In der Beratungspraxis stellt sich verstärkt die Frage, wie die Veräußerung eines ambulanten Pflegedienstes optimal vorbereitet werden kann. In diesem Zusammenhang ist oft zu beobachten, dass die Verkäufer durch eine ungenaue Zieldefinition und unvollständige Unterlagen die eigene Verhandlungsposition unnötigerweise schwächen. Eine frühzeitige und systematische Vorbereitung kann den erzielbaren Veräußerungspreis hingegen signifikant erhöhen.
Derzeit werden, neben den größeren stationären Einrichtungen, auch verstärkt die Betreiber von ambulanten Pflegediensten mit einem Umsatzvolumen zwischen ca. 750 TEUR und 2,5 Mio. EUR von Investoren angesprochen. Die potentiellen Erwerber sehen ambulante Pflegedienste als einen wichtigen Baustein in ihren strategischen Pflegekonzepten an. Aus Investorensicht lassen sich bei entsprechender (optimierter) Unternehmensführung Synergiepotentiale im Bereich Overhead, einheitliche Tourenplanung, Personalpool, Professionalisierung von Erst- und Beratungsgesprächen etc. heben und deutliche Wachstumsraten generieren.
Für den Verkäufer stellt sich hingegen oft die Frage, zu welchen Konditionen er sein „Lebenswerk“, steuerlich optimiert, veräußern kann. Die soziale Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und Betreuten sowie der Erhalt der langjährig aufgebauten Reputation spielen darüber hinaus eine wichtige Rolle in den Überlegungen des Verkäufers. Unter Berücksichtigung der Motivation der Investoren sollte der Verkäufer die folgenden Ausführungen in seiner Verkaufsstrategie berücksichtigen.
Vor dem Abschluss des Kaufvertrages haben sich in der Praxis die Zwischenschritte
- Informationsmemorandum,
- Vertraulichkeitsvereinbarung,
- Letter of Intent und
- Due Diligence
etabliert. Von zentraler Bedeutung für den erzielbaren Verkaufspreis ist hierbei die Beschaffung und Zurverfügungstellung von transparenten, aussagekräftigen Informationen zur Durchführung der (unverzichtbaren) Due Diligence. Erfahrungsgemäß werden in einem Zeitraum von durchschnittlich vier bis sechs Wochen die Bereiche Financial, Legal und Tax intensiv von Experten anhand von modifizierten Checklisten (teilweise mit mehr als 100 Positionen) untersucht. In zahlreichen Fällen führt die Due Diligence hierbei zu einer Verringerung von Unternehmenswert und Kaufpreis. Darüber hinaus haben die Erkenntnisse aus der Due Diligence einen sehr starken Einfluss auf die Ausgestaltung der Kaufpreisanpassungsklauseln und Gewährleistungsregelungen im Kaufvertrag.
Im Rahmen der Financial Due Diligence (FDD) stehen die detaillierte Analyse der letzten Jahresabschlüsse (2016 bis 2018) sowie die Unternehmensplanung (2019 bis 2020) im Mittelpunkt. Hierbei werden die betriebliche Veranlassung und Marktüblichkeit sämtlicher Erträge und Aufwendungen der vorgelegten Jahresabschlüsse überprüft und ggf. bereinigt. Wesentliche Korrekturen betreffen regelmäßig die überhöhte Einstellung oder Auflösung von Rückstellungen, Versicherungsentschädigungen, den Verkauf von Anlagevermögen über oder unter Buchwert sowie nichtmarktübliche Vergütungsleistungen an den Betreiber und Familienangehörige (z.B. Gehalts- und Mietzahlungen). Insbesondere die geschäftliche Beziehung des Unternehmens mit der Familie des Betreibers (Immobilien, Darlehensgewährungen, Sicherheiten, Anstellungsverträge) sowie die Ausschüttung von Gewinnen aus den Vorjahren werden in diesem Schritt detailliert ermittelt und in der weiteren Planung berücksichtigt.
In einem weiteren Schritt wird anhand der bereinigten Ergebnisse der Vorjahre, unter Berücksichtigung von bereits eingeleiteten Maßnahmen (z.B. Aufnahme Tagespflege, Vorbereitung Einzelverhandlung) ein konstant nachhaltiger Überschuss ermittelt. Diese prognostizierten finanziellen Überschüsse werden typischerweise gemäß dem Bewertungsstandard IDW S1 mit dem adäquaten Kapitalisierungszinssatz auf den Bewertungsstichtag diskontiert (sog. Ertragswert). Erfahrungsgemäß werden hierbei teilweise deutliche Inkonsistenzen und methodische Fehler in Kauf genommen. Es ist daher empfehlenswert, die vorgelegte Unternehmensbewertung kritisch zu hinterfragen und anhand von Multiplikatoren zu plausibilisieren.
In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass in der Unternehmensbewertung stets ein marktgerechtes Geschäftsführergehalt anzusetzen ist; die Ermittlung kann auf Basis gängiger Marktanalysen erfolgen. Fehlende Investitionen im Bereich Fuhrpark, EDV und mobile Datenerfassung werden ebenfalls in der FDD früh aufgedeckt und mit Abschlägen bewertet. Darüber hinaus ist es empfehlenswert, dass die Übermittlung von Arbeitnehmerdaten in der Phase der FDD anonymisiert oder in Form von einer statistischen Erhebung erfolgt, um so auf jeden Fall die verschärften datenschutzrechtlichen Vorgaben einzuhalten.
Erfahrungsgemäß kann durch die Vorlage von entsprechend aufbereiteten Jahresabschlüssen und nachvollziehbaren Planungsrechnungen die Verhandlungsposition des Verkäufers deutlich verbessert werden. Fehlende Informationen führen hingegen zu entsprechenden Risikoabschlägen. Im Vorfeld der Verhandlungen sollte der Verkäufer darüber hinaus die vorliegenden Auswertungen (Tourenanalyse, Deckungsbeitragsrechnung, Umsatzstatistik) kritisch prüfen und bei Bedarf neu ausrichten. Anhand der wesentlichen Kennzahlen (u. a. Deckungsbeitrag, Personalaufwands-, Fachkraft- und Leitungsquote, Anteil gemischter Hausbesuche SGB V und SGB XI, Einsatz-, Fahrt- und Wegezeiten) kann der erfahrene Berater des Verkäufers erste kaufpreisrelevante Einschätzungen vornehmen und Handlungsempfehlungen ableiten.
Fazit
Die aktuelle Marktkonsolidierung und hohe Investitionsbereitschaft im Pflegesektor hat die Verkäuferposition gestärkt. Im Rahmen einer Bestandsaufnahme sollte der Verkäufer die skizzierten Themen kritisch prüfen und gemeinsam mit einem erfahrenen Berater den Vorbereitungsstand beleuchten. Durch eine sorgfältige Vorbereitung kann letztlich eine marktgerechte Bewertung des Pflegedienstes erzielt und eine Verhandlung auf Augenhöhe geführt werden.