Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen: Herausforderungen, Perspektiven und rechtliche Bedenken

Die Krankenhausplanung Nordrhein-Westfalen (NRW) steht vor der Finalisierung. Anders als zu Beginn der Planung ist die finanzielle Situation vieler Krankenhäuser in NRW mittlerweile äußerst angespannt. Viele Krankenhäuser werden in naher Zukunft kaum in der Lage sein, notwendige Zukunftsinvestitionen, die mit der neuen Krankenhausplanung unzweifelhaft erforderlich sein werden, zu refinanzieren.


Laut dem Solidaris-Betriebsvergleich für Krankenhäuser ist in Bezug auf NRW festzustellen, dass die Krankenhäuser für das Jahr 2023 im Durchschnitt einen Jahresfehlbetrag von rund 900 TEUR ausweisen, nach einem Fehlbetrag von 87 TEUR im Vorjahr und einem Jahresüberschuss von 650 TEUR im Jahr 2021. Das Jahresergebnis ist also in der Branche deutlich zurückgegangen. Die faktische wirtschaftliche Entwicklung lässt sich beurteilen, wenn man das Jahresergebnis um das sogenannte neutrale Ergebnis (vor allem außerordentliche und periodenfremde Erträge und Aufwendungen) bereinigt. Hier zeigt sich, dass für die Jahre 2023 und 2022 neutrale positive Ergebnisse von durchschnittlich rund 2.200 TEUR ausgewiesen wurden. Auf der anderen Seite betragen die operativen Verluste für 2022 rund 2.300 TEUR und für 2023 rund 3.100 TEUR. Die bemerkenswert positiven neutralen Ergebnisse gehen ganz wesentlich auf das Jahr 2020 zurück. Im ersten Jahr des Corona-Schutzschirms wurde vielfach aufgrund nicht abgeschlossener Budgetvereinbarungen (insbesondere in Bezug auf das eingeführte Pflegebudget) in den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen Risikovorsorge unter anderem in Form entsprechender Rückstellungen erfasst. Es ist davon auszugehen, dass diese Risikovorsorge über die letzten beiden Jahre wieder „aufgelöst“ wurde, so dass für realistische Planungsrechnungen der Startpunkt für 2024 das operative Ergebnis 2023 sein sollte.

Die Gründe für den genannten hohen durchschnittlichen operativen Fehlbetrag sind vielfältig: Sowohl der Rückgang der Fallzahl um durchschnittlich gut 12 % im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 als auch die unzureichende Investitionskostenfinanzierung durch das Land, nicht refinanzierte tarifbedingte Personalkostensteigerungen, vermehrte krankheitsbedingte Personalausfälle sowie nicht ausgeglichene inflationsbedingte Preissteigerungen belasten die Krankenhäuser stark.

Die EBITDA-Marge, ein wichtiger Indikator für die Innenfinanzierungskraft der Krankenhäuser, lag 2023 in unserem Krankenhaus-Betriebsvergleich für NRW bei durchschnittlich nur 0,9 % – und damit weit entfernt von einer individuell als notwendig erachteten Mindest-EBITDA-Marge.
 

Bisherige Ergebnisse der Krankenhausplanung NRW

Der neue Krankenhausplan NRW, der mit dem Erlass der Feststellungsbescheide bis Ende des Jahres 2024 finalisiert werden wird, bringt wesentliche Neuerungen mit sich. Dazu gehört vornehmlich die Einführung von Leistungsgruppen zur teils kleinteilig differenzierenden Planung insbesondere höher spezialisierter Leistungen verschiedener medizinischer Fachgebiete. Etwa die Hälfte der Leistungsgruppen werden nach der Systematik in NRW nach Diagnosen und Prozeduren den Fällen zugeordnet.

Bei den restlichen Leistungsgruppen erfolgt die Zuordnung über die entlassende Fachabteilungsbezeichnung. Für alle Leistungsgruppen sind personelle, apparative oder auch organisatorische Merkmale als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Leistungserbringung festgelegt. Viele Leistungsgruppen setzen darüber hinaus die Vorhaltung weiterer inhaltlich korrespondierender Leistungsgruppen am Standort voraus. Neben der Bedarfsgerechtigkeit und der Erreichbarkeit der Versorgung hat das Ministerium für Arbeit Gesundheit und Soziales des Landes NRW (MAGS NRW) also eine Vielzahl teils interdependenter und komplexer Qualitätsvorgaben bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen.

