AOP-Katalog 2024 und Hybrid-DRG-Verordnung – Revolution im ambulanten Bereich?

Die Substituierung stationär erbrachter Behandlungen durch ambulante Leistungen ist vor dem Hintergrund der günstigeren Kostenstruktur erklärtes politische Ziel. Auch angesichts der zu erwartenden weiteren Verknappung des Personals ist eine ressourcenschonende Leistungserbringung sinnvoll. Darüber hinaus bevorzugen auch die Patienten häufig Behandlungsformen, die ihnen eine Übernachtung im Krankenhaus ersparen. Der AOP-Katalog 2024 wird diesen Bestrebungen allerdings nicht gerecht.


Im Herbst 2022 veröffentlichte das IGES Institut im Auftrag der Selbstverwaltung ein Gutachten, dass systematisch Krankenhausleistungen im Hinblick auf ihre ambulante Erbringbarkeit evaluiert. In Ergänzung zu den bis dato vereinbarten gut 2.800 Leistungen des AOP-­Katalogs wurden in diesem Gutachten weitere 2.300 ­potenziell ambulant erbringbare operative, interventionelle und konservative Leistungen benannt. Die Liste umfasst sowohl Leistungen, die aktuell überwiegend stationär erbracht werden, als auch solche, die medizinisch betrachtet unzweifelhaft ambulant erbracht werden können. Letztere werden jedoch von den Krankenhäusern aktuell nicht ambulant erbracht, da sie nicht als abrechenbare Leistungen im AOP-Katalog zur Verfügung stehen und somit den Vertragsärzten exklusiv vorbehalten sind. Gleichzeitig wird im Rahmen des Gutachtens eine Reihe von Kontextfaktoren (beispielsweise in Form bestimmter Diagnosen und Prozeduren) identifiziert, bei deren Vorliegen eine Behandlung stationär erfolgen sollte.

Eine im November 2023 erschienene Analyse der Technischen Universität Berlin auf Basis der §-21-Falldaten aller deutschen Krankenhäuser von 2017 bis 2021 zeigt, dass durchgehend bis 2021 circa 30 % der stationären Fälle die Kriterien für eine ambulante Erbringbarkeit der Leistung erfüllten, ein Drittel davon auf Basis der im IGES-Gutachten vorgeschlagenen zusätzlichen Leistungen. Mit dem neuen AOP-Katalog 2024 war dementsprechend die Erwartung verbunden, dass eine nennenswerte Anzahl der durch das IGES benannten Leistungen neu in den Katalog Eingang finden würde. Dies ist allerdings nur in geringem Umfang geschehen. Insgesamt weist der AOP-Katalog 2024 201 neue, das heißt nicht bereits im Katalog 2023 enthaltende OPS-Kodes auf, von denen jedoch ca. 30 redaktionellen Änderungen des OPS-Kataloges geschuldet sind.

Neben einer Vielzahl kleinerer Ergänzungen gibt es ein paar wesentliche Neuerungen. Nach den invasiven diagnostischen Untersuchungen der Herzkranzgefäße sind nun auch Interventionen an diesen, die bisher fast ausschließlich stationär erfolgen, umfassend als ambulante Operation (AOP) möglich. Damit sind wesentliche Leistungsbereiche der invasiven Kardiologie nun ambulant abrechenbar und der Medizinische Dienst dürfte ein verschärftes Augenmerk auf die stationär verbleibenden Fälle dieser Leistungsgruppe werfen.

Eine weitere wesentliche Neuerung besteht in der Aufnahme gastroenterologischer endosonographischer Leistungen, die insbesondere in der Ersteinschätzung bei Tumorverdacht und in der Verlaufskontrolle von Tumorerkrankungen eine große Rolle spielen. In die gleiche Richtung gehen auch zahlreiche neue Kodes im Bereich diagnostischer Punktionen, insbesondere der weiblichen und männlichen Genitalorgane sowie im muskuloskelettalen Bereich, die bei geringer allgemeiner Krankheitslast gut ambulant erbringbar sind.

Viele dieser Leistungen waren in der Vergangenheit Gegenstand diagnostischer Einweisungen durch niedergelassene Ärzte. Die stationäre Erbringung dieser Leistungen ohne unmittelbar folgende onkologische Therapie wurde seitens des Medizinischen Dienstes jedoch häufig nicht als stationärer Behandlungsbedarf akzeptiert. Mit der Aufnahme in den AOP-Katalog ergeben sich hier nun sinnvolle und refinanzierte Handlungsoptionen für die Kliniken.

Als echte Innovation im Bereich der ambulanten Leistungserbringung wurden zuletzt die sektorübergreifend abrechenbaren Hybrid-DRGs bezeichnet. Per Verordnung wurden zum 1. Januar 2024 zunächst 12 DRG-Leistungskomplexe mit insgesamt 244 als OPS-Kodes definierten Leistungen implementiert. Alle diese OPS-Kodes sind auch im AOP-Katalog 2024 gelistet. Allerdings unterscheiden sich hierbei je nach Katalog die Voraussetzungen der Abrechnung. In den Definitionen der Hybrid-DRGs sind entsprechend dem Algorithmus des Groupers entgegen dem AOP-Katalog auch Kontextfaktoren wie zum Beispiel eine bestimmte Hauptdiagnose relevant.

Die Selbstverwaltung ist unter Inaussichtstellung einer Ersatzvornahme aufgefordert, bis zum Ende des 1. Quartals 2024 eine Erweiterung des Hybrid-DRG-Kataloges zu vereinbaren. Im Referentenentwurf zur Hybrid-DRG-Verordnung wurde bereits eine Liste von potenziellen, für eine Erweiterung des Kataloges in Frage kommenden DRGs genannt. Legt man diese zugrunde, so könnte es zeitnah zu einer erheblichen Ausweitung des Kataloges und der damit verbundenen Leistungen kommen. Die Liste der als Erweiterung vorgeschlagenen DRGs deckt mit den definitorisch hinterlegten OPS die Mehrzahl der 2.300 der im IGES-Gutachten erwähnte OPS-Kodes ab, von denen viele noch nicht im aktuellen AOP-Katalog enthalten sind.

Aus der Perspektive der Krankenhäuser wären hier eine Reihe an rein diagnostischen Kodes aus dem Bereich der Kardiologie und Gastroenterologie besonders interessant. Mit ihnen könnten Krankenhäuser subakut erkrankte Patienten, die häufig keine dringlichen Termine im fachärztlichen Bereich erhalten, außerhalb der Notaufnahmen ambulant versorgen. Ebenfalls von großer Relevanz wären zahlreiche Leistungen aus dem Bereich der Beckenbodenchirurgie, die so erstmals auch ambulant im Krankenhaus erbringbar wären. Es wird dementsprechend von besonderem Interesse sein zu sehen, ob das neue Leistungsfeld der Hybrid-DRGs zukünftig auch Leistungen außerhalb des von der Selbstverwaltung definierten AOP-Katalogs enthalten wird.

Hinsichtlich der Betriebsorganisation wird sich die Frage stellen, ob die Leistungserbringung der Hybrid-DRGs eher wie AOPs den ambulanten Prozessen oder eher der stationären Leistungserbringung zugeordnet werden soll. Ersteres dürfte sehr im Sinne einer schlanken, effizienten Leistungserbringung sein. Die nichtärztliche Leistungserbringung würde komplett im Funktionsbereich durch Mitarbeiter des Funktionsdienstes oder medizinische Fachangestellte erfolgen. Bei Eingliederung der Patienten in den stationären Kontext wären demgegenüber auch Krankenpflegekräfte involviert und Pflegeentgelte zusätzlich fakturierbar. Je nach Leistung können mit diesen für einen Belegungstag bis zu 35 % zusätzliche Erlöse generiert werden.
 

Praxis-Hinweis

In Anbetracht des expandierenden ambulanten Leistungssegments und der steigenden Komplexität in der Abrechnung medizinisch ähnlicher Leistungen als AOP, Hybrid-DRG bzw. DRG scheint es ratsam, die üblicherweise getrennt agierenden Organisationseinheiten Indikationssprechstunde, vorstationäre Ambulanz, stationäre Kodierung und ambulante Abrechnung zu überdenken und gegebenenfalls zu reorganisieren. Wir stehen Ihnen bei Analysen zum Leistungsgeschehen sowie bei der Reorganisation jederzeit gerne unterstützend zur Seite.

Autor
Autorin
Autor
Leitung Geschäftsfeld Strategie und Geschäftsfeldentwicklung

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß