Neues zum Konzernprivileg

In seinem Urteil vom 12. November 2024 – 9 AZR 13/24 – äußert sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) zum sogenannten „Konzernprivileg“, das es Konzernunternehmen erlaubt, untereinander Arbeitskräfte „auszuleihen“, ohne die Maßgaben des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) beachten zu müssen.


Der Fall

Der Kläger war zwischen 2008 und 2020 bei einem Tochterunternehmen der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilindustrie, als „Sitzefertiger“ beschäftigt. Seine gesamte Tätigkeit wurde ausschließlich auf dem Gelände des beklagten Unternehmens erbracht. Der Kläger war der Meinung, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem beklagten Unternehmen zustande gekommen sei, weil es sich um verbotene Arbeitnehmerüberlassung gehandelt habe. Das beklagte Unternehmen stellte sich auf den Standpunkt, dass zwischen ihm und der Tochtergesellschaft ein Werk- bzw. Dienstvertrag bestanden habe. Im Übrigen seien die Unternehmen konzernverbunden gewesen, sodass die Sonderregelung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG, eben das „Konzernprivileg“ eingreife. Demnach handelt es sich nicht um Arbeitnehmerüberlassung, wenn der überlassene Arbeitnehmer innerhalb eines Konzerns ausgeliehen wird und „nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird“.

Die beiden Vorinstanzen teilten diese Auffassung, die obersten deutschen Arbeitsrichter verwiesen den Rechtsstreit auf die Revision des Klägers an das Landesarbeitsgericht zurück.
 

Die Entscheidung

Das BAG stellte klar, dass der oben zitierte Wortlaut „eingestellt und beschäftigt“ so zu verstehen ist, dass das Konzernprivileg dann nicht greift, wenn ein Arbeitnehmer zur Arbeitnehmerüberlassung „eingestellt und/oder beschäftigt“ wird. Nach Ansicht des Gerichts soll damit verhindert werden, dass der Arbeitsvertrag eines Arbeitnehmers nachträglich geändert wird und er später ausschließlich an andere Unternehmen – und seien sie auch im Konzernverbund – überlassen wird. Der Anwendungsbereich des Konzernprivilegs beschränkt sich darauf, dass der Einsatz von Arbeitnehmern in einem Konzernunternehmen nicht „auf Dauer“ angelegt ist. Der „Fremdeinsatz“ darf insofern nur anlassbezogenen erfolgen. Als Indiz hierfür können die Befristungsgründe nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz herangezogen werden. Angesichts der zwölfjährigen Tätigkeit des Klägers im „Fremdunternehmen“ sei dieses Kriterium nicht erfüllt. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen, an den der Rechtsstreit zurückverwiesen wurde, hat nun zu prüfen, ob der Kläger in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert war und dessen Weisungen unterlag.
 

Praxis-Hinweis

Die Überlassung von Arbeitnehmern innerhalb eines Konzerns ist extrem weit verbreitet. Solange dies nur erfolgt, um beispielsweise Krankheitsausfälle zu kompensieren oder Auftragsspitzen abzufangen, dürfte das Konzernprivileg greifen. Die Befristungsgründe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes können hier die Einordnung erleichtern. Eine dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern im Konzern dürfte nicht möglich sein, wobei das Gericht offen lässt, wann der noch erlaubte Zeitraum überschritten ist.

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