Die bisherigen Ergebnisse zeigen eine differenzierte Zustimmung des MAGS NRW zu den insgesamt über 6.800 beantragten Leistungsgruppen. Während beispielsweise für die Intensivmedizin und die allgemeine Innere Medizin hohe Zustimmungsraten von über 90 % vorliegen, gibt es bei spezialisierten Bereichen wie der Viszeralchirurgie und der Endoprothetik deutlich niedrigere Zustimmungsquoten, die zwischen 20 % und 55 % je nach Planungsregion variieren. Insgesamt konnten etwa 50 % der beantragenden Standorte eine vollständige Zustimmung des MAGS NRW zu ihren Anträgen verzeichnen. Einzelne Standorte mussten die Streichung klinisch und ökonomisch relevanter Portfoliosegmente insbesondere in den Bereichen der invasiven Kardiologie, der Endoprothetik und der Wirbelsäulenchirurgie hinnehmen. Lediglich 17 Standorte gingen komplett ohne Zuteilung einer Leistungsgruppe aus oder verschwanden im Planungszeitraum in der ursprünglichen unternehmerischen Aufstellung vom Markt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Träger in Teilen wesentliche, auch für das zukünftige ökonomische Ergebnis relevante Einschnitte hinnehmen mussten. Eine große Strukturbereinigung als Folge der Krankenhausplanung ist jedoch erwartungsgemäß nicht zu beobachten.
 

Rechtliche Lage und Rechtsschutz

Der neue Krankenhausplan NRW bringt erhebliche rechtliche Herausforderungen für die Krankenhäuser mit sich. Besonders problematisch ist der Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen planerische Entscheidungen gemäß § 16 Abs. 5 KHGG NRW. Dies bedeutet, dass auch potenziell rechtswidrige Entscheidungen sofort gelten. Für Krankenhäuser, deren Versorgungsauftrag beschränkt wird, ergibt sich eine besonders prekäre Situation:

  •  Sofortwirkung: Nach unserem Kenntnisstand geht die Planungsbehörde davon aus, dass für Beschränkungen des Versorgungsauftrags keine Umsetzungsfrist greift. Der bisherige Versorgungsauftrag soll mit Bekanntgabe des Feststellungsbescheides enden.
  • Eilrechtsschutz: Zwar kann die aufschiebende Wirkung im Einzelfall durch ein Eilverfahren angeordnet werden. Die rechtlichen Hürden sind jedoch nicht gering, da entweder die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Entscheidung oder schwere, nicht rückgängig zu machende Nachteile nachgewiesen werden müssen.
  • Zeitfaktor: Selbst Eilverfahren dauern in der Regel 5 bis 12 Monate, Hauptsacheverfahren 3 bis 7 Jahre.
     

Die Konsequenzen der genannten „Sofortwirkung“ wären gravierend:

  •  sofortige Einstellung betroffener Versorgungsleistungen,
  • Verlegung von Patienten ohne adäquate Vorplanung,
  • Abwicklung von Vertragsbeziehungen trotz möglicher rechtlicher Hindernisse,
  • wirtschaftliche Schäden durch Abbau und ggf. späteren Wiederaufbau von Strukturen,
  • Gefahr irreversibler Beeinträchtigungen der Versorgung.

Nach der Übergangsregelung in § 16 Abs. 3 Satz 1 KHGG NRW ist der Versorgungsauftrag nach Leistungsbereichen und Leistungsgruppen innerhalb von zwölf Monaten nach Bekanntgabe des Bescheides umzusetzen. Allerdings erschließt sich nicht, wieso diese Regelung nicht auch für die Reduzierung von Versorgungsaufträgen gelten soll. Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck sprechen für ihre Anwendbarkeit. Selbst wenn die Planungsbehörden insoweit plausible Argumente vorbringen würden, dürften sie die verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Auslegung von Gesetzen nicht missachten. Da aber der Grundsatz gilt, dass mit Blick auf die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit Übergangsregelungen aus Gründen des Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich notwendig sind, wäre eine solche Auslegung rechtlich nur schwierig durchzuhalten.

Verfassungsrechtlich betrachtet kann auf Übergangsregelungen nur ausnahmsweise verzichtet werden, zum Beispiel weil eine Übergangsregelung die Gesundheit der Bevölkerung akut gefährden würde. Sie werden vor allem nicht dadurch entbehrlich, dass die Krankenhäuser bereits Anhörungsschreiben erhalten haben. Vor allem Krankenhäusern, die ökonomisch und klinisch relevante Portfoliosegmente verloren haben und Betriebsabläufe ressourcenintensiv verändern müssen (z. B. invasive Kardiologie, Endoprothetik und Wirbelsäulenchirurgie), ist zu empfehlen, sich auf den Wegfall der Übergangszeit nicht einzulassen.

Das vom Ministerium angeführte Ziel einer einheitlichen Verfahrensweise rechtfertigt nicht derart gravierende Eingriffe in die Rechte der Krankenhäuser. Unsere Empfehlungen für Krankenhäuser lauten deshalb:

  1. Frühzeitige rechtliche Prüfung
    Bereits auf Basis des Anhörungsschreibens sollten alle Konsequenzen der angekündigten Planungsentscheidung durchdacht und Rechtsschutzmöglichkeiten geprüft werden.
  2. Vorbereitung auf Eilrechtsschutz
    Angesichts der Sofortwirkung der Feststellungsbescheide sollten Krankenhäuser frühzeitig die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes prüfen und vorbereiten.
  3. Kurze Fristen beachten
    Für den gerichtlichen Rechtsschutz (Hauptsacheverfahren und vorläufiger Rechtsschutz) besteht eine kurze Frist von einem Monat. Die Zeithorizonte sind somit auch für Berater eng und verkürzen sich weiter, je mehr Krankenhäuser Rechtsschutz in Anspruch nehmen möchten. Zudem kann sich die Auswahl der Berater durch Interessenkonflikte verkleinern und Engpässe auslösen.
  4. Unterlagen, Dokumentation
    Es sollten für den Rechtsschutz möglichst frühzeitig alle erforderlichen Unterlagen zusammengetragen und alle Schritte sowie mögliche Schäden durch die Planungsentscheidung dokumentiert werden.
  5. Alternative Szenarien
    Es sollen Handlungsoptionen sowohl für den Fall des Erfolgs als auch des Misserfolgs im Rechtsschutzverfahren entwickelt werden.

Es bleibt abzuwarten, ob die Planungsbehörden angesichts der rechtlichen Bedenken und der praktischen Probleme ihre Position zur Umsetzungsfrist überdenken werden. Die Krankenhäuser sollten sich jedoch auf alle Eventualitäten vorbereiten und ihre Rechte aktiv wahrnehmen.

Ausblick auf das KHVVG

Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) des Bundes wird voraussichtlich weitere Veränderungen für die Krankenhauslandschaft mit sich bringen. Wesentliche systematische Unterschiede zur NRW-Krankenhausplanung zeichnen sich bereits ab:

  • Einführung neuer Leistungsgruppen (z. B. Infektiologie, spezielle Unfallchirurgie und spezielle Kinder- und Jugendchirurgie)
  • Abweichende Definition der Leistungsgruppen und neue Zuordnung von Fallmengen durch einen neuen Leistungsgruppen-Grouper, der alle Fälle eindeutig nach Kriterien wie zum Beispiel Diagnosen und Prozeduren den Leistungsgruppen zuordnet.
  • Einführung von Mindestvorhaltemengen für jede Leistungsgruppe als ergänzendes Merkmal neben den Strukturqualitätsmerkmalen.

Die Kombination aus zusätzlichen Leistungsgruppen, geänderter Definition und Mindestvorhaltemengen wird im Wechselspiel mit den bereits in der NRW-Systematik relevanten Kriterien zu einer deutlich abweichenden Zuteilung von Leistungsgruppen und Fallmengen zu einzelnen Standorten führen. Dies erklärt auch, warum die von den Bundesländern geforderte Auswirkungsanalyse ohne den neuen Grouper nicht einmal grob näherungsweise erfolgen kann.

Fazit

Die Krankenhausplanung in NRW und die Auseinandersetzung mit der hier erstmals eingesetzten Leistungsgruppensystematik stellt einen wichtigen Schritt zur Vorbereitung auf das KHVVG dar. Viele Länder machen sich aktuell auf den Weg, um auf der Basis entsprechender Bedarfsanalysen ebenfalls eine systematisch auf Leistungsgruppen aufsetzende Krankenhausplanung zu etablieren. Dies steht nicht im Widerspruch zum kommenden KHVVG, da die Länder die dort vorgesehene Systematik zwar planerisch nutzen können, aber nicht müssen. Abweichende Systematiken der Länder entbinden diese jedoch nicht von der zukünftigen Pflicht, die Leistungsgruppen des KHVVG als Abrechnungssystematik zuzuweisen. Auch für NRW markiert die beinahe abgeschlossene Krankenhausplanung daher mutmaßlich erst den Beginn umfangreicher Restrukturierungen im Krankenhaussektor, die das KHVVG und die weiteren noch zu erwartenden Reformen mit sich bringen werden. 

Für alle Krankenhäuser bedeuten die Fallzahlrückgänge seit der Corona-Pandemie, die Finanzierungslücken in Bezug auf die Investitionskostenfinanzierung und die Inflation sowie die zahlreichen teils grundlegenden Gesundheitsreformen eine Phase tiefgreifender Veränderungen. Sie müssen ihre Strategien überdenken, Kooperationen prüfen und möglicherweise schmerzhafte Anpassungen vornehmen. Gleichzeitig bietet eine Neustrukturierung immer auch Chancen für eine effizientere und bedarfsgerechtere Versorgung.

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Leitung Geschäftsfeld Strategie und Geschäftsfeldentwicklung
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Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner, Niederlassungsleitung Köln, Leitung KompetenzTeam Krankenhäuser

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