Die (Neben-)Rolle des Pflegebudgets innerhalb der Krankenhausreform

Mit Einführung des Pflegebudgets wurden die Pflegepersonalkosten aus dem Vergütungssystem des DRG-Katalogs ausgegliedert. Im Rahmen der Umsetzung erfolgten immer wieder Anpassungen zur Nachjustierung, die regelhaft zu erhöhten Nachweispflichten und damit zu Mehraufwand auf Ebene der Häuser führten. Die Debatten um die individuelle Abgrenzung im Rahmen der Erstverhandlung des Pflegebudgets wurden zusätzlich erschwert durch Pandemieeffekte und führten zu Problemen in der Umsetzung des Pflegebudgets und damit zu finanziellen Belastungen der Häuser. Die Dynamik setzt sich im Rahmen der sukzessiven Umsetzung der Krankenhausreform weiter fort. Jedoch sind mittlerweile etablierte Strukturen vorhanden und der Abbau des Verhandlungsstaus wird sichtbar. Obgleich das Pflegebudget keine zentrale Rolle im Rahmen der Krankenhausreform einnimmt, so gibt es durchaus Auswirkungen, die im Folgenden beleuchtet werden, auch in Hinblick auf die prominent herausgestellten Liquiditätshilfen.


Abbau von Forderungsbeständen und schnellere Auszahlung – so greifen die angekündigten Liquiditätshilfen in Bezug auf das Pflegebudget

Beginnend im Jahr 2020 sollten die individuellen Pflegebudgets zwischen Kostenträgern und Häusern verhandelt und umgesetzt werden. Da die Erstverhandlungen des Pflegebudgets durch die Pandemie und durch Abgrenzungs-Schwierigkeiten vielerorts nicht wie geplant umgesetzt werden konnten, wurde teilweise über Jahre ein vorläufig angesetzter, einheitlicher Pflegeentgeltwert vorgegeben, der bei fehlender Vereinbarung abgerechnet werden durfte. Dieser gesetzliche Pflegeentgeltwert wurde im Laufe der Jahre stetig erhöht, um die tariflichen Personalkostenerhöhungen zu kompensieren. Im Rahmen des der angekündigten Krankenhausreform vorgeschaltete Krankenhaustransparenzgesetzes erfolgte eine erneute Erhöhung von 230 EUR auf 250 EUR. Jedoch ist die Anzahl an Krankenhäusern zwischenzeitlich deutlich zurückgegangen, die diesen Betrag abrechnen und denen diese Maßnahme zugutekommt.

Parallel wird durch das Krankenhaustransparenzgesetz eine frühzeitige Refinanzierung von Tariflohnsteigerungen beim Pflegepersonal für die Häuser eingeführt, die bereits ein Pflegebudget vereinbart haben. Die krankenhausindividuellen Pflegeentgeltwerte sollen ab dem Tag des Inkrafttretens der Vereinbarung der Erhöhungsrate für Tariferhöhungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 7 KHEntgG für den Rest des jeweiligen Jahres um die prozentuale Tariferhöhung des Pflegepersonals ohne Pflegepersonal in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen erhöht werden. Mehr- oder Mindererlöse, die durch die Anwendung des erhöhten Entgeltwertes entstehen, werden im Rahmen der bestehenden Ausgleichsmechanismen im Pflegebudget ausgeglichen.

Ein weiterer Effekt ergibt sich durch die Neureglung im §15 Abs.3 KHEntgG. Diese regelt vereinfacht ausgedrückt, dass für die offenen Vereinbarungsjahre 2020 bis 2025 Mindererlöse vorläufig zu berechnen und auszugleichen sind. Der endgültige Erlösausgleich erfolgt mit dem krankenhausindividuellen Pflegeentgeltwert im jeweiligen Vereinbarungsjahr. Diese Maßnahme kann bei Häusern mit einem hohen Forderungsbestand bzw. älterer Vereinbarung zu einer kurzfristigen Liquiditätshilfe führen.

Zusammenfassend dienen die Maßnahmen insbesondere Häusern mit einer rückständigen Verhandlungssituation, um schneller an die ihnen zustehende Liquidität zu kommen, was bei der derzeitig angespannten Liquiditätssituation für viele Häuser sicherlich hilfreich ist, jedoch kein zusätzliches Geld bedeutet.
 

Einfluss des Pflegebudgets auf die Strategie in der Pflegepersonalplanung

Durch die Einführung des Pflegebudgets und damit einer Refinanzierung von Ist-Kosten auf Basis individueller Vereinbarung ist in Bezug auf die Leistungsvergütung ein „Mischsystem“ entstanden; einerseits das pauschale Preis-Mengensystem im Rahmen der DRG-Fallpauschale und andererseits das individuelle Selbstkostendeckungsprinzip in Bezug auf das Personalkostengerüst der Pflege. Damit kann und soll die Pflege kein Steuerungselement in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit der Häuser mehr sein.

Dies ist eine sinnvolle Maßnahme, nachdem im Rahmen des pauschalierten Systems die Häuser einen hohen Anreiz hatten, erfahrenes, hochqualifizierteres und damit i. d. R. teures Pflegepersonal, durch geringer qualifizierte und/oder jüngere Kräfte zu ersetzen. Im Zuge dessen sind viele wertvolle Fachkräfte aus dem System gegangen, die heute fehlen und den Fachkräftemangel verschärfen. Durch das Pflegebudget ergab sich für die Häuser wieder die Möglichkeit examinierte Kräfte aufzubauen, ohne die eigene Wirtschaftlichkeit zu belasten. Zudem umfasst das Pflegebudget ab 2025 auch die Kostenstelle des Kreissaals und erkennt damit Hebammen als pflegebudgetrelevant an.

Durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) werden nun die Berufsgruppen „Sonstige Berufe“ und „ohne Berufsabschluss“ wieder in den Fallpauschalenkatalog zurückgeführt. Die Rückführung dieser Berufsgruppen kann zu einem erneuten Strategiewechsel des Personaleinsatzes führen und einen Abbau dieser Berufsgruppen verursachen. Bestenfalls führt dies zu dem Bestreben, diese Berufsgruppen weiter auszubilden und in pflegebudgetrelevante Berufe zu überführen. In der Übergangsphase wird, auch in Bezug auf die Testierung, an dem Referenzwert 2018 zur Kappung dieser Berufsgruppen festgehalten. In Bezug auf die zukünftige Krankenhausfinanzierung mit einer weiteren Ausgliederung von Vorhaltekosten aus den DRGs bleibt abzuwarten, inwiefern das Pflegebudget durch die konkrete Ausgestaltung Einfluss bzw. Wechselwirkungen auf das Gesamtvolumen der Vorhaltefinanzierung haben wird.

Letztlich stellt sich die Frage, ob durch die Einführung eines Selbstkostendeckungsprinzips das primäre Ziel der Stärkung der Pflege tatsächlich erreicht werden konnte. Wir beobachten, dass in vielen Häusern der Personalbestand in der Pflege deutlich aufgebaut werden konnte, gleichzeitig aber auch, dass Ausfall- und Krankheitsquoten teils auf pandemischem Niveau verbleiben. Dies führt nach wie vor zu einem erhöhten Einsatz von Leiharbeitnehmern, die die Wirtschaftlichkeit deutlich belasten, da die Refinanzierung dieser Kosten auf das tarifliche Entgelt gedeckelt ist.
 

Fazit:

Innerhalb der Krankenhausreform nimmt das Pflegebudget selbst keine zentrale Rolle ein. Die geplanten Neuregelungen betreffen insb. Maßnahmen, die die Liquidität und die bestehenden Prozesse beschleunigen sollen, um dort aufzuholen, wo bislang das System (u. a. pandemieverursacht) hinterherhinkt. Durch die Anpassungen werden auf kurze Sicht keine nachhaltigen Liquiditätshilfen oder zusätzliches Geld in das System gegeben, gleichwohl soll das Pflegebudget grundsätzlich auch kein Instrument zur Steuerung der Überschüsse oder Wirtschaftlichkeit sein.

Der positive Grundgedanke hinter der Einführung des Pflegebudget, nämlich die Möglichkeit bedarfsgerecht bzw. theoretisch unbegrenzt qualifiziertes Fachpersonal einzustellen, wird aktuell lediglich durch den Markt und den vorherrschenden Fachkräftemangel limitiert. Jedoch könnte in einem nächsten Schritt bei Umsetzung des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), das Pflegebudget wiederum Wechselwirkungen auf die Vorhaltefinanzierung auslösen und damit faktisch eine Kappung eingeführt werden.

Während die Änderungen durch das GKV-FinStG langfristig dazu führen werden, dass die zurückzuführenden Berufsgruppen bewusst begrenzt bzw. durch Weiter- und Ausbildung in das Pflegebudget überführt werden, bleibt die Herausforderung der Personalgewinnung und die Balance im Einsatz von Leiharbeitnehmern bestehen. Viele aktuelle Beratungsfälle zeigen, dass seit Einführung des Pflegebudgets ein Umdenken in der Pflegepersonalplanung erfolgt ist. In der Vergangenheit wurde bis heute die vielerorts angespannte Liquiditätssituation zusätzlich durch die langwierige Umsetzung dieser Personalplanung in Form des Pflegebudgets belastet.

Die nach wie vor dynamische Entwicklung im Rahmen der aktuellen Gesetzgebung, die auch das Pflegebudgets betrifft, zeigt, dass die Umsetzung des Selbstkostendeckungsprinzips durch hohe Aufbereitungs- und Nachweispflichten sowie engen Fristsetzungen mit teilweise hohen Sanktionen weiterhin mit einem bürokratischen Aufwand verbunden sein wird, die den Häusern nur bedingt Hürden nimmt die Pflege nachhaltig und bedarfsgerecht zu stärken.

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Leitung Geschäftsfeld Transaktion und Unternehmensbewertung

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