Restrukturierung von Gemeinden im Hinblick auf § 2b UStG
Gemeinden bzw. kirchliche Körperschaften müssen sich durch die Einführung des § 2b Umsatzsteuergesetz (UStG) bis zum Jahresbeginn 2021 restrukturieren. Sobald sie Leistungen auf privatrechtlicher Grundlage erbringen, werden sie als Unternehmer behandelt. Die Auswirkungen auf die Prozesse und die Herausforderungen, denen sich die Mitarbeiter im Rechnungswesen stellen müssen, sind vielfältig. Sowohl die Katholische als auch die Evangelische Kirche haben umfangreiche Handreichungen und Arbeitshilfen zu den Auswirkungen des § 2b UStG für ihre Gliederungen erstellt. Diese beschreiben ausführlich in alphabetischer Reihenfolge (fast) jeden Einzelfall des Gemeindelebens unter steuerlichen Gesichtspunkten.
Damit lassen sich zwar die steuerlichen Sachverhalte beurteilen, dies alleine reicht aber nicht aus. Die neuen steuerlichen Sachverhalte für die Kirchengemeinden erfordern auch eine Neustrukturierung der Prozesse in den Rechnungswesen der kirchlichen Körperschaften. Denn wenn zum Beispiel die Prozesse nicht darauf ausgerichtet sind, dass steuerliche Sachverhalte zeitnah erkannt und richtig behandelt werden, wird auch die Deklaration der Steuern fehlerhaft sein – mit allen Folgen. Zur Minimierung des Bearbeitungsaufwands müssen Routinen eingerichtet werden, wie sie in vielen Bereichen des Gesundheits- und Sozialwesens schon lange installiert sind.
Aufgrund unserer Branchenerfahrung haben wir fünf Punkte ermittelt, die Kirchengemeinden beachten müssen, wenn sie die neuen steuerlichen Gegebenheiten in ihren Prozessen effektiv und effizient einbeziehen wollen.
Zeitverzug
Es vergehen häufig Wochen oder sogar Monate, bis Belege aus der Arbeit vor Ort in den Gemeinden die Stellen erreichen, wo steuerlich geprüft und verbucht wird. Der lange Zeitverzug hindert die Mitarbeiter dann, z.B. Zusammenhänge zwischen einem Wareneinkauf und dem steuerpflichtigen Gemeindefest zu erkennen. Der Fluss der Belege ins Rechnungswesen muss daher unbedingt beschleunigt werden, dabei sind ehrenamtliche Mitarbeiter und geistliches Personal mit einzubeziehen.
Dezentrale Organisationen
Mitarbeiter sitzen oft zentral im Rechnungswesen, sind dabei für mehrere Gemeinden bzw. Standorte zuständig und oft viele Kilometer vom Gemeindeleben vor Ort entfernt. Aufgrund der räumlichen Entfernung fehlen ihnen oftmals Informationen, die eine steuerliche Beurteilung ermöglichen, und es kommt zu Fehlern in der steuerlichen Bearbeitung von Geschäftsvorfällen. Hier helfen nur passgenau erarbeitete Kommunikationsroutinen und Austauschmöglichkeiten, die ein gegenseitiges Zusammenar-beiten fruchtbar machen. Solche Kommunikationsroutinen müssen nicht nur passgenau konzipiert werden, eine Vereinbarung alleine reicht nicht aus - Kommunikation muss auch gelebt werden. Deswegen sollte die Kommunikation auch nachvollziehbar stattfinden, zum Beispiel in Form von regelmäßigen Jour Fix-Terminen, die entsprechend dokumentiert werden.
Fehlen eines Prozessverantwortlichen
Im Zusammenspiel zwischen Gemeinde und Kirchenverwaltung fehlt es oft an einem Prozessverantwortlichen; Gemeindemitglieder beschweren sich über eine langsame Verwaltung, diese beklagt sich über fehlende oder verspätete Belege – dies teils jahrelang ohne zu einer Lösung zu kommen. Solche nicht nur für steuerlich relevante Sachverhalte problematischen Formen der Zusammenarbeit lassen sich nur durch einen Prozessverantwortlichen lösen, der bei Störungen in den Prozessablauf eingreift, die Ursachen analysiert, mit den Beteiligten eine Lösung sucht, diese umsetzt und dann auch einfordert.
Unzureichende IT-Ausstattung
Oftmals arbeiten Kirchengemeinden mit unzureichenden Systemen auf Excelbasis, die an sich schon keine Revisionssicherheit haben. Aber auch viele in der kirchlichen Verwaltung eingesetzte Softwaresysteme sind noch nicht ausreichend auf zukünftige steuerliche Änderungen vorbereitet: Da fehlen die entsprechenden Steuerkonten, oder Ermittlungen der Beträge zur Anmeldung der Umsatzsteuer müssen mühsam über Excel angestellt werden. Ist die Buchführungssoftware einmal unter steuerlichen Gesichtspunkten eingerichtet, können heute alle Buchhaltungsprogramme per elektronischer Schnittstelle die Anmeldung der Umsatzsteuer auf Knopfdruck ans Finanzamt übersenden. Die Einrichtung ist kein Problem; systemtechnisch sollte man dabei Unterstützung vom Softwarehersteller anfordern.
Für die Struktur der Steuerkonten und die Systematik der Verbuchung der steuerlich relevanten Sachverhalte sollte man auf bewährte Modelle zurückgreifen, um den Aufwand für die Buchungsprozesse so klein wie möglich zu halten.
Fehlendes Wissen
Kirchenverwaltungen hatten bisher nur wenig mit Steuern zu tun – und mit den Prozessschritten, mit denen die steuerlichen Sachverhalte effektiv und effizient im Rechnungswesen umgesetzt werden können. So ist nicht nur die Schulung eines Multiplikators in Steuersachen unerlässlich. Damit nicht jede Kirchengemeinde für sich allein mit großer Mühe herausfindet, wie man in der Verwaltung die steuerlich relevanten Prozesse richtig aufstellt, sollten in der Praxis bewährte Methoden der buchhalterischen Umsetzung aus der freien Wirtschaft bzw. dem Gesundheits- und Sozialwesen zum Einsatz kommen, die dort bereits lange erprobt sind.
Praxis-Hinweise zum § 2b UStG
Prozessoptimierung im Vorfeld bereitet das Rechnungswesen auf die Restrukturierung der Gemeinden im Hinblick auf § 2b UStG vor. Steuerliche Einordnung alleine hilft nicht. Kontenpläne müssen ergänzt werden, die Mitarbeiter im Rechnungswesen müssen sich weiterbilden, die Prozesse in den kirchlichen Verwaltungen optimiert werden und IT-Systeme richtig konfiguriert werden, damit die neuen steuerlich relevanten Tatbestände richtig und zeitnah bearbeitet werden können.