Die elektronische Rechnung – Handlungsbedarf für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen
Über die Einführung einer „verpflichtenden elektronischen Rechnung durch die Hintertür“ hatten wir bereits in Ausgabe 2/2019 der Solidaris-Information informiert. Die meisten Unternehmen im Krankenhaus- und Pflegebereich sollten davon ausgehen, dass sie sich in den nächsten Monaten an unterschiedlichen Stellen auf die Anforderung von elektronischen Rechnungen im XRechnung-Format vorbereiten müssen. Ein direkter Bezug zur öffentlichen Hand durch (mehrheitlich) öffentliche Trägerschaft (wie z. B. bei kommunalen Krankenhäusern) ist dafür nicht erforderlich.
Grundsätzlich müssen im Geltungsbereich der jeweiligen E-Rechnungs-Gesetze und Verordnungen (z. B. EGovG NRW) der Länder ab dem 27. November 2020 alle Rechnungen von mehr als 1.000 € netto an öffentliche Auftraggeber elektronisch gestellt werden. Öffentliche Auftraggeber sind neben Bund, Ländern und Kommunen unter anderem auch Krankenkassen, Pflegekassen, Sozialversicherungsträger und Berufsgenossenschaften. Ob und welches Gesetz Anwendung findet, richtet sich nach dem jeweiligen Rechnungsempfänger. Dieser ist nicht nur gesetzlich verpflichtet, E-Rechnungen empfangen und verarbeiten zu können, sondern kann diese zudem auch von allen Rechnungsstellern verlangen. Die geforderte XRechnung besteht nicht nur aus einer visuellen lesbaren Darstellung im PDF/A-Standard, sondern erfordert zusätzlich einen normierten, elektronisch lesbaren und medienbruchfrei weiter verarbeitbaren Anhang.
In wenigen Bundesländern existieren derzeit noch Ausnahmen, z. B. in NRW für Kirchen, ihre Verbände und deren Einrichtungen sowie für Krankenhäuser und Stiftungen (§ 1 EGovG NRW). Diese Einschränkung dürfte aber bei Krankenhäusern ausschließlich deren Kerntätigkeit (stationäre Heilbehandlung) betreffen, die ohnehin über strukturierte Datensätze (§ 301 SGB V) gegenüber den Kostenträgern abgerechnet wird. In diesen Fällen ist eine verpflichtende, zusätzliche strukturierte E-Rechnung nicht erforderlich.
Mögliche Anwendungsfälle sind:
- In Pflegeeinrichtungen: Rechnungen an Pflegekassen und Sozialhilfeträger
- In Krankenhäusern: ambulante Behandlungen bei Abrechnung mit KV, Gutachten an BG oder DRV, Krankentransporte, Vermietung von Räumen
- Lieferungen und Leistungen von Apotheken
- Lieferungen und Leistungen von Service- und Logistikzentren/-gesellschaften
Zunächst gilt es, die aktuellen Rechnungsformate zu identifizieren und Kontakt mit den Rechnungsempfängern aufzunehmen. In einem zweiten Schritt ist zu eruieren, welche rechnungsbezogenen Applikationen vom neuen Rechnungsformat betroffen sind und welche systemseitigen Lösungsoptionen sich bieten. Diese reichen von integrierten Modulen zur Erstellung, Verarbeitung und Speicherung elektronischer Rechnungen innerhalb der eigenen Systemlandschaft über renommierte Serviceanbieter am Markt, die XRechnungen erstellen, bis hin zur Nutzung von Web-Formularen. Unabhängig von der Wahl der technischen Lösung sind Aufbau- und Ablauforganisation zu betrachten. Dabei sind die Auswirkungen auf die internen Prozesse zu berücksichtigen, durch die wiederum Anforderungen an ein revisionssicheres digitales Archiv erfüllt werden müssen. Schließlich ist die Ordnungsmäßigkeit und Sicherheit des Verfahrens innerhalb einer Verfahrensdokumentation nachvollziehbar und angemessen zu dokumentieren.
Die elektronische Rechnung - Praxis-Hinweis:
Das Thema „elektronische Rechnung“ erfordert eine interdisziplinäre Abstimmung, unter anderem zwischen der IT-Abteilung, der Finanzbuchhaltung und dem KIS. Im Hinblick auf die genannte Frist sollte rechtzeitig mit der Vorbereitung und der Festlegung von Verantwortlichkeiten begonnen werden.
E-Rechnungsgesetz
erstellt von Oliver Schikora
Am 27. November 2018 sind das sogenannte E-Rechnungsgesetz des Bundes und die dazugehörige Verordnung über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen des Bundes (E-Rech-VO) in Kraft getreten, womit die Vorgaben der Richtlinie 2014/55/EU der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt werden. Deren Ziel ist es, durch eine einheitliche europäische Norm die elektronische Rechnungsstellung innerhalb der öffentlichen Verwaltung von der Bestellung bis hin zur Zahlung durchgängig elektronisch zu gestalten und somit die Vorteile der Digitalisierung im Hinblick auf eine erhöhte Effizienz zu nutzen.
Im Ergebnis sind alle Bundesministerien und Verfassungsorgane seit dem 27. November 2018 dazu verpflichtet, elektronische Rechnungen, die der einheitlichen europäischen Norm entsprechen, zu empfangen und zu verarbeiten. Öffentliche Auftraggeber auf Landes- und kommunaler Ebene sind hierzu ab dem 27. November 2019 verpflichtet. Ab dem 27. November 2020 müssen sodann alle Rechnungen an öffentliche Auftraggeber elektronisch gestellt werden; ausgenommen sind lediglich Rechnungen mit einem voraussichtlichen Auftragswert von weniger als 1.000 € netto (Bagatellgrenze). Neben den zuvor genannten Behörden auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sind auch Unternehmen betroffen, die sich mehrheitlich in öffentlicher Trägerschaft befinden (z. B. kommunale Krankenhäuser).
Faktisch ergibt sich dadurch eine Verpflichtung für Rechnungsaussteller, Rechnungen in elektronischer Form einzureichen, wenn diese beispielsweise Leistungsbeziehungen mit Sozialversicherungsträgern, Berufsgenossenschaften oder der Bundesagentur für Arbeit etc. aufweisen.
Bedingt durch die föderalen Strukturen sind die einzelnen Bundesländer für die Umsetzung eigenverantwortlich zuständig. Die Regelungen auf Länderebene unterscheiden sich zum Teil erheblich voneinander. In Nordrhein- Westfalen wurden entsprechende Inhalte im E-Government- Gesetz geregelt. Hier werden beispielsweise die Tätigkeiten der Kirchen, der Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften sowie ihrer Verbände und Einrichtungen, der Schulen und der Krankenhäuser vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Andere Bundesländer, wie zum Beispiel Rheinland-Pfalz, haben bislang noch keine verbindlichen Regelungen abschließend verabschiedet.
Der Begriff „elektronische Rechnung“ bezeichnet in diesem Zusammenhang eine Rechnung, die in einem strukturierten Datensatz erstellt, übermittelt und empfangen wird und in einem Format vorliegt, das automatisiert verarbeitet werden kann. Somit stellen Bilddateien wie gescannte Papierrechnungen keine elektronischen Rechnungen im Sinne der europäischen Vorgaben dar. Ein entsprechendes Rechnungsdatenmodell wurde seitens des Europäischen Komitees für Normung (CEN) entwickelt und definiert. Unter dem Begriff „XRechnung“ wurden die Vorgaben der CENNorm für die deutsche Verwaltung spezifiziert.
- Ein Beispiel für ein zulässiges Rechnungsformat ist das ZUGFeRD-2.0- Format (Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland). Es beinhaltet einen bildlichen Datensatz (PDF) und einen maschinenlesbaren strukturierten Datensatz (XML) und erfüllt somit aus technischer Sicht die Anforderungen des XRechnung-Datenmodells.
Für die Übertragung der elektronischen Rechnung an den jeweiligen Empfänger sind vier verschiedene Kanäle vorgesehen: Es soll ein Web-Formular für kleine Einrichtungen geben, die hier die Informationen direkt in einer Maske erfassen können, und außerdem soll die Übertragung der Rechnungen über Datenaustauschplattformen, Web-Services und E-Mail möglich sein.
E-Rechnungsgesetz - Praxis-Hinweis:
Die zu ergreifenden technischen und organisatorischen Maßnahmen sind vor dem Hintergrund der rechtlichen Verpflichtung zum Empfang, zur Verarbeitung und zur Aufbewahrung von elektronischen Rechnungen unter Berücksichtigung der länderspezifischen Rechtslage zu analysieren. Wir empfehlen, die Auswirkungen auf das eigene Unternehmen zeitnah zu bewerten und, wenn notwendig, Maßnahmen zu ergreifen.