Kostenlose Umplanung durch Baukostenobergrenze
Für die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze ist es ausreichend, wenn der Auftraggeber bereits vor Vertragsschluss erklärt, eine gewisse Bausumme stelle die „absolute Obergrenze“ dar. Kosten, die durch Änderungswünsche des Bauherren entstehen, hat der Architekt an anderer Stelle zu kompensieren. Ein Honoraranspruch steht ihm hierfür nicht zu, so das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) in einem Urteil vom 28. November 2017 – 10 U 68/17 –, das noch viel Beachtung finden dürfte.
Der Fall: Auf Grundlage einer klaren Kostenbasis von 238 TEUR einschließlich aller Baunebenkosten schließt der Bauherr einen Architektenvertrag. Der Architekt beziffert alsbald die Baukosten ohne Nebenkosten nahe der ihm bekannten Obergrenze mit 220 TEUR. Darauf antwortet der Bauherr via Email: „Autsch!“, weist aber darauf hin, dass die genannten 220 TEUR auf keinen Fall überschritten werden dürften, und äußert zugleich den Wunsch nach einem bislang noch nicht geplