Bundesfinanzhof bestätigt Zulässigkeit der Datenverarbeitung durch Finanzbehörden gemäß § 29b AO

Der Bundesfinanzhof (BFH) stellt in seinem Urteil vom 5. September 2023 – IX R 32/21 – klar, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Finanzbehörden gemäß § 29b AO den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entspricht. Die Entscheidung des neunten Senats bezieht sich auf einen Fall, in dem der Steuerpflichtige, ein Rechtsanwalt, gegen ein Vorlageersuchen des Finanzamtes Einspruch einlegte.


Der Fall

Im vorliegenden Fall ordnete das Finanzamt eine Außenprüfung zur Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2017 bis 2019 an und forderte den Rechtsanwalt auf, unter anderem die Auszüge seines betrieblichen Bankkontos bis zum Prüfungsbeginn zu übermitteln. Nachdem der Rechtsanwalt dieser Aufforderung nicht nachkam, ersuchte das Finanzamt entsprechend § 97 Abs. 1 Satz 1 und 3 i. V. m § 93 Abs. 1 Satz 3 AO das kontoführende Geldinstitut um Vorlage der Kontoauszüge, was auch geschah. Den daraufhin eingelegten Widerspruch des Rechtsanwalts gegen die Datenverarbeitung nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO wies das Finanzamt zurück. Die Datenverarbeitung sei nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. e) i. V. m. Abs. 3 Satz 1 lit. b) DSGVO und § 29b Abs. 1 AO rechtmäßig. Hiernach sei die Datenverarbeitung gestattet, wenn sie zur Erfüllung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt, erforderlich ist und eine Rechtsgrundlage im Mitgliedstaat existiert.

Der Rechtsanwalt argumentierte dagegen, dass keine Rechtsgrundlage zur Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten vorliege. Weder § 29b AO noch § 97 AO entspreche den oben genannten Anforderungen der DSGVO. Weiterhin beantragte er im Revisionsverfahren die Löschung seiner personenbezogenen Daten nach Art. 17 Abs. 1 lit. d) DSGVO, weil seiner Ansicht nach die Daten unrechtmäßig verarbeitet worden seien.

Die Entscheidung

Der BFH wies die Revision zurück. Die Voraussetzungen für eine Löschung seien nicht erfüllt und die Verarbeitung personenbezogener Daten durch das Finanzamt gemäß § 29b AO sei rechtmäßig. Diese Vorschrift erlaube die Verarbeitung personenbezogener Daten, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben der Verwaltung im Rahmen des Besteuerungsverfahrens notwendig ist und dabei der Grundsatz der Datenminimierung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO beachtet wird. Das sei vorliegend der Fall und die Datenverarbeitung damit rechtmäßig erfolgt, weshalb der Rechtsanwalt sich nicht gegen die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten wehren könne.

Das Urteil betrifft primär steuerliche Angelegenheiten und die Anwendung der AO. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um Unternehmen in kirchlicher Trägerschaft handelt oder nicht. Das Urteil bezieht sich auf die generelle Zulässigkeit der Datenverarbeitung durch Finanzbehörden unter bestimmten Bedingungen.

Ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH hält der BFH für nicht geboten, da eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht besteht, wenn zu der entscheidungserheblichen Frage nach der Auslegung oder Gültigkeit des Unionsrechts bereits eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH existiert („acte éclairé“) oder die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage verbleibt.

Fazit

Die Entscheidung des BFH schafft Rechtssicherheit und klärt die bisher umstrittene Frage, ob § 29b AO den Anforderungen der DSGVO genügt. Sie stellt klar, dass Finanzbehörden personenbezogene Daten im Besteuerungsverfahren verarbeiten können, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Außerdem müssen Steuerpflichtige sich darauf einstellen, dass ihre personenbezogenen Daten im Besteuerungsverfahren verarbeitet werden können. Das Urteil verdeutlicht, dass Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. e) i. V. m. Abs. 3 Satz 1 lit. b) DSGVO bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Besteuerungsverfahren beachtet wird und § 29b AO nicht das unionsrechtliche Normwiederholungsverbot verletzt. Zudem verstößt § 29b AO weder gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) noch gegen das Recht auf Schutz personenbezogener Daten gemäß Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

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Rechtsanwalt, Steuerberater, Partner, Niederlassungsleitung Münster

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