In der Insolvenzordnung (InsO) und im Anfechtungsgesetz (AnfG) ist das sogenannte „Gesellschafterdarlehensrecht“ geregelt. Obgleich wenig bekannt, begründet dieses für Gesellschafter erhebliche, häufig übersehene Risiken. Dieser Beitrag erläutert die Grundzüge und Hintergründe des Gesellschafterdarlehensrechts am Beispiel der GmbH.
Gründer einer GmbH statten diese mit Stammkapital aus. Die GmbH operiert dann unter Einsatz des ihr zugeführten Vermögens in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Am Rechtsverkehr nimmt sie mit eigener Rechtspersönlichkeit teil. Ihr Rechtskreis und ihr Vermögen sind von jenen ihrer Gesellschafter getrennt. Ansprüche gegen die GmbH berechtigen Gläubiger daher nicht zum Zugriff auf Gesellschaftervermögen. Infolge dieser Trennung kann die GmbHauch mit ihren Gesellschaftern Verträge abschließen, welche prinzipiell gleich zu behandeln sind wie Verträge mit Dritten.
Gewährt ein Gesellschafter der GmbH Darlehen, möchte man folglich eine Behandlung seines Rückzahlungsanspruchs gleich jenen anderer Darlehensgeber annehmen. Allerdings sieht das Gesellschafterdarlehensrecht insoweit eine nachteilige Behandlung vor. Gleiches gilt, wenn der Gesellschafter die Darlehensgewährung Dritter durch Sicherheiten fördert. Nachvollziehbar werden diese Normen, wenn man den Ursprung des Gesellschafterdarlehensrechts betrachtet. Dieses steht in Nachfolge des von der Rechtsprechung geprägten „Eigenkapitalersatzrechts.“
Vereinfacht gesagt beruhte Letzteres auf dem Empfinden einer Unbilligkeit, wenn ein in seiner Haftung beschränkter Gesellschafter der kriselnden GmbH Darlehen gewährte, anstatt sie mit weiterem Stammkapital auszustatten. Denn damit wurde die Lebensfähigkeit der GmbH verlängert, ohne dafür das volle Risiko zu übernehmen. Dies belastete andere Gläubiger, weil Darlehen einen Rückzahlungsanspruch begründen und im Falle eines sich abzeichnenden Scheiterns eilig abgezogen werden oder bei der MasseverSolidaris Information – 3/2018 teilung Berücksichtigung finden konnten. Zunächst ging es darum sicherzustellen, dass Gesellschafter nur haftendes Kapital einsetzten, wenn der Gesellschaftsfortbestand in der Krise ermöglicht werden sollte. Da es in solchen Situationen eigentlich der Zuführung von Stammkapital bedurft hätte, erklärte man stattdessen gegebene Darlehen zum „funktionellen Ersatz“ für solches und behandelte sie entsprechend. Diese Grundsätze erfuhren eine Ausdehnung auf Fälle, in denen das Darlehen bereits vor Eintritt der Krise gewährt, bei deren Eintritt aber „stehen gelassen“ wurde, sowie auf Fälle, in denen Gesellschafter für Darlehen Dritter Sicherheiten bestellten.
Der Gesetzgeber hat schließlich das Gesellschafterdarlehensrecht an die Stelle des Eigenkapitalersatzrechts gesetzt. Gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO werden Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechende Geschäfte in der Insolvenz der Gesellschaft gegenüber anderen Forderungen nachrangig behandelt. Das hat zur Folge, dass der Gesellschafter insoweit regelmäßig einen Ausfall erleidet.
Wurde ein Gesellschafterdarlehen innerhalb eines Jahres vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgezahlt, ist die Rückzahlung gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Infolge der Anfechtung muss der Gesellschafter den Betrag zur Insolvenzmasse erstatten. Dafür lebt seine Forderung wieder auf, unterliegt aber wiederum § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, wird also nachrangig behandelt.
Stellt der Gesellschafter für Darlehen Dritter Sicherheiten, werden die Gläubiger in der Insolvenz vorrangig an ihn verwiesen (§ 44a InsO). Die eilige Rückzahlung des Darlehens durch die Gesellschaft hilft ihm nicht. Gem. § 135 Abs. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, mit der eine Gesellschaft die gesellschafterbesicherte Darlehensrückforderung eines Dritten innerhalb des Jahres vor dem Eröffnungsantrag oder danach befriedigt hat. Entgegen dem (misslungenen) Wortlaut bedeutet dies, dass der Gesellschafter die Zahlung zur Insolvenzmasse zu erstatten hat (§ 143 Abs. 3 InsO).
Diese Vorschriften knüpfen nicht mehr an das Vorliegen einer „Krise“ an. Sie gelten auch, wenn der Gesellschafter keine Probleme der Gesellschaft absehen konnte, solange nur die Rückzahlung innerhalb eines Jahres vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte oder noch nicht erfolgt ist. Hiervon existieren Ausnahmen, so ein „Kleinbeteiligten-“ und ein „Sanierungsprivileg“, deren gezielte Inanspruchnahme sich indes nur nach Beratung empfiehlt.
Für Fälle, in denen Gläubiger außerhalb der Insolvenz vollstreckbare Schuldtitel gegen die Gesellschaft erlangen und diese nicht durchsetzen können, treffen die §§ 2, 6, 6a und 11 AnfG ähnliche Regelungen. Diese Grundsätze finden auf alle – auch ausländische – Gesellschaftsformen Anwendung, welche nicht über wenigstens eine unbeschränkt haftende natürliche Person verfügen. Auf Vereine sind sie nicht zugeschnitten. Konstellationsabhängig kann eine von Teilen der Literatur befürwortete Anwendung gleichwohl nicht generell ausgeschlossen werden.
Praxis-Hinweis
Gesellschafterdarlehen und -sicherheiten bedürfen einer vorsichtigen Bewertung des Risikos, welches dem bei Einbringung von Stamm-/Grundkapital einzugehenden Risiko nahekommt. Sicherheiten sind besonders brisant, wenn sie in Erwartung der ausbleibenden Beanspruchung und mit (optimistischem) Blick auf zu verwirklichende Projekte gegeben werden. Oft wird eine Sicherung gestellt, wenn der Gesellschafter nicht über hinreichend liquide Mittel verfügt, um das Darlehen selbst zu gewähren, oder es werden Immobilien eingesetzt, welcher der Gesellschafter für eigene Zwecke dringend bedarf. Die Verwertung der Sicherheit wirkt sich daher oft überfordernder aus als ein Forderungsausfall. Schwer überschaubare Risiken drohen bei Einbindung von aneinander beteiligten Gesellschaften in sogenannte „Cash-Pools“, da in diesen vorgenommene Transaktionen rechtlich Gewährungen von Darlehen und Sicherheiten darstellen.