Kein Frühstücksdirektor: Die Verantwortung des ärztlichen Leiters eines MVZ

Während das Gesetz sowohl zum Aufgabenspektrum als auch zur Verantwortung des ärztlichen Leiters eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) schweigt, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in den letzten 15 Jahren Grundsätze zur Verantwortungsabgrenzung entwickelt. So trifft den ärztlichen Leiter eines MVZ keine fachliche Verantwortung für jede in dem MVZ durchgeführte Behandlungs

SG München erlaubt disziplinarrechtlichen Durchgriff bei Abrechnungsfehlern

 

Während das Gesetz sowohl zum Aufgabenspektrum als auch zur Verantwortung des ärztlichen Leiters eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) schweigt, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in den letzten 15 Jahren Grundsätze zur Verantwortungsabgrenzung entwickelt. So trifft den ärztlichen Leiter eines MVZ keine fachliche Verantwortung für jede in dem MVZ durchgeführte Behandlungsmaßnahme. Diese obliegt in erster Linie dem einzelnen behandelnden Arzt, der dafür berufs- und haftungsrechtlich einstehen muss und zudem der Disziplinargewalt der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) unterliegt. Für die organisatorischen Abläufe, insbesondere den Einsatz der Ärzte und die Korrektheit der Abrechnung, ist hingegen das MVZ verantwortlich, nämlich in Person des ärztlichen Leiters (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2011 – B 6 KA 33/10 R, Urteil vom 21. März 2012 – B 6 KA 22/11 R). Nun hat das Sozialgericht (SG) München mit Gerichtsbescheid vom 22. Januar 2021 – S 38 KA 165/19 – entschieden, dass bei Abrechnungsfehlern von im MVZ angestellten Ärzten ein disziplinarrechtlicher Durchgriff seitens der KV auf den ärztlichen Leiter des MVZ möglich ist.

Der Fall vor dem SG München

Gegenstand der Klage war ein gegen den ärztlichen Leiter eines MVZ ergangener Bußgeldbescheid der beklagten KV. Diese beanstandete unter anderem die hohe Anzahl gemeinsamer Patienten des MVZ zusammen mit einem weiteren nahegelegenen MVZ. Beide MVZ haben annähernd identischen Fachrichtungen und kooperieren in Form einer Praxisgemeinschaft. Die KV rügte die rechtsmissbräuchliche Doppelbehandlung sowie die fehlende Dokumentation von für die Abrechnung obligatorischen Leistungsinhalten, die der Kläger trotz Aufforderung nicht nachgereicht hatte. In der Folge setzte sie eine Honorarrückforderung fest und erlegte dem Kläger als ärztlichem Leiter des MVZ eine Geldbuße in Höhe von 8.000 € auf.

Die Entscheidung des SG München: Ärztlicher Leiter des MVZ muss für Abrechnungsfehler angestellter Ärzte einstehen

Die gegen die festgesetzte Geldbuße erhobene Klage des ärztlichen Leiters des MVZ wies das SG München mangels Rechtswidrigkeit ab. Der Kläger habe vertragsärztliche Pflichten verletzt, da er es unter anderem unterlassen habe, die Abrechnungs-Sammelerklärung des MVZ vor Unterzeichnung auf Ordnungsgemäßheit und Vollständigkeit der Leistungsdokumentation zu prüfen. Diese Verfehlung könne gemäß § 81 Abs. 5 SGB V i. V. m. § 18 der Satzung der KV Bayerns vom 22. Juni 2002 mit einer Geldbuße geahndet werden, die vorliegend auch tat- und schuldangemessen festgesetzt worden sei.

Das SG München betont, es sei unerheblich, dass der Kläger die abgerechneten Leistungen nicht selbst erbracht habe. In seiner Funktion als ärztlicher Leiter eines MVZ nehme er die Kernaufgaben des MVZ wahr. Ihm komme daher eine besondere Pflichtenstellung hinsichtlich des ordnungsgemäßen Ablaufs der vertragsärztlichen Versorgung im MVZ zu. Dies umfasse auch die Verantwortung für die Richtigkeit der Leistungsabrechnung. Diesbezüglich stehe der Kläger als ärztlicher Leiter in der Gesamtverantwortung gegenüber der KV, so dass keine Notwendigkeit bestehe, vorrangig disziplinarrechtlich gegen einzelne im MVZ angestellte Ärzte vorzugehen.

Der Kläger wäre verpflichtet gewesen, der KV die angeforderte Dokumentation zur Verfügung zu stellen, um ihr die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abrechnung zu ermöglichen. Überdies habe er rechtsmissbräuchlich die Kooperationsform einer Praxisgemeinschaft genutzt, aber wie eine Berufsausübungsgemeinschaft gehandelt, für die keine Genehmigung vorlag.

Fazit

Die Frage, ob der ärztliche Leiter auch die Verantwortung zur peinlich genauen Honorarabrechnung trägt, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Ob sich die Rechtsauffassung des SG München durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Die Entscheidung lässt jedenfalls nicht klar erkennen, worin genau die vorwerfbare Pflichtverletzung des Klägers bestehen soll, die Voraussetzung für die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen ist. Dem ärztlichen Leiter eines MVZ kann jedenfalls nicht abverlangt werden, jede zur Abrechnung gebrachte EBM-Ziffer auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Seine Gesamtverantwortung hinsichtlich der Leistungsabrechnung muss sich auf allgemeine Anweisungen und kontrollierende Stichproben beschränken. Für MVZ wird es nun vermutlich noch schwerer, Ärzte für die Position des ärztlichen Leiters zu gewinnen, soweit ihnen keine Freistellung von Zahlungsansprüchen aufgrund von Verstößen angestellter Ärzte gegen vertragsärztliche Pflichten angeboten wird. Zudem empfiehlt es sich, diese Risiken über einen Haftpflichtversicherer abzudecken.

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