Betriebsnahe Kindergärten sind bei vorrangiger Aufnahme von Mitarbeiterkindern nicht gemeinnützig

Betreibt eine GmbH Kinderbetreuungseinrichtungen, die vorrangig Plätze an Mitarbeiter bestimmter Unternehmen vergeben, so fördert sie nicht die Allgemeinheit. Ihr ist daher die Gemeinnützigkeit zu versagen, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 1. Februar 2022 – V R 1/20.


Der Fall

Die ursprünglich als gemeinnützig anerkannte GmbH will laut dem Gesellschaftsvertrag die Jugendhilfe, Bildung und Erziehung und Altenhilfe fördern. Die Zweckverwirklichung sollte unter anderem durch den Betrieb von Kindertageseinrichtungen erfolgen. Die GmbH war als Trägerin der freien Jugendhilfe anerkannt und erhielt auch öffentliche Fördermittel zur Finanzierung der Betriebskosten, die das von den Unternehmen zu zahlende Entgelt minderten. In vier Kita-Einrichtungen schloss die Trägerin und BFH-Klägerin Verträge mit Unternehmen. Drei Betreuungseinrichtungen sahen sogenannte „Belegungspräferenzen“ für Kinder der Arbeitnehmer der beteiligten Unternehmen für sämtliche Kita-Plätze vor, eine für einen Großteil der vorhandenen Plätze. Die Kontingente hatten die Unternehmen nicht voll ausgeschöpft, so dass in drei Kindertagesstätten einige Kinder, in einer der betroffenen Betreuungseinrichtung mehr als die Hälfte der betreuten Kinder keine Kinder von Mitarbeitern dieser Unternehmen waren. Im Rahmen einer Außenprüfung versagte das zuständige Finanzamt die Gemeinnützigkeit, da die Klägerin nicht die Allgemeinheit fördere, weil sie Betreuungsplätze den Beschäftigten der Vertragspartner vorbehalte.

Die Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzamtes und der Vorinstanzen und führte in seiner Begründung aus: Eine Förderung der Allgemeinheit sei nur gegeben, wenn jedermann freien Zutritt zur Körperschaft und ihren Leistungen habe. Dies liege nicht vor, wenn der begünstigte Personenkreis fest abgeschlossen ist. Vorliegend sei der Personenkreis fest abgeschlossen, da in drei der vier Betreuungseinrichtungen sämtliche Plätze an die Kinder der Mitarbeiter bestimmter Unternehmen und in einer Einrichtung nur ein sehr geringfügiger Anteil betriebsfremd vergeben wurde. Auch tatsächlich niedrigere Belegungszahlen änderten daran nichts. Durch die Belegungsquote ohne feste Restplatzquote – wie in dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26. Mai 2021 – V R 31/19 – zur Stipendiatenquote bei Schulen ausgeführt – sei die Körperschaft nicht wie erforderlich darauf ausgerichtet, die Allgemeinheit zu fördern.

Praxis-Hinweis

Der BFH stellte bei seiner Beurteilung zur Förderung der Allgemeinheit auf den Personenkreis ab, der in den Genuss der Betreuungsplätze kam, nämlich auf die Belegschaft der betreffenden Unternehmen, und nicht unmittelbar auf die betreuten Kinder selbst. Da der Gesellschaftsvertrag keine Förderung mildtätiger Zwecke vorsah, war zudem nicht zu prüfen, ob gegebenenfalls auch eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit wegen Förderung mildtätiger Zwecke in Frage gekommen wäre. Weder die Anerkennung der Klägerin als Trägerin der freien Jugendhilfe mit der daraus folgenden Gewährung öffentlicher Mittel noch die tatsächliche Ist-Belegung waren nach Auffassung des BFH Argumente für eine Förderung der Allgemeinheit.

Mit dem Querverweis auf das Urteil zu Privatschulen könnte nach der richterlichen Auffassung eine Restplatzquote von deutlich mehr als 10 % maßgeblich sein – wie hoch sie sein soll, ist seitens der Rechtsprechung noch offen. Mit Blick auf die Regelung der Finanzverwaltung ist aus Vorsichtsgründen bis zu einer ausdrücklichen Stellungnahme von einer Parallelwertung der Privatschulregelung für Kinderbetreuungseinrichtungen auszugehen: AEAO Tz. 5 zu § 52 AO bejaht eine Förderung der Allgemeinheit bei mindestens 25 % der Schüler einer Privatschule ohne Sondierung nach den Besitzverhältnissen. Damit ist in jedem Einzelfall – im Zweifel unter Einbeziehung der Finanzverwaltung – zu prüfen, welche Quoten hier genügen.

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