Vertretung eines Stiftungsvorstandes?

Der erste Leitsatz des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 6. März 2019 – 6 B 135.18 – liest sich gut: „In Einzelfällen kann sich ein Vorstandsmitglied einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts für Beschlussfassungen des Vorstands durch ein anderes Vorstandsmitglied vertreten lassen.“ Allein, so einfach ist es nicht. Der Leitsatz findet

Stiftungsrecht

Der erste Leitsatz des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 6. März 2019 6 B 135.18 liest sich gut: „In Einzelfällen kann sich ein Vorstandsmitglied einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts für Beschlussfassungen des Vorstands durch ein anderes Vorstandsmitglied vertreten lassen.“ Allein, so einfach ist es nicht. Der Leitsatz findet sich fast wörtlich in den Urteilsgründen, dort aber ergänzt um den nicht unerheblichen Zusatz „[...], wenn sich die Möglichkeit der Stellvertretung der Stiftungssatzung zumindest im Wege der Auslegung entnehmen lässt.“

Hintergrund des Verfahrens ist ein Kampf um den Einfluss auf eine Stiftung bürgerlichen Rechts, die Teileigentümerin des Unternehmens „Aldi Nord“ ist, dieses fördern und Zuwendungen an Erben des Stifters (Destinatäre) verteilen soll. Die Stiftungssatzung und dadurch die Zusammensetzung des Vorstandes waren im Dezember 2010 unter Mitwirkung des Stifters geändert worden. Von damals drei Vorstandsmitgliedern hatten zwei die Satzungsänderung unterzeichnet, einer der Stifter auch in Vertretung des erkrankten dritten. Destinatäre wandten sich nach dem Ableben des Stifters gegen die Wirksamkeit dieser Satzungsänderung. Folge wäre die Fortgeltung der früheren Satzung. Unter anderem wurde vorgetragen, die Vertretung des Vorstandsmitgliedes bei dem Änderungsbeschluss sei nicht möglich, dieser folglich unwirksam gewesen.


Das BVerwG hielt die Vertretung im konkreten Fall für zulässig. Im Stiftungsrecht gelte kein gesetzliches Vertretungsverbot des Vorstandes. Folglich seien die bei Beschlussfassung abzugebenden Willenserklärungen einer Stellvertretung grundsätzlich zugänglich. Dass für Vereine anderes vertreten würde, sei wegen der Wesensverschiedenheit von Stiftung und Verein unschädlich. Denn die Vorstandslegitimation ergebe sich im Verein aus einer demokratischen Entscheidung, in der Stiftung allein aus dem Stifterwillen. Ersteres lässt zum Schutz des Vereins eine persönliche Stimmrechts-ausübung im Grundsatz wichtiger erscheinen, während Letzteres Anlass gibt, den Stifterwillen zu ermitteln. Aus diesem Grund könne die Zulässigkeit einer entsprechenden Vertretung bei der Stiftung auch ohne Berücksichtigung der strengeren Auffassung zum Vereinsrecht im Wege der Satzungsauslegung festgestellt werden. Für das Stiftungsrecht wird über § 27 Abs. 3 BGB auf § 664 Abs. 1 S. 1 BGB verwiesen, was „im Zweifel“ zu einer Unzulässigkeit der Aufgabenübertragung des Vorstandes führt. Einer Wirkung dieser „Zweifels-“ und Auffangregelung setzt das Gericht (lediglich) entgegen, dass Zweifel nicht bestünden, weil die Vorinstanz der Stiftungssatzung trotz fehlender ausdrücklicher Regelung im Auslegungswege entnommen hatte, dass eine Stellvertretung zulässig sei, was aus prozessualen Gründen nicht zu überprüfen wäre.

Fazit

Zwar zeigt sich das BVerwG einer Vertretung im Stiftungsvorstand gegenüber aufgeschlossen, letztlich besagt die Entscheidung aber nur, dass eine Vertretungsmöglichkeit im Wege der Auslegung ermittelbar ist. Dabei bezieht sie sich ausdrücklich nur auf Vertretungen durch ein anderes Vorstandsmitglied im Wege einer Spezialvollmacht für das einzelne Geschäft. In allen anderen Fällen besteht weiter Ungewissheit, wobei eine Vertretung durch Dritte (nicht Vorstände) von der herrschenden Meinung abgelehnt wird. Die Entscheidung belegt einmal mehr, dass in der Stiftung weitgehend der Stifterwille entscheidend ist. Vorzugsweise sollte dieser durch klare Satzungsregelungen auch für die Vertretungsmöglichkeiten im Vorstand zum Ausdruck gebracht werden. Auf andere Rechtsformen sind die Grundsätze der Entscheidung nicht übertragbar.

 

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