Der Fall
Der bei der beklagten Krankenkasse Versicherte litt an einer schwergradigen chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung mit funktional relevantem Lungenemphysem sowie respiratorischer hypoxischer Insuffizienz unter körperlicher Belastung. Das Krankenhaus implantierte dem Versicherten endoskopisch Metallspiralen (sog. Coils) in die Lunge, um die Emphysemblasen zu reduzieren. Für die Behandlung stellte das Krankenhaus der Krankenkasse insgesamt einen Betrag von rund 31.300 EUR in Rechnung. Die Krankenkasse erstattete nach Beauftragung des Medizinischen Dienstes (MD) aber lediglich einen Betrag von rund 3.100 EUR; im Berufungsverfahren erkannte die Krankenkasse lediglich einen weiteren Betrag von ca. 5.200 EUR an. Zur Begründung führte sie aus, die Behandlungsmethode hätte nicht dem Qualitätsgebot entsprochen. Daraufhin erhob das Krankenhaus Zahlungsklage. Das Sozialgericht gab der Klage des Krankenhauses statt, im Berufungsverfahren wies das Landessozialgericht (LSG) die Klage ab. Mit der beim BSG eingelegten Revision machte das Krankenhaus geltend, das Potenzial der angewandten Behandlungsmethode sei den beteiligten Fachkreisen schon im Jahr 2016 bekannt gewesen.
Die Entscheidung
Das BSG verwies den Fall aufgrund fehlender Feststellungen der Vorinstanz zum Sachverhalt an das LSG zurück, definierte aber klare Anforderungen an die Erbringung und Abrechnung bislang nicht anerkannter Behandlungsmethoden. Dabei stellt der 1. Senat des BSG klar, dass eine bislang nicht anerkannte innovative Behandlungsmethode das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative dann besitze, wenn nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und nach dem Wirkprinzip nicht von ihrer Schädlichkeit oder Unwirksamkeit auszugehen sei. Es müsse zudem die Aussicht bestehen, dass die innovative Behandlungsmethode im Vergleich zu bestehenden Standardmethoden effektiver sei. Weiter müsse die Aussicht bestehen, dass eine bestehende Evidenzlücke durch eine einzige Studie in einem begrenzten Zeitraum geschlossen werden kann. Schließlich müsse eine Gesamtabwägung der potenziellen Vor- und Nachteile zugunsten der innovativen Behandlungsmethode ausfallen. Noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden könnten im Krankenhaus auch dann zur Anwendung kommen, wenn der zur Methodenbewertung berufene Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Entscheidung über das Potenzial einer innovativen Behandlungsmethode getroffen habe. In diesen Fällen obliege die Entscheidung darüber, ob Potenzial gegeben ist, dem Krankenhaus und der jeweiligen Krankenkasse. Diese Entscheidung sei gerichtlich umfassend überprüfbar.
Fazit
Das Urteil führt die bisherige Rechtsprechung des BSG zu noch nicht anerkannten Behandlungsalternativen konsequent fort. Ausnahmsweise können im Krankenhaus dem Qualitätsmaßstab noch nicht entsprechende innovative Methoden zur Anwendung kommen, wenn es um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und die Leistung das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet (vgl. BSG, Urteil vom 25. März 2021 – B 1 KR 25/20 R). Begrüßenswert ist vor allem die Klarstellung, dass der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Entscheidung über das Potenzial einer innovativen Behandlungsmethode getroffen haben muss und dass in diesem Fall dem Krankenhaus und der Krankenkasse die Entscheidung über das Potenzial obliegt. Hier stellt sich dann allerdings die entscheidende Frage, wie das Potenzial nachgewiesen werden muss. Es ist zu bezweifeln, dass man hier mit den Krankenkassen einen Konsens finden wird. Am Ende werden sich wieder die Gerichte mit der Frage befassen müssen.