Der Fall
Die Klägerin war von September 2017 bis August 2019 als Assistenzärztin in der Abteilung Neurochirurgie eines Klinikums beschäftigt, ihre wöchentliche Arbeitszeit betrug 30 Stunden, verteilt auf sechs Stunden täglich. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) Anwendung. Gemäß § 14 TV-Ärzte/VKA sind die Arbeitszeiten der Ärztinnen und Ärzte zu dokumentieren. In der Klinik galt eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, die vorsah, dass bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden automatisch ein Pausenabzug von 30 Minuten und bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden ein Pausenabzug von 45 Minuten erfolgt, wenn der Beschäftigte Beginn und Ende der Pausen nicht dokumentiert hat oder die eingetragene Pause die genannten Werte unterschreitet.
Von September 2017 bis August 2019 wurden der Ärztin automatisch Pausen von insgesamt 59 Stunden und 3 Minuten abgezogen. Sie machte jedoch geltend, dass sie aus dienstlichen Gründen keine Pausen nehmen konnte und verlangte daher deren Vergütung als Überstunden mit einem tariflichen Zuschlag von 15 % pro Stunde. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Berufung der Klägerin zurück. Mit der Revision verfolgte die Klägerin ihren Vergütungsanspruch weiter.
Die Entscheidung
Das BAG hat das Berufungsurteil des LAG aufgehoben, das die Klage der Ärztin auf Vergütung der automatisch abgezogenen Pausenzeiten als Überstunden abgewiesen hatte. Das LAG hatte eine detaillierte Darlegung der Überstunden und deren Veranlassung von der Klägerin verlangt. Das BAG betonte jedoch, dass die Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin überspannt worden seien. Es stellte fest, dass Arbeitnehmer ihrer Darlegungslast genügen, wenn sie schriftlich darlegen, an welchen Tagen sie von wann bis wann gearbeitet haben. Diesen Anforderungen sei die Klägerin nachgekommen, indem sie eine Aufstellung der von der Klinik für jeden Tag erfassten Arbeitszeiten vorgelegt habe, die auch die streitgegenständlichen automatisch abgezogenen Pausenzeiten enthielt. Hierdurch habe die Klägerin die Überstunden zunächst ausreichend dargelegt. Es genüge sodann nicht, wenn die Klinik als Arbeitgeberin diese bestreite. Die Klinik müsse konkret vortragen, welche Arbeiten sie der Arbeitnehmerin zugewiesen hat und an welchen Tagen die Arbeitnehmerin von wann bis wann diesen Weisungen nachgekommen ist.
Das BAG entschied, dass die Arbeitgeberin diese Anforderung nicht erfüllt habe; das Bestreiten der Arbeitszeiten und der automatische Abzug von Pausenzeiten reiche nicht aus, um zu beweisen, dass die Pausen auch tatsächlich gewährt bzw. in Anspruch genommen wurden. Somit wurden die Arbeitszeiten von der Klägerin ausreichend dargelegt. Allerdings müssen Überstunden, damit eine Vergütungspflicht entsteht, vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig sein. Das BAG hat klargestellt, dass die Zeiterfassung der Arbeitszeiten nach § 14 TV-Ärzte/VKA keine Beweislastumkehr schaffe, sondern lediglich dem Arbeitsschutz diene.
Es bleibt somit trotz der erfassten Arbeitszeit dabei, dass die Ärztin die weiteren Voraussetzungen der Überstundenvergütung darlegen und im Zweifel beweisen muss. Das BAG hat deshalb die Sache an das LAG zurückverwiesen. Dieses muss nun klären, ob die Klägerin die Anordnung, Billigung oder jedenfalls die betriebliche Notwendigkeit der „durchgearbeiteten“ Pausen darlegen und beweisen kann.
Praxis-Hinweis
Automatische Pausenabzüge in der Zeiterfassung können vergütungspflichtige Überstunden sein, wenn der Mitarbeiter darlegt, dass er Pausen aufgrund der betrieblichen Abläufe nicht nehmen konnte. Hierzu genügt es zunächst, dass der Mitarbeiter durch die automatische Arbeitszeiterfassung seine Arbeitszeiten darlegt. Sodann reicht es nicht, wenn der Arbeitgeber diese nur bestreitet, sondern er muss konkret vortragen, welche Arbeiten er dem Mitarbeiter zugeteilt hat, um den Vortrag des Mitarbeiters zu entkräften. Allerdings begründet die automatische Arbeitszeitdokumentation nach § 14 TV-Ärzte/VKA keine Änderung der Beweislast für den Nachweis der Anordnung oder Billigung von Überstunden oder deren betrieblichen Notwendigkeit. Zwar hat das BAG dies nicht generell für die Arbeitszeiterfassung festgestellt, es spricht allerdings vieles dafür, dass die Zeiterfassung keine Beweislastumkehr für die Anordnung oder betrieblichen Notwendigkeit von Überstunden begründet. Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter korrekt erfasst und dokumentiert werden, einschließlich der tatsächlich gewährten Pausen. Dies ist neben der Dokumentationspflicht wichtig, um Streitigkeiten über die Vergütung von Überstunden zu vermeiden. Arbeitgeber sollten zudem darauf achten, dass die Anordnung von Überstunden klar und nachvollziehbar dokumentiert wird, um im Fall eines Rechtsstreits eine belastbare Grundlage zu haben.