Nachhaltigkeit mit Augenmaß – Plädoyer für eine freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung

Kleine und mittelständische Unternehmen sind zwar auch zukünftig handelsrechtlich nicht verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, doch zunehmend legen verschiedene Stakeholder Wert auf die Vorlage eines Nachhaltigkeitsberichts. Insbesondere Banken und Investoren, aber auch Kooperationspartner, Kunden, Mitarbeiter und Bewerber fordern immer öfter einen Nachweis über Nachhaltigkeitsaktivitäten von Organisationen ein. So kann eine mittelbare Verpflichtung entstehen, Nachhaltigkeitsthemen zu bearbeiten und in einer Form der Berichterstattung für Stakeholder zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus bietet eine freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung auch Chancen: Informationen einer Organisation zu Nachhaltigkeitsthemen können in ganzheitliche Zukunftskonzepte eingebunden werden und Innovationspotenzial fördern, Wettbewerbsvorteile aufbauen und imageverbessernd wirken.


Gründe für einen freiwilligen Nachhaltigkeitsbericht

Mit der freiwilligen Nachhaltigkeitsberichterstattung bereiten sich Unternehmen vorausschauend auf mögliche, zukünftige Entwicklungen in diesem Bereich vor. Dadurch kann das eigene Engagement, sich an der nachhaltigen Gestaltung der Zukunft zu beteiligen, bestmöglich sichtbar gemacht werden.
 

Anforderungen der Stakeholder

Investoren, Banken (öffentliche Förderbanken, Sozialbanken, kirchliche Banken und private Banken) und Stiftungen, die als Kreditgeber fungieren und bei Projekten finanzielle Unterstützung anbieten, legen bei ihrer Entscheidung über die Mittelzusage ihren Fokus nicht mehr ausschließlich auf die finanzielle Situation der Organisation, sondern beziehen auch nicht-finanzielle Faktoren ein. Dabei wird Wert auf die Sicherung der Zukunftsfähigkeit der jeweiligen Organisation gelegt. Dazu gehört unter anderem das Thema Nachhaltigkeit mit seinen verschiedenen Facetten. Auch Fördermittelgeber (z. B. EU-Förderprogramme) verlangen zunehmend Nachhaltigkeitsinformationen zur antragstellenden Organisation. Außerdem kann es vorkommen, dass Kooperationspartner oder Kunden ihrerseits berichtspflichtig sind und dementsprechend Nachhaltigkeitsberichte einfordern: Dann spricht man vom Triple-Down-Effekt, d. h. Nachhaltigkeitsanforderungen werden von berichtspflichtigen Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette weitergereicht.
 

Wettbewerbsvorteile

Durch die Positionierung als verantwortungsbewusste Organisation, die sich das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben hat, wird die Wettbewerbsposition gestärkt bis hin zu Wettbewerbsvorteilen.
 

Soziale und gesellschaftliche Verantwortung

Vielen Menschen (z. B. Mitarbeitern, potenzielle Mitarbeitern, Kunden, Mandanten, Klienten und Bewohnern) ist die Übernahme sozialer Verantwortung durch Organisationen wichtig. Entsprechend kann ein freiwilliger Nachhaltigkeitsbericht mitunter weitreichende Auswirkungen auf ihre Entscheidungen haben. Auch der Auftrag der verfassten Kirche, Verantwortung für die Schöpfung von Mensch und Umwelt zu verkörpern, kann für konfessionelle Träger ein wesentlicher Beweggrund für eine Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsthemen sein.
 

Innovationspotenzial entdecken

Im Rahmen der Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsthemen entstehen oft neue Ideen, die als Innovationspotenzial genutzt und ausgebaut werden können. Auf diese Weise können neue Produkte, Dienstleistungen und Angebote (z. B. klimaneutrale Einrichtung, Digitalisierungsprojekte) entstehen.
 

Attraktivität als Arbeitgeber

Für Mitarbeiter und Bewerber nimmt die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit immer weiter zu. Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels gilt es, sich abzuheben und den Anforderungen gerecht zu werden. Eine freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung ist hier ein Aspekt, der im Rahmen der Mitarbeiterbindung und -gewinnung gut genutzt werden kann.
 

Risikoverständnis

Für das Management von Organisationen ist die Einschätzung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken von großer Bedeutung. Eine individuelle Definition dieser Risiken im Rahmen eines Nachhaltigkeitsberichts kann auch für kleine und mittelständische Organisationen ein wichtiger Erfolgsfaktor sein.
 

Reputation und Image

Durch eine freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung kann ein positives Unternehmensimage etabliert werden. Die Reputation der Organisation wird verbessert, was zu zahlreichen Vorteilen für Geschäftsbeziehungen, Verhandlungen mit Kreditgebern, Mitarbeiterbindung und -gewinnung etc. beitragen kann.
 

Ökonomische Effekte

Nicht zuletzt seien die positiven ökonomischen Effekte erwähnt, die zum Beispiel durch die Reduktion von Energiekosten, Einsparungen beim Bürobedarf oder auch im Rahmen der Mitarbeiterbindung und -gewinnung (Stichwort: Kosten für Personalakquise) erzielt werden können.
 

VSME-Standard

Der VSME (Voluntary Sustainability Reporting Standard for non-listed Micro-, Small- and Medium-sized Undertakings) der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) wurde für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung als Rahmenwerk für kleine und mittelgroße Unternehmen entwickelt. Der VSME-Standard bietet ebenfalls eine gute Orientierung für große Unternehmen, die im Rahmen des Omnibus-Verfahrens von der Verpflichtung zur CSRD-Berichterstattung (bis 1.000 Mitarbeiter) befreit werden sollen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit ein neuer bzw. angepasster Standard der EFRAG für diese Zielgruppe veröffentlicht wird. Bis dahin ist die Orientierung am VSME eine zielgerichtete Möglichkeit, sich weiterhin auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung vorzubereiten. Die Vorteile dieses freiwilligen Nachhaltigkeitsberichtsstandards sind:

  • Einfachere Dokumentation der Nachhaltigkeitsziele und -projekte
  • Orientierungsgeber im Bereich Nachhaltigkeitsberichterstattung
  • Basis für die Kommunikation mit den Stakeholdern
  • Strukturierte Informationsgrundlage für Verhandlungen (z. B. Kreditgeber, Auftragsnehmer)
  • Gezielte Auswahl an Themen und Anforderungen

Der VSME leitet durch die freiwillige Berichterstattung in Sachen Nachhaltigkeit und besteht aus drei Modulen:

  • Basis-Modul (Grundlagen)
  • Comprehensive-Modul (für Unternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte an Stakeholder geben müssen, z. B. an Investoren)
  • Geschäftspartner-Modul (Wesentlichkeitsanalyse notwendig)

In allen Modulen geht es um Nachhaltigkeitsinformationen zu Umweltthemen, sozialen Themen und Governance-Themen. Auch wenn die Wesentlichkeitsanalyse nicht zwingend für die Anwendung des VSME vorgeschrieben ist, ist es jedoch sinnvoll und empfehlenswert, sie auf freiwilliger Basis durchzuführen, da sie die strukturierte und transparente Identifikation von Nachhaltigkeitsthemen ermöglicht und damit eine Grundlage für das strategische Management bietet. Der finale Stand des VSME wurde im Dezember 2024 veröffentlicht, berücksichtigt dabei allerdings nicht die im Omnibus-Verfahren angestrebten Anpassungen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).

Kritiker sehen den VSME als zu komplex und kleinteilig an, um attraktiv für Unternehmen zu sein, die nicht berichtspflichtig in Bezug auf die Nachhaltigkeitsthemen sind. Dagegen spricht jedoch der Aspekt der Freiwilligkeit: Jedes Unternehmen entscheidet individuell, welchen Umfang und welche Detailtiefe die Berichterstattung haben soll. Bei der Entscheidung in Bezug auf die Detailtiefe spielen unter anderem vorhandene Ressourcen in der Organisation eine wichtige Rolle.
 

Umsetzung und Implementierung in die Organisation

Grundsätzlich hat die freiwillige Berichterstattung den Vorteil, dass mehr Gestaltungsspielraum genutzt werden kann, um zu entscheiden, über welche Themen und in welchem Umfang berichtet wird. Letztlich geht es darum, darzustellen, was von Seiten der Organisation getan wird, um die Umwelt zu schonen, und welche Bemühungen ergriffen werden, um soziale Standards zu etablieren und einzuhalten. Das Ziel sollte darin bestehen, für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung pragmatische Lösungen zu finden, die es ermöglichen, von den Vorteilen zu profitieren, ohne unverhältnismäßige Kosten zu verursachen.

Praxis-Hinweis

Die Vorbereitung auf die freiwilligen Nachhaltigkeitsberichterstattung erfordert zunächst folgende Schritte:

  • Durchführung einer vereinfachten Wesentlichkeitsanalyse
  • Status-quo-Analyse
  • Implementierung strukturierter Datenerfassung und Berichterstattung
  • Identifikation der Stakeholder-Interessen
  • Festlegung der Nachhaltigkeitsstrategie (langfristig)
  • Definition der Handlungsfelder

Aktuell begleiten wir gemeinsam mit unserem Kooperationspartner IMCOG GmbH eine Pilotgruppe zur Anwendung der VSME in der Sozialwirtschaft. Wenden Sie sich bei Interesse an einer Teilnahme oder an den Ergebnissen gerne an uns.

 

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Leitung Prozess- und Organisationsoptimierung
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Wirtschaftsprüfer, Partner, Leitung Grundsatzabteilung, Leitung KompetenzTeam Krankenhäuser

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