Kündigungsschutz - Wann muss die die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden?
Der Bundestag hat am 1. Dezember 2016 das Bundesteilhabegesetz (BTHG) beschlossen, welches am 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist. Ziel des BTHG ist es, die Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen zu stärken. Von der Praxis erst nach und nach bemerkt, wurde bereits in der ersten Reformstufe der Kündigungsschutz von Menschen mit Schwerbehinderung durch eine Ausweitung der Rechte der Schwerbehindertenvertretung deutlich gestärkt.
Das BTHG sieht unter anderem eine Änderung des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) vor, das die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen regelt. Im Zuge der Gesetzesänderung wird § 95 SBG IX ab dem 1. Januar 2018 zu § 178 SGB IX. Bereits ab dem 1. Januar 2017 erhält § 95 SGB IX aber in Absatz 2 einen neuen Satz 3, der vorsieht, dass die Kündigung eines Menschen mit Schwerbehinderung, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, unwirksam ist. Die formalen Anforderungen an eine wirksame Kündigung sind damit seit dem 1. Januar 2017 erheblich gestiegen. So müssen bei Bestehen einer Schwerbehindertenvertretung und eines Betriebsrats (Mitarbeitervertretung) bei der beabsichtigten Kündigung eines Menschen mit Schwerbehinderung mindestens drei Verfahren durchgeführt werden, nämlich
- die Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes,
- die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bzw. der Mitarbeitervertretung und
- die ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung.
Fraglich war bislang, in welcher zeitlichen Reihenfolge der Arbeitgeber die vorgenannten Verfahren, insbesondere die notwendige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, durchführen muss. In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht nun zu dieser Frage Stellung genommen (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 AZR 378/18). Dabei kam das BAG zu dem Ergebnis, dass die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses eines Menschen mit Schwerbehinderung, die ein Arbeitgeber ohne Anhörung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, zwar gemäß § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der vom 30. Dezember 2016 bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (seit 2018: § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX) grundsätzlich unwirk- sam ist. Die Kündigung ist allerdings nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung entgegen § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a. F. (seit 2018: § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) nicht unverzüglich über seine Kündigungsabsicht unterrichtet oder ihr das Festhalten an seinem Kündigungsentschluss nicht unverzüglich mitgeteilt hat, sondern vielmehr die Schwerbehindertenvertretung erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem Integrationsamt und nach Anhörung des Betriebsrats beteiligt habe.
Fazit zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung
Das Bundesteilhabegesetz stärkt die Rechte von Menschen mit Schwerbehinderung insbesondere im Zusammenhang mit Kündigungen. Arbeitgeber müssen zukünftig vor Ausspruch einer Kündigung zusätzlich die Information und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung sicherstellen. Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Kündigung jedoch nicht alleine deshalb unwirksam, wenn der Arbeitgeber erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem Integrationsamt und Anhörung des Betriebsrats die Schwerbehindertenvertretung beteiligt.