung des Jahresabschlusses oder auch Satzungsänderungen sogar bis hin zu einer Vereinsauflösung gehören. Selbstverständlich ist in derartigen Fällen eine lückenlose Dokumentation der Versammlung von der Einberufung bis zur Beschlussfassung zwingend zu empfehlen.

Muss ein Vorstand fristgemäß neu gewählt werden, dessen Amtszeit während der Einschränkungen durch das Coronavirus endet?

In manchen Satzungen ist für die Amtszeit eines Vorstandes eine bestimmte Amtszeit vorgesehen. Endet die Amtszeit durch Zeitablauf, scheidet der Vorstand ersatzlos aus, wenn kein neuer Vorstand gewählt wurde und die Satzung auch keine Vorschrift enthält, dass Vorstände im Amt bleiben, bis Nachfolger gewählt sind. In diesen Fällen sind Vereine ohne Vorstand, wenn eine Wahl nicht rechtzeitig erfolgt ist.

Das Covid-19 Abmilderungsgesetz regelt in Art. 2 § 5 Abs. 1 nunmehr, dass auch ohne eine solche satzungsmäßige Bestimmung Vorstände im Amt bleiben, bis Nachfolger bestellt sind oder eine Abberufung erfolgt. Insoweit muss eine Mitgliederversammlung jetzt nicht einberufen werden, wenn die Amtszeit der Vorstände endet und eine entsprechende Fortführungsklausel in der Satzung fehlt.

Kann auch der Vorstand virtuell tagen?

Prinzipiell gelten für Vorstandsbeschlüsse dieselben Regelungen wie für eine Mitgliederversammlung. Demnach konnte sich bislang die Zulässigkeit einer virtuellen Sitzung zunächst nur aus der Vereinssatzung ergeben. Fehlte dort eine Regelung, konnte der Vorstand bisher im Einstimmigkeitsverfahren für die Durchführung einer virtuellen Vorstandssitzung ohne Satzungsgrundlage und Einhaltung der Schriftform stimmen. 

Die oben dargestellten Erleichterungen für die Mitgliederversammlung durch das Covid-19-Abmilderungsgesetz galten dem Wortlaut nach zunächst einmal nur für Mitgliederversammlungen. Der Gesetzgeber schafft an dieser Stelle nunmehr ebenfalls Klarheit:

  • (3a) Die Absätze 2 und 3 gelten auch für den Vorstand von Vereinen und Stiftungen sowie für andere Vereins- und Stiftungsorgane.

Die Erleichterungen gelten damit auch für Vereins- und Stiftungsvorstände sowie andere Vereins- und Stiftungsorgane. In Anbetracht der aktuellen Situation und der dringenden Notwendigkeit, auch dort Sitzungen im Wege der elektronischen Kommunikation durchzuführen und Beschlüsse außerhalb von Versammlungen zu fassen, war diese Klarstellung überfällig.

Dementsprechend kann auch bei der tatsächlichen Durchführung einer virtuellen Sitzung von Vorstand, Kuratorium, Beirat etc. auf alle modernen Kommunikationsmittel zurückgegriffen werden. Voraussetzung: Alle Teilnehmer müssen eine rechtzeitige Zugangsmöglichkeit (Einwahldaten/Passwort) zu dem Kommunikationsmittel der Wahl und die technischen Möglichkeiten haben.

II. GmbH - Gesellschaftsrechtliche Fragen

Kann eine Gesellschafterversammlung trotz der gesetzlichen Fristen zur Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses verschoben werden?

§ 264 Abs. 1 Satz 3 und 4 HGB regelt, dass der Jahresabschluss und der Lagebericht von den gesetzlichen Vertretern in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres für das vergangene Geschäftsjahr aufzustellen sind. Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) dürfen den Jahresabschluss auch später aufstellen, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht, müssen dies jedoch innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres tun.

Anschließend haben nach § 42a Abs. 2 GmbHG die Gesellschafter spätestens bis zum Ablauf der ersten acht Monate oder, wenn es sich um eine kleine Gesellschaft handelt, bis zum Ablauf der ersten elf Monate des Geschäftsjahres über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Ergebnisverwendung zu beschließen. 

Eine verspätete Aufstellung und dann ggf. folgend ein verspäteter Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses zieht weder im Sinne des § 264 HGB noch des § 42a GmbHG Sanktionen nach sich noch macht eine Fristversäumung den Beschluss anfechtbar oder nichtig.

Wenn durch die Verzögerung eine rechtzeitige – innerhalb eines Jahres nach dem Abschlussstichtag des Geschäftsjahrs – Offenlegung nach § 325 HGB unterbleibt, kommt nach § 335 Abs. 1 HGB die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Betracht. Ob aber das vom Gesetz geforderte „pflichtwidrige Unterlassen der rechtzeitigen Offenlegung“ aufgrund der jetzigen Situation dann angenommen werden kann, wird zur gegebenen Zeitpunkt bei Vorliegen aller Fakten zu beurteilen sein.

Für weitere Informationen zu den Folgen von Verstößen gegen Aufstellungs- und Offenlegungspflichten folgen Sie bitte dem folgenden Link:
Coronavirus: Folgen der verzögerten Offenlegung der Jahresabschlussunterlagen

Kann eine Gesellschafterversammlung auch ohne körperliche Anwesenheit abgehalten werden?

Ja, aber bisher nur unter bestimmten Voraussetzungen. Unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschafterversammlung außerhalb einer Sitzung mit körperlich anwesenden Personen tagen und beschließen kann, richtete sich nach der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag.

Enthielten diese keine Festlegungen, wurde gemessen an den gesetzlichen Vorgaben für eine Beschlussfassung ohne Gesellschafterversammlung nach allgemeinen Grundsätzen jede Vorgehensweise für zulässig erachtet, bei der alle Personen beteiligt oder – soweit vom Statut vorgesehen – vertreten sind und mindestens der Art und Weise der Beschlussfassung zustimmen. (Achtung: Viele Statuten verlangen aber noch eine Zustimmung zu dem Beschluss, nicht eine Zustimmung zu der Art und Weise des Beschlusses.) 

Für Gesellschafterversammlungen in der GmbH enthält das neue Gesetz ebenfalls Erleichterungen für Versammlungen und Beschlussfassungen, die im Jahr 2020 stattfinden. Art. 2 § 2 sieht dazu vor:

  • Abweichend von § 48 Absatz 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung können Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden.


Damit entfällt auch im Bereich der GmbH das Erfordernis der Zustimmung aller Gesellschafter zu einer schriftlichen Beschlussfassung. 

Die Möglichkeit einer virtuellen Gesellschafterversammlung ist zwar nicht explizit aufgeführt, ergibt sich aber sowohl aus den bereits bisher geltenden Grundsätzen als auch unter Berücksichtigung dessen, dass für die Hauptversammlung der AG durch das Covid-19 Abmilderungsgesetz die ausdrückliche Möglichkeit aufgenommen wurde, diese ohne physische Präsenz der Aktionäre abzuhalten (Art. 2 § 1 Abs. 2). Diese Erleichterungen müssen unseres Erachtens auch analog auf die GmbH anwendbar sein, wobei wir wegen der verbleibenden Unsicherheiten empfehlen, die Beschlüsse als „Umlaufbeschlüsse“ unter Einhaltung des modifizierten § 48 Abs. 2 GmbHG zu fassen.

Gilt das auch für den Aufsichtsrat?

Sind nicht alle Personen erreichbar oder stimmen sie nicht zu, gilt: Ein Aufsichtsrat tagt und entscheidet grundsätzlich in Sitzungen; dazu zählen auch Videokonferenzen, sofern sie gleichzeitiges Hören und Sehen ähnlich einer Präsenzveranstaltung gewährleisten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass „jedenfalls in begründeten Ausnahmefällen auch eine Sitzung in Form einer Telefon- oder Videokonferenz erlaubt und ausreichend ist.“ Diesem sollte jedoch im Sinne der Rechtssicherheit nicht gefolgt werden, denn eine Telefonkonferenz ist keine Sitzung und wird auch nicht im Ausnahmefall dazu, während eine Videokonferenz auch ohne Vorliegen eines Ausnahmefalls wie ausgeführt eine Sitzung ist. Es ist aber sicherzustellen, dass alle Mitglieder des Organs einen entsprechenden Zugang besitzen.

Kritisch zu beurteilen sind stets „Sitzungen“, die „gemischt“ abgehalten werden. Die sog. kombinierte Beschlussfassung (z.T. in der Sitzung, zum Teiltextförmig) ist ohne Grundlage in der Satzung nach ganz herrschender Ansicht unzulässig. Eine Ausnahme soll bestehen, wenn eine Präsenzsitzung stattfindet und lediglich einzelne Teilnehmer so zugeschaltet sind (audiovisuell), dass sie im gleichen Umfang wie in einer Präsenzsitzung teilnehmen können. Ist die Sitzung nicht ordnungsgemäß besetzt oder aus sonstigen Gründen angreifbar, sollten die dort gefassten Beschlüsse zusätzlich bzw. grundsätzlich noch als Umlaufbeschlüsse dokumentiert und unter Einhaltung der entsprechenden Formalia gefasst werden.

Das Covid-19 Abmilderungsgesetz enthält keine besonderen Regelungen für Aufsichtsgremien, so dass die bisherige Rechtslage bestehen bleibt.

Sind Beschlussfassungen im Umlaufverfahren für alle, auch „schwerwiegende“ Beschlussfassungen (Feststellung des Jahresabschlusses, Wahlen, Satzungsänderungen) möglich?

Nach § 48 Abs. 2 GmbHG bedarf es keiner Versammlung, wenn sich sämtliche Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen einverstanden erklären. Weder das Gesetz noch die Rechtsprechung schränken dies ein. Damit sind sämtliche Beschlussfassungen einschließlich Wahlen, Organbestellungen, Feststellung des Jahresabschlusses und Satzungsänderungen grundsätzlich schriftlich oder in Textform möglich. Zu beachten sind jedoch etwaige notarielle Beurkundungspflichten, die ein schriftliches Verfahren erschweren können.

III. Stiftung

Können auch Stiftungsgremien virtuell tagen und beschließen?

Auch für Stiftungen und deren Gremien gelten zunächst einmal die allgemeinen Grundsätze und in der Regel die vereinsrechtlichen Bestimmungen. Damit gelten auch bei Stiftungen vorrangig Satzungsregelungen, soweit diese vorhanden sind. Gibt es solche nicht, war jede Art der technisch unterstützten Sitzung unter Abwesenden bisher nur im allseitigen Einverständnis möglich.

Bisher beschränkte sich die Wirkung des Covid-19-Abmilderungsgesetzes für Stiftungen auf die Verlängerung der Amtszeiten von Vorständen, die in der jetzigen Situation enden würden (§ 5 Abs. 1). Diese Vorstände bleiben auch nach Ablauf ihrer Amtszeit bis zur Abberufung oder bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt. Der neue § 5 Abs. 2a Covid-19-Abmilderungsgesetz (siehe oben) stellt nunmehr ausdrücklich klar, dass die Erleichterungen (virtuelle Sitzungen und leichtere Beschlussfassung) auch für Stiftungsvorstände und andere Gremien gelten.

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