Omnibus-Verfahren: Weniger Berichtspflichten – Was ändert sich für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft?

Die Europäische Kommission hat mit dem Omnibus-Verfahren umfassende Änderungen bei der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive), der Taxonomie-Verordnung und der CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) auf den Weg gebracht. Ziel ist es, die Berichtspflichten für kleinere Unternehmen und Einrichtungen zu reduzieren und die Anforderungen praxisnäher zu gestalten.

In unserem Webinar mit IMCOG haben wir die wichtigsten Änderungen vorgestellt und die Auswirkungen auf die Gesundheits- und Sozialwirtschaft diskutiert. Besonders im Fokus standen die Einschränkung des Anwendungsbereichs der CSRD, die Erleichterungen bei der Taxonomie und die neuen Schwellenwerte für die CSDDD und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Die geplanten Anpassungen bedeuten für viele Krankenhäuser, Pflegeheime und soziale Einrichtungen eine spürbare Entlastung – bieten jedoch gleichzeitig neue strategische Optionen zur Weiterentwicklung der Berichtsstrategie. Die geplante Überarbeitung der ESRS wird voraussichtlich eine Streichung weniger bedeutender Datenpunkte, eine stärkere Fokussierung auf quantitative Angaben und eine klare Differenzierung zwischen verpflichtenden und freiwilligen Angaben beinhalten.


Die 6 wichtigsten Änderungen im Überblick


1. CSRD – Weniger Einrichtungen betroffen

Die Änderungen im Rahmen der CSRD betreffen vor allem die Schwellenwerte und den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen. Durch die neuen Vorgaben werden viele kleinere Unternehmen künftig von der Berichtspflicht ausgenommen. 

Die Berichtspflicht gilt künftig nur noch für:

  • Große Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einer Bilanzsumme von über 25 Mio. EUR oder einem Umsatz von über 50 Mio. EUR.
  • Mutterunternehmen großer Gruppen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und konsolidierter Bilanzsumme von über 25 Mio. EUR oder konsolidierten Umsatzerlösen von über 50 Mio. EUR.

Anhebung der Schwellenwerte: Die bisherigen Kriterien (250 Beschäftigte, 50 Mio. EUR Umsatz oder 25 Mio. EUR Bilanzsumme) entfallen – dies reduziert den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen um etwa 80 %.

VSME als strategische Option: Unternehmen, die nicht mehr berichtspflichtig sind, sollten die freiwillige Anwendung des VSME (Voluntary SME Standard) prüfen. Eine freiwillige Berichterstattung kann helfen, Transparenz gegenüber Investoren, Fördergebern und Geschäftspartnern zu wahren und künftige regulatorische Entwicklungen frühzeitig zu antizipieren.
 

2. Taxonomie – Mehr Spielraum bei der Offenlegung

Die Taxonomie-Verordnung wird für kleinere Unternehmen erheblich vereinfacht, insbesondere in Bezug auf die Offenlegung von Umsätzen, Investitionen und betrieblichen Ausgaben. Unternehmen mit einem Umsatz unter 450 Mio. EUR sind künftig nicht mehr verpflichtet, Taxonomie-Daten offenzulegen. Zudem wird eine 10 %-Schwelle eingeführt: Umsätze, Investitionen und Betriebsausgaben unter 10 % müssen nicht mehr taxonomiekonform geprüft werden. Die Offenlegung der betrieblichen Ausgaben (OpEx) wird ebenfalls freiwillig.

  • Für Einrichtungen mit komplexen Betriebsstrukturen kann dies den Aufwand bei der Berichterstellung erheblich reduzieren.
     

3. CSDDD und LkSG – Höhere Schwellenwerte, weniger Aufwand

Die Anpassungen der CSDDD und die daraus resultierenden Änderungen im LkSG betreffen vor allem große Unternehmen und deren Lieferkettenmanagement. Die höheren Schwellenwerte sorgen für eine spürbare Entlastung. Die Umsatzschwelle für die Anwendung der CSDDD steigt von 150 Mio. EUR auf 450 Mio. EUR. Die CSDDD greift künftig nur noch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten oder einem Umsatz von mehr als 450 Mio. EUR. Die CSDDD wird schrittweise eingeführt: Ab dem 26. Juli 2028 für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 1,5 Milliarden EUR, ab dem 26. Juli 2028 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und einem Umsatz von über 900 Millionen EUR und ab dem 26. Juli 2029 für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem Umsatz von über 450 Millionen EUR. Die Anpassung der CSDDD wird voraussichtlich zu einer Angleichung der Schwellenwerte im LkSG führen, sodass künftig nur noch größere Unternehmen unter die Sorgfaltspflichten fallen könnten.

  • Für Unternehmen mit komplexen Lieferketten schafft dies mehr Flexibilität bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten.
     

4. Erleichterungen beim elektronischen Berichtsformat

Die Anforderungen an die elektronische Berichterstattung werden reduziert, um die technische Umsetzung zu vereinfachen. Die Pflicht zur elektronischen Auszeichnung (Tagging) von Nachhaltigkeitsberichten wird ausgesetzt, bis die EU die entsprechenden Standards festgelegt hat. Die elektronische Berichterstattung im European Single Electronic Format (ESEF) wird jedoch verpflichtend, sobald die zugehörige Taxonomie verabschiedet wurde. Die technischen Anforderungen umfassen das XHTML-Format und die Verwendung von iXBRL für die digitale Auszeichnung und Verknüpfung mit den ESRS. Die Verantwortung für die digitale Aufbereitung des Lageberichts wird auf die Einhaltung von Mindestanforderungen beschränkt.

  • Weniger technische Hürden – gerade für Einrichtungen mit begrenzten IT-Ressourcen ein Vorteil.
     

5. Verschiebung der Berichtspflichten und Übergangsfristen

Die neuen Fristen schaffen mehr Zeit für die Umsetzung der Berichtspflichten. Unternehmen können ihre internen Berichtsprozesse entsprechend anpassen.

Für große Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden startet die Berichtspflicht erst ab 2027. Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden, die bisher berichtspflichtig waren, sollten ihre Vorgehensweise jetzt neu ordnen und strategisch prüfen, ob eine freiwillige Berichterstattung weiterhin sinnvoll bleibt.

  • Mehr Zeit für die Umsetzung – dies verschafft großen Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden die Möglichkeit, interne Strukturen frühzeitig an die neuen Anforderungen anzupassen.
     

Prüfung der Auswirkungen

Die geplanten Änderungen betreffen Unternehmen und Einrichtungen unterschiedlich stark – abhängig von ihrer Größe, bisherigen Berichtspflichten und der strategischen Ausrichtung. Geschäftsführungen sollten die Auswirkungen daher sorgfältig analysieren und ihre Berichtsstrategie entsprechend anpassen:
 

1. Große Unternehmen (> 1.000 Mitarbeitende):

Die Projektierung und Ressourcenplanung sollten frühzeitig geprüft werden, um sicherzustellen, dass die internen Kapazitäten zur Umsetzung der neuen Anforderungen ausreichen. Die Berichtspflicht bleibt bestehen – die neuen Anforderungen sollten frühzeitig in die internen Berichtsprozesse integriert werden. Insbesondere die Identifizierung der relevanten KPI sowie eine freiwillige Vorabberichterstattung sollten in Erwägung gezogen werden, um die Umsetzung zu erleichtern und mögliche Lücken frühzeitig zu schließen. Weitere Aspekte: 

  • Wesentlichkeitsanalyse zügig fortsetzen und finalisieren mit prüfungsfester Dokumentation
  • Abwägung frühzeitige Datenpunkterhebung vs. erwartete ESRS-Erleichterungen (Freiwilliger Bericht vor 2027?)
  • Konzentration auf quantitative Datenpunkte, insb. Treibhausgasinventarisierung
  • Bevorzugte Bearbeitung von ESRS E1, ESRS S1 sowie ESRS 2 und ESRS G1
     

2. Kleinere Unternehmen (< 1.000 Mitarbeitende):

  • Unternehmen, die aus der Berichtspflicht herausfallen, sollten prüfen, ob eine freiwillige Berichterstattung weiterhin sinnvoll ist.
  • Die freiwillige Anwendung des VSME-Standards kann dazu beitragen, Marktanforderungen und Erwartungen von Geschäftspartnern zu erfüllen.
  • Die Offenlegung nach der Taxonomie ist künftig freiwillig – die strategische Entscheidung zur Berichterstattung sollte unter Berücksichtigung der Erwartungen von Investoren und Fördergebern getroffen werden.
     

3. Bisher freiwillig Berichtende:

  • Unternehmen, die bisher freiwillig berichtet haben, sollten die neuen Erleichterungen nutzen, um die Berichtstiefe gezielt anzupassen.
  • Die geplante Überarbeitung der ESRS und die Fokussierung auf quantitative Angaben bieten die Möglichkeit, die Berichterstattung effizienter zu gestalten.
  • Die freiwillige Einhaltung der CSDDD-Vorgaben könnte als Wettbewerbsvorteil genutzt werden, um sich im Markt positiv zu positionieren.

Empfehlung: Die Geschäftsführung sollte die neuen Schwellenwerte und die Auswirkungen der Überarbeitung der ESRS sorgfältig prüfen und die Berichtsstrategie entsprechend anpassen, um Wettbewerbsvorteile zu sichern.
 

Erkenntnisse aus dem Webinar

Doppelte Wesentlichkeit: Die Innen- und Außenperspektive bleibt bestehen – Auswirkungen auf das Geschäft und die Umwelt müssen weiterhin berücksichtigt werden. Die Prüfung der Berichterstattung bleibt weiterhin auf eine begrenzte Prüfung beschränkt.

Aufbereitung der KPI: Insbesondere für ESRS E1 (Klima) und ESRS S1 (Arbeitnehmer) sollten die entsprechenden Kennzahlen weiterhin erfasst und das Berichtswesen ausgebaut werden.

VSME: Die freiwillige Anwendung bleibt eine strategische Option – insbesondere für Unternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten könnte die freiwillige Anwendung sinnvoll sein, um Markt- und Finanzierungsanforderungen zu erfüllen.

 

Autor
Autor

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß