Vertragsarztrechtliche Gesichtspunkte für Anstellung von Gesellschafter in MVZ maßgeblich
Kann der Gesellschafter einer MVZ GbR zugunsten einer Anstellung in „seinem“ MVZ auf seine Zulassung verzichten? Diese Frage hat das Sozialgericht (SG) Magdeburg mit seinem Urteil vom 18. November 2020 – S 1 KA 25/18 – beantwortet.
Sachverhalt
Geklagt hatte eine MVZ-Trägergesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die aus einer Berufsausübungsgemeinschaft mit zwei Ärzten hervorgegangen war. Dieser wurde seitens der Zulassungsgremien die Genehmigung zur Anstellung ihrer beiden Gesellschafter in dem von ihr betriebenen MVZ versagt, obwohl ein entsprechender Verzicht beider Ärzte hinsichtlich ihrer Zulassung zugunsten des MVZ erklärt worden war. Die Zulassungsgremien vertraten die Ansicht, die Anstellung der beiden Gesellschafter in „ihrem eigenen“ MVZ sei mit der Funktion eines GbR-Gesellschafters nicht vereinbar. Sie beanstandeten, dass dadurch Anspruch und Verpflichtung in einer Person zusammenfielen. Die selbständige ärztliche Tätigkeit der Gesellschafter stehe in Widerspruch zur persönlichen Abhängigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses. Eine Anstellung der Ärzte im MVZ als Gesellschafter der Trägergesellschaft sei im Hinblick auf den ihnen durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumten maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GbR nicht möglich.
Das Urteil: Vertragsarztrechtliche Gesichtspunkte für Anstellung maßgeblich
Das SG Magdeburg teilte die Rechtsauffassung der Zulassungsgremien nicht und urteilte, dass auch der Gesellschafter einer MVZ-GbR zugunsten seiner Anstellung in „seinem eigenen“ MVZ auf seine Zulassung verzichten könne. Die Genehmigung der Anstellung sei gemäß § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V anhand vertragsarztrechtlicher Gesichtspunkte zu beurteilen. Entscheidend sei daher, dass Gründe der vertragsärztlichen Versorgung der Anstellung nicht entgegenstehen. Hingegen komme es weder auf die Größe des Gesellschafteranteils des anzustellenden Gesellschafters noch auf seinen Einfluss auf die MVZ-GbR und damit auch nicht auf die arbeits- oder sozialversicherungsrechtliche Einordnung seiner Anstellung als abhängig Beschäftigter oder als selbständig Tätiger an.
Solange zivil-, gesellschafts-, steuer-, arbeits- oder sozialversicherungsrechtliche Aspekte vertragsarztrechtlichen Belangen nicht entgegenstehen, hinderten sie nicht die Erteilung der Genehmigung, sondern seien vielmehr daneben von den zuständigen Behörden oder Beteiligten zu beurteilen. Denn aus vertragsärztlicher Sicht sei es für ein Anstellungsverhältnis im MVZ unerheblich, ob der Arzt nach sozialversicherungs- oder arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten Arbeitnehmer ist.
Anstellung von Gesellschafter im "eigenen" MVZ
Das SG Magdeburg stützt seine Entscheidung auf die Regelung des § 95 Abs. 6 Satz 4 und 5 SGB V. Diese sieht ausdrücklich vor, dass Ärzte, die in einem MVZ als Angestellte tätig sind, zugleich Gesellschafter der Trägergesellschaft dieses MVZ sein können. Auch sei es in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass zwei Vertragsärzte unter Verzicht auf ihre Zulassungen bei hälftiger Aufteilung der Gesellschaftsanteile ein MVZ gründen und dort angestellt werden können (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 11. Oktober 2017 – B 6 KA 38/16 R). Eine gesetzliche Grundlage für die Annahme, dass der Erwerb von MVZ-Gesellschafteranteilen durch einen angestellten Arzt je nach Umfang auf Kosten seiner Anstellung beim MVZ gehen könnte, bestehe hingegen nicht.
Fazit zur Anstellung von Gesellschaftern im MVZ
Das Urteil des SG Magdeburg setzt konsequent die gesetzlichen Vorgaben zur Anstellung von Ärzten bei gleichzeitigem Zulassungsverzicht zugunsten eines MVZ um. Es ist aus vertragsärztlicher Sicht auch kein sachlicher Grund ersichtlich, die Anstellung des Gesellschafters einer MVZ GbR bei Verzicht auf seine Zulassung anders zu beurteilen als die Anstellung des Gesellschafters einer „Ein-Mann“-MVZ GmbH. Da diese Rechtsfrage bislang höchstrichterlich nicht eindeutig geklärt ist, bleibt allerdings abzuwarten, ob sich die Richter des Bundessozialgerichts, bei dem das Verfahren aktuell anhängig ist (BSG – B 6 KA 2/21 R), der Argumentation des SG Magdeburg anschließen werden.