Nationale Umsetzung und politische Diskussion
Am 17. Dezember 2024 forderte die Bundesregierung in einem Schreiben an die EU-Kommission eine Anhebung der Schwellenwerte und eine zweijährige Verschiebung der CSRD-Berichtspflicht, um die Belastung insbesondere für mittelständische Unternehmen zu reduzieren. Ein weiteres Schreiben mit ähnlichem Inhalt folgte am 3. Januar 2025 vom Bundeskanzler an die Präsidentin der EU-Kommission. Auch die Regierungen von Frankreich und Polen haben Anpassungen gefordert, um insbesondere mittelständische Unternehmen gezielt zu entlasten. Insbesondere fordern beide Staaten differenzierte Berichtspflichten, die Unternehmen mit begrenzten Ressourcen eine verhältnismäßige Umsetzung ermöglichen sollen. Dies zeigt, dass in der EU auf höchster politischer Ebene erhebliche Bedenken hinsichtlich der administrativen Belastung für Unternehmen bestehen. Gleichzeitig bleibt unklar, ob und in welchem Umfang den genannten Forderungen nachgegeben werden wird. Für Unternehmen bedeutet dies eine weiterhin unklare Rechtslage, die dennoch nicht zu einem kompletten Stillstand der eigenen Umsetzungsbemühungen führen sollte.
Reformbestrebungen auf EU-Ebene
Die EU-Kommission hat die wachsenden Bedenken hinsichtlich der Bürokratiebelastung aufgenommen und plant Vereinfachungen. Bereits im November 2024 kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Budapest-Erklärung eine sogenannte Omnibus-Verordnung an. Diese soll bestehende und künftige ESG-Berichtspflichten, darunter die CSRD, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und die EU-Taxonomie-Verordnung, bündeln. Ziel ist es, Redundanzen zu vermeiden und Berichtspflichten zu reduzieren, ohne die Kerninhalte der Regelwerke aufzugeben.
Ein erster Entwurf dieser Verordnung wird am 26. Februar 2025 erwartet. Ob dies zu einer spürbaren Erleichterung für Unternehmen führen wird, hängt von der konkreten Umsetzung und den finalen Anpassungen der Berichtspflichten ab – insbesondere im Hinblick auf Schwellenwerte und reduzierte Berichtsumfänge für bestimmte Unternehmensgrößen. Zudem ist unklar, wie nationale Gesetzgeber mit den Anpassungen umgehen und in welchem Zeitraum diese umgesetzt werden. Unternehmen sollten daher nicht nur die Entwicklung auf EU-Ebene beobachten, sondern auch frühzeitig mit ihren Abschlussprüfern und Beratern Szenarien zur möglichen Anpassung bestehender Berichtsprozesse entwickeln.
Außerdem stellte die Europäische Kommission am 29. Januar 2025 das Strategiepapier A Competitiveness Compass for the EU vor. Dieses hebt neben Innovations- und Dekarbonisierungsstrategien auch die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit für verschiedene Wirtschaftssektoren hervor. Für Unternehmen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft ist dies ebenfalls relevant, da sie zunehmend mit steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen und regulatorischen Vorgaben konfrontiert werden.
Das Strategiepapier zeigt Wege auf, wie Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsstrategie effizienter gestalten und sich langfristig auf veränderte Marktbedingungen vorbereiten können. Darüber hinaus betont das Strategiepapier die Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung als entscheidenden Faktor zur Reduzierung administrativer Belastungen für Unternehmen. Das angekündigte Omnibus Simplification Package zielt darauf ab, Berichtsanforderungen um mindestens 25 % zu reduzieren, für kleine und mittlere Unternehmen sogar um mindestens 35 %. Eine stärkere Ausrichtung der Berichtspflichten an den Bedürfnissen von Investoren sowie eine proportionale Gestaltung im Verhältnis zur Unternehmensgröße sind Kernpunkte dieser Reform. Die Kommission betont, dass eine Vereinfachung notwendig ist, um europäische Unternehmen international wettbewerbsfähig zu halten.
Als Ergänzung zu diesen Vereinfachungen hat die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) den Voluntary Sustainability Reporting Standard for non-listed SMEs (VSME) entwickelt. Dieser freiwillige Standard bietet kleinen und mittleren nicht börsennotierten Unternehmen eine proportionale und flexible Möglichkeit zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Er stellt insbesondere für Unternehmen, die nicht unter die CSRD fallen, eine praxisnahe Alternative dar.
Wichtige Handlungsfelder für Unternehmen
Angesichts der aktuellen Unsicherheiten bei der Umsetzung der CSRD stellt sich für Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft die Frage nach dem geeigneten Vorgehen. Die Verzögerungen und politischen Diskussionen könnten dazu führen, dass Unternehmen zögern, umfassende CSRD-Projekte zu starten. Während auf politischer Ebene Vereinfachungen diskutiert werden, sollten Unternehmen sich bereits jetzt auf zentrale Nachhaltigkeitsthemen fokussieren, die unabhängig von regulatorischen Entwicklungen von Bedeutung sind:
- Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse
Eine gründliche Wesentlichkeitsanalyse hilft dabei, die für das Unternehmen relevanten Nachhaltigkeitsthemen zu identifizieren. Dies bildet die Grundlage für eine effektive Nachhaltigkeitsstrategie, beeinflusst langfristige Unternehmensentscheidungen und erleichtert die spätere Berichterstattung. Für Unternehmen, die nicht direkt von der CSRD betroffen sind, kann der VSME-Standard als freiwilliger Orientierungsrahmen dienen. Er bietet eine modulare Struktur mit einem Basis- und einem umfassenden Modul, so dass Unternehmen je nach Bedarf zwischen grundlegenden und detaillierteren Offenlegungen wählen können. - Aufbau eines strukturierten Datenerfassungssystems
Unabhängig von spezifischen Berichtspflichten ist die Etablierung eines Systems zur Erfassung relevanter ESG-Daten essenziell. Ein erfolgreiches Beispiel ist die Implementierung eines zentralen ESG-Datenmanagementsystems, das Umwelt-, Sozial- und Governance-Kennzahlen automatisiert sammelt und auswertet. Dabei sollten Interdependenzen mit bestehenden Umwelt- und Energiemanagementsystemen wie ISO 14001, EMAS oder ISO 50001 berücksichtigt werden. Die hier bereits vorhandenen Daten und Prozesse können wertvolle Synergien für eine effiziente und belastbare Nachhaltigkeitsberichterstattung bieten. - Vorteile des VSME-Standards
Der VSME-Standard kann Unternehmen dabei helfen, standardisierte Nachhaltigkeitsinformationen bereitzustellen, die insbesondere für Banken, Versicherungen, Zuschussgeber sowie öffentliche Ausschreibungen von Interesse sind. Beispielsweise können Unternehmen durch die Anwendung des Basis-Moduls des VSME-Standards ihre ESG-Daten strukturiert dokumentieren, was die Kreditvergabeprozesse erleichtern und zu besseren Finanzierungskonditionen führen kann, insbesondere da eine standardisierte und vergleichbare Nachhaltigkeitsberichterstattung den Banken dabei hilft, ESG-Risiken besser zu bewerten.
Unternehmen sollten sich frühzeitig vorbereiten
Die genaue zukünftige Ausgestaltung der CSRD bleibt weiterhin ungewiss. Klar ist jedoch, dass die CSRD als EU-Recht in nationales Recht umgesetzt werden muss – ein Schritt, den viele Mitgliedstaaten bereits vollzogen haben. Unternehmen sollten daher die geplante Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts nicht hinauszögern, sondern konsequent vorantreiben. Dabei kann es hilfreich sein, branchenspezifische Schwerpunkte zu setzen. Während für große Gesundheitsunternehmen etwa Energieeffizienz und Emissionsreduzierung im Vordergrund stehen könnten, spielen für kleinere soziale Einrichtungen vor allem soziale Aspekte wie Mitarbeiterzufriedenheit und faire Arbeitsbedingungen eine zentrale Rolle. Die Priorisierung sollte sich auf Themen erstrecken, die auch unabhängig von der CSRD wirtschaftlich und strategisch sinnvoll sind – z. B. Energieeffizienzmaßnahmen, Mitarbeiterzufriedenheit und soziale Verantwortung. Insbesondere die frühzeitige Einbindung des Abschlussprüfers kann dazu beitragen, eine prüfungssichere Berichterstattung sicherzustellen und mögliche Herausforderungen bereits in der Planungsphase zu identifizieren, etwa die Konsistenz der ESG-Daten, die Integration bestehender Berichtssysteme oder die Erfüllung spezifischer Offenlegungspflichten.
Die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse bleiben wertvoll – sowohl zur Anpassung an regulatorische Vorgaben als auch zur langfristigen strategischen Positionierung von Gesundheits- und Sozialunternehmen. Unabhängig von einer gesetzlichen Verpflichtung kann eine freiwillige, maßvoll skalierte Nachhaltigkeitsberichterstattung sinnvoll sein. Sie ermöglicht es Unternehmen, Transparenz gegenüber Stakeholdern herzustellen, frühzeitig ESG-Themen in ihre Strategie zu integrieren und sich langfristig auf künftige Anforderungen vorzubereiten. Dies kann insbesondere für die Positionierung bei Investoren, Fördergebern oder öffentlichen Auftraggebern von Vorteil sein.
Fazit
Neue Entwicklungen, insbesondere politische Anpassungen auf EU- und nationaler Ebene, sollten weiterhin beobachtet werden, um sich frühzeitig auf mögliche Änderungen einzustellen. Strategisch kann der VSME-Standard eine wertvolle Hilfestellung bieten, indem Unternehmen zunächst mit dem Basis-Modul beginnen und später schrittweise auf das umfassende Modul ausweiten können. Dies erleichtert eine pragmatische Implementierung und hilft, erste Erfahrungen mit standardisierter Nachhaltigkeitsberichterstattung zu sammeln, bevor umfangreichere Offenlegungen erforderlich werden. Insbesondere für mittelständische Organisationen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft eröffnet der Standard die Möglichkeit, sich frühzeitig auf steigende Transparenzanforderungen vorzubereiten.