Beginn des Kündigungsschutzes der werdenden Mutter

Schwangere sind gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) unkündbar. Wann dieser Schutz beginnt, stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 24. November 2023 – 2 AZR 11/22 – klar.


Der Fall


Einer Arbeitnehmerin wurde am 7. November 2020 innerhalb der Probezeit die Kündigung zugestellt. Am 26. November erfuhr die Frau von ihrer Schwangerschaft, ihre Frauenärztin bestimmte den zu erwartenden Geburtstermin auf den 5. August 2021. Infolgedessen wehrte sich die Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht Heilbronn gegen die ausgesprochene Kündigung und berief sich auf das Kündigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz.
Das Arbeitsgericht Heilbronn und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass eine „typische“ Schwangerschaft durchschnittlich 266 Tage andauere. Eine Rückrechnung vom prognostizierten Geburtstermin ergebe mithin einen Schwangerschaftsbeginn am 12. November 2020 und damit nach Zugang der Kündigung, wodurch der Klägerin der Kündigungsschutz versagt bliebe.
 

Die Entscheidung


Das BAG folgte dieser Auffassung nicht. Aus seiner Sicht sind für die Rückrechnung vom prognostizierten Geburtstermin 280 Tage anzusetzen. Dieser Zeitraum stelle die „äußerste zeitliche Grenze dar, innerhalb derer bei normalem Zyklus eine Schwangerschaft vorliegen kann“. Das Gericht führt hierzu aus, dass nur die Erstreckung auf diesen längstmöglichen Zeitraum einen möglichst umfassenden Schutz der werdenden Mütter gewähren könne. Es gehe nicht um „die Bestimmung des tatsächlichen – naturwissenschaftlichen – Beginns der Schwangerschaft, sondern um eine Berechnungsmethode für die Bestimmung des Kündigungsverbotes, der prognostische Elemente innewohnen und die sich am verfassungsrechtlich gebotenen Schutzauftrag orientiert“. Das BAG nimmt dabei in Kauf, dass damit auch Arbeitnehmerinnen geschützt werden, die objektiv noch nicht schwanger sind. Auf diesen Gesichtspunkt stellten die Vorinstanzen ab, die insofern die Grundrechte des Arbeitsgebers in nicht gerechtfertigter Weise verletzt sahen. Dieser Eingriff in Grundrechte des Arbeitgebers müsse nach Ansicht des höchsten deutschen Arbeitsgerichts aber gegenüber dem verfassungsrechtlich gewährten Schutz der werdenden Mutter zurücktreten. 
 

Fazit


Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bzw. die dortige Berechnung der Schwangerschaftsdauer befremdet vor dem Hintergrund, dass sich auch objektiv nicht schwangere Arbeitnehmerinnen auf das Kündigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz berufen können. Aus Sicht des Gerichts muss dies jedoch in Kauf genommen werden, um werdenden Müttern den größtmöglichen Schutz zu gewährleisten. Zu Recht weist das Gericht auch darauf hin, dass die unterschiedliche Berechnung nur bei einer sehr geringen Anzahl gekündigter Arbeitnehmerinnen relevant wird. Jedenfalls können sich Mütter und auch Arbeitgeber nun an einer konkreten Berechnungsmethode orientieren.

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