Personalmangel
Als ein Hauptgrund für die aktuelle Entwicklung wird von den Beteiligten häufig der Mangel an Pflegekräften angeführt. In der stationären Altenhilfe behelfen sich Träger oftmals mit Fremdarbeitskräften. Da die Kosten einer Pflegekraft eines Personaldienstleisters bis zu 260 % einer eigenen Pflegekraft ausmachen können und nur die durchschnittlichen Personalkosten eigener Vollkräfte refinanziert werden, ist der Einsatz von fremdem Personal aus wirtschaftlicher Sicht ein schwieriger Schritt. Immer mehr Pflegeheimbetreiber berichten daher, dass sie auf den Einsatz von fremdem Personal verzichten. Ob dies bei einem Mangel an eigenem Personal immer die bessere Wahl ist, muss im Einzelfall entschieden werden, denn bei Unterschreitung der vereinbarten Personalschlüssel dürfen gegebenenfalls Pflegeplätze nicht belegt werden, und die hierdurch ausfallenden Umsatzerlöse fehlen dann für die Finanzierung der Fixkosten – insbesondere im investiven Bereich.
Unser Betriebsvergleich weist in der Auslastung einen Median von 98,5 % aus, wobei 40,7 % aller einbezogenen Einrichtungen die Kalkulationsgrundlage in den Pflegesatzverhandlungen von 98,0 % nicht erreichen. 25 % aller einbezogenen Einrichtungen weisen eine Auslastung von 96,4 % oder schlechter aus. Ob diese Entwicklung allein dem Personalmangel geschuldet ist, kann der Betriebsvergleich nicht beantworten; die Ausgangslage zur Deckung der Kosten ist jedoch nicht optimal.
Dramatische Kostensteigerungen
Auch die Pflegebranche sah sich in den vergangenen zwei Jahren mit einer lange nicht dagewesenen Steigerung der Kosten konfrontiert. Insbesondere die zum 1. September 2022 eingeführte Tarifbindung verursachte deutliche Personalkostensteigerungen. Im Bereich der konfessionellen und kommunalen Träger hatte diese Einführung zwar in den meisten Fällen keine Auswirkung, weil diese Träger ohnehin bereits tariflich organisiert waren. Allerdings haben die Tarifgebilde aufgrund der hohen Inflation deutliche Personalkostensteigerungen erfahren. So sah zum Beispiel die Tarifrunde 2023/2024 im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD Pflege) deutliche Vergütungserhöhungen von rund 10 % vor. Im Bereich der Sachkosten stechen insbesondere die Bereiche „Lebensmittel“ mit Kostensteigerungen von über 27 %, „Strom“ mit über 21 % und „Gas“ mit über 31 % heraus.
Entwicklung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage
Im Median weisen die einbezogenen Einrichtungen einen Jahresüberschuss von 62 TEUR aus. Allerdings zeigt die Auswertung, dass 25 % aller in den Betriebsvergleich einbezogenen Einrichtungen einen Jahresfehlbetrag von mindestens 77 TEUR ausweisen. Insgesamt sind die Jahresergebnisse von 37,1 % aller in den Betriebsvergleich einbezogenen Altenhilfeeinrichtungen defizitär.
Der Blick auf die Ergebnisbestandteile zeigt, dass der rein pflegesatzfinanzierte Bereich (operatives Ergebnis) im Geschäftsjahr 2023 im Median einen Fehlbetrag von 26 TEUR ausweist. Bei 25 % der einbezogenen Einrichtungen zeigt das operative Ergebnis sogar einen Verlust von über 178 TEUR. Insgesamt ist der pflegesatzfinanzierte Bereich bei 55,6 % der in den Betriebsvergleich aufgenommenen Einrichtungen defizitär. Gleichwohl verfügt eine Vielzahl der einbezogenen Einrichtungen über eine gute Eigenkapitalausstattung, die sich im Median auf 1.697 TEUR beläuft. Allerdings weisen bereits 6,0 % der Einrichtungen einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. In der kurzfristigen Liquidität ergeben sich bei 9,7 % der Einrichtungen negative Kennzahlen in der Liquidität II, wobei 25 % der Einrichtungen eine Liquiditätsreichweite von weniger als einem Monat ausweisen. Bedenklich ist die Entwicklung der Forderungen, die im Jahresvergleich 2023/2022 im Median um 22,9 % gestiegen sind. Grund dafür sind vor allem langwierige Pflegesatzverhandlungen, lange Bearbeitungszeiten bei Sozialhilfeanträgen und eine zunehmend schlechtere Zahlungsmoral der Kostenträger.
Praxis-Hinweis
Eine Insolvenzwelle ist im konfessionellen Bereich der Altenpflege mit Blick auf die Zahlen unseres Altenheim-Betriebsvergleichs zwar noch nicht zu erwarten. Ein „Weiter so“ ist mit Blick auf die Ergebnisentwicklung jedoch nicht angezeigt. Denn auch wenn die überwiegend konfessionellen und kommunalen Einrichtungen in unserem Betriebsvergleich in der Mehrzahl (noch) auf positive Eigenkapital- und Liquiditätsausstattungen blicken, zeigt die Auswertung im pflegesatzfinanzierten Bereich in 55,6 % der Fälle defizitäre Ergebnisse und verdeutlicht damit die schwierigen Rahmenbedingungen aufgrund von zum Teil unzureichenden Auslastungen und den dramatischen Kostensteigerungen im Geschäftsjahr 2023. Dies wirft die Frage auf, ob die vereinbarten Pflegesätze tatsächlich auskömmlich sind. Deshalb muss aus unserer Sicht den Pflegesatzverhandlungen ein noch höherer Stellenwert beigemessen werden. Deren Vorbereitung sollte weit im Voraus und hochprofessionell erfolgen. Auch der Gang zur Schiedsstelle darf kein Tabu mehr sein. Defizitäre Einrichtungen sollten die bisherigen Verhandlungsergebnisse dahingehend überprüfen, ob diese bei normaler Betriebsführung auskömmlich wären. Sofern Sie hierbei Unterstützung benötigen, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.