Verlust des Vergütungsanspruchs aufgrund fehlerhafter Aufklärung möglich

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 19. März 2020 - Az. B 1 KR 20/19 R seine bisherige Rechtsprechung zu Vergütungsansprüchen in der gesetzlichen Krankenversorgung fortentwickelt.

 

Im zugrunde liegenden Fall weigerte sich eine Krankenkasse, die Behandlungskosten ihres Versicherten in Höhe von über 45.000 € für eine allogene Stammzelltransplantation zu übernehmen.

Vergütungsansprüche in der gesetzlichen Krankenversorgung: Verlust aufgrund fehlerhafter Aufklärung möglich

 

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 19. März 2020 - Az. B 1 KR 20/19 R seine bisherige Rechtsprechung zu Vergütungsansprüchen in der gesetzlichen Krankenversorgung fortentwickelt.

Vergütungsanspruch gesetzlicher Krankenversorgung

Im zugrunde liegenden Fall weigerte sich eine Krankenkasse, die Behandlungskosten ihres Versicherten in Höhe von über 45.000 € für eine allogene Stammzelltransplantation zu übernehmen. Zur Begründung führte sie an, dass keine ordnungsgemäße Aufklärung des Versicherten stattgefunden habe. Nachdem in den ersten beiden Instanzen dem Krankenhaus der Vergütungsanspruch zugesprochen und die Krankenkasse zur Zahlung der Behandlungskosten verurteilt worden war, legte sie Revision beim BSG ein. Das BSG hob das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg auf und wies es zur erneuten Entscheidung zurück.

Entscheidung über Vergütungsansprüche

Das BSG stellte fest, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht nur haftungsrechtlich relevant sei, sondern auch dem in § 12 Abs. 1 SGB V verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot diene und daher für einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses von Bedeutung sei. Letztlich könne der Versicherte selbst entscheiden, ob er die ihm ärztlich angebotene, medizinisch notwendige Leistung abrufe. Dies setze jedoch eine den Grundsätzen des § 630e BGB genügende Aufklärung des Versicherten voraus. Diese müsse so ausgestaltet sein, dass dem Versicherten das Für und Wider der Behandlung bewusst sei und er Chancen und Risiken der jeweiligen Behandlung selbst bestimmt abwägen könne.

Daher müssen dem Versicherten auch die palliativen Behandlungsmöglichkeiten im Hinblick auf einen relativen Überlebensvorteil und die damit verbleibende Lebensqualität im Vergleich zu einer mehr oder weniger vagen Aussicht auf Heilung deutlich vor Augen geführt werden. Das BSG bestätigte, dass bei objektiv medizinisch erforderlichen Behandlungen im Sinne einer widerlegbaren Vermutung davon ausgegangen werden könne, dass die Aufklärung ordnungsgemäß stattgefunden und der Versicherte seine Entscheidung für die Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen auf der Grundlage von ausreichenden Informationen getroffen habe. Anders verhalte es sich allerdings, wenn mit der in Rede stehenden Behandlung ein hohes Risiko schwerwiegender Schäden, insbesondere ein hohes Mortalitätsrisiko verbunden sei.

In diesen Fällen sei regelmäßig nicht auszuschließen, dass der Versicherte bei ordnungsgemäßer Aufklärung von dem Eingriff Abstand genommen hätte. Dies gelte insbesondere, wenn es sich bei der beabsichtigten Behandlung um einen noch nicht dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechenden Therapieansatz handle. In diesem Fall bedürfe es der konkreten Feststellung, ob, durch wen und wie genau das Krankenhaus den Versicherten über die relevanten Aspekte der abstrakten und der konkret-individuellen Chancen, der Risiken und der Risikoabwägung aufgeklärt hat.

Verlust des Vergütungsanspruchs Fazit

Das Urteil des BSG verdeutlicht, welche weitreichenden Folgen eine fehlerhafte Patientenaufklärung haben kann. Da die Beweislast für eine ordnungsgemäße Aufklärung regelhaft beim Arzt bzw. Krankenhausträger liegt, empfiehlt es sich die bestehenden Aufklärungsmodalitäten zu überprüfen. Insbesondere bei Behandlungen mit hohen Risken und Abweichungen von Standardverfahren sollte eine Aufklärung besonders ausführlich durchgeführt und dokumentiert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass vorrangig das persönliche Aufklärungsgespräch entscheidend ist. Unterschriebene Aufklärungsbögen dienen zwar der Dokumentation und sind zwingend zu der Behandlungsdokumentation zu nehmen, können jedoch allenfalls als Indiz für eine ordnungsgemäße Aufklärung herangezogen werden.

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