Bundesarbeitsgericht formuliert Grundsätze für Poolbeteiligungen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich mit der Poolbeteiligung nachgeordneter Ärzte in Fällen auseinandergesetzt, in denen der Chefarzt vom Krankenhaus das Liquidationsrecht eingeräumt bekommt. Dazu formulierte das BAG in seinem Urteil vom 30. März 2022 entsprechende Grundsätze.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in seinem Urteil vom 30. März 2022 – 10 AZR 419/19 – mit der Poolbeteiligung nachgeordneter Ärzte in Fällen auseinandergesetzt, in denen der Chefarzt vom Krankenhaus das Liquidationsrecht eingeräumt bekommt, der nachgeordnete Arzt aufgrund seines Arbeitsvertrages verpflichtet ist, an den Behandlungen von Privatpatienten des Chefarztes mitzuwirken, und sich der Chefarzt in seinem Chefarztvertrag mit dem Krankenaus verpflichtet hat, die nachgeordneten Ärzte im Einvernehmen mit dem Krankenhaus zu einem bestimmten prozentualen Anteil zu beteiligen.

Das BAG hat in seinem Urteil folgende Grundsätze aufgestellt:

  • Zwischen einem zur Privatliquidation berechtigten Chefarzt und einem nachgeordneten Arzt bestehen nicht ohne Weiteres vertragliche Beziehungen. Insbesondere besteht zwischen diesen Parteien regelmäßig kein Arbeitsverhältnis, aus dem Vergütungsansprüche des nachgeordneten Arztes resultieren könnten.
  • Der nachgeordnete Arzt erbringt die ärztliche Leistung bei der Behandlung der Privatpatienten des Chefarztes grundsätzlich im Rahmen seines mit der Klinik bestehenden Arbeitsverhältnisses. Dies gilt sowohl für die stationäre als auch für die ambulante Behandlung. Mit der Vergütung, die der nachgeordnete Arzt aus seinem mit dem Krankenhaus bestehenden Arbeitsverhältnis erhält, sind deshalb grundsätzlich auch dessen Leistungen im Rahmen der Behandlung von Privatpatienten abgegolten.
  • Ansprüche des nachgeordneten Arztes gegen den Chefarzt, etwa aus stillschweigender Vergütungsvereinbarung oder nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, sind in einem solchen Fall nicht gegeben.
  • Für eine Poolbeteiligung besteht auch weder eine gesetzliche Anspruchsgrundlage, noch kann sich der nachgeordnete Arzt auf standesrechtliche Bestimmungen stützen.
  • Ein Anspruch des nachgeordneten Arztes gegen den Chefarzt auf Beteiligung an dessen Privatliquidationserlösen kann sich aus dem zwischen dem Chefarzt und dem Krankenhaus geschlossenen Vertrag ergeben, wenn diese vertragliche Vereinbarung als echter Vertrag zugunsten Dritter einzuordnen und der Chefarzt Versprechender ist. Jedoch muss der Chefarzt regelmäßige Zahlungen an den nachgeordneten Arzt nur dann gegen sich gelten lassen, wenn der nachgeordnete Arzt nicht wusste, dass der Chefarzt mit diesen Zahlungen seine gegenüber dem Krankenhaus bestehende arbeitsvertragliche Pflicht erfüllen wollte. Ferner muss feststehen, welchen Inhalt eine mögliche Verpflichtung hat, insbesondere welche Mitwirkungen des nachgeordneten Arztes honoriert werden sollen.
  • Wenn es sich bei der Poolregelung im Chefarztvertrag um einen echten Vertrag zugunsten Dritter handelt, können Ansprüche der nachgeordneten Ärzte gegen das Krankenhaus bestehen. Geht der Chefarztvertrag über den Regelungsgegenstand des Standesrechts hinaus und schreibt einen Mindestanteil sowie Grundsätze für die Verteilung dieses Anteils an die nachgeordneten Ärzte vor, handelt es sich um eine Vereinbarung mit rechtsgeschäftlicher Wirkung mit der Folge, dass das Krankenhaus Versprechender und der Chefarzt Versprechensempfänger ist. Erfolgt die Verteilung an die nachgeordneten Ärzte im Einvernehmen mit dem Chefarzt, ist für die Erfüllung des Anspruchs der nachgeordneten Ärzte nicht der Chefarzt verantwortlich, sondern das Krankenhaus, insbesondere wenn der Chefarzt die zu verteilenden Einnahmen direkt an das Krankenhaus zu entrichten hat und es keine Anhaltspunkte gibt, dass die Einnahmen zugunsten einer fremden Vermögensmasse abzuführen sind, die das Krankenhaus sicherstellt und treuhänderisch verwaltet.

Das Bundesarbeitsgericht befasste sich nur mit dem konkreten Einzelfall, so dass noch viele Fragen offen sind. Größtenteils wird in neueren Verträgen den Chefärzten auch kein Liquidationsrecht mehr eingeräumt, sondern eine Beteiligungsvergütung, so dass Poolzahlungen allein in die Verantwortung des Krankenhauses fallen. Soll das Liquidationsrecht allerdings gewährt werden, ist darauf zu achten, gegen wen die nachgeordneten Ärzte Ansprüche aus der Poolbeteiligung geltend machen können und nach welchen Kriterien diese Zahlungen erfolgen.

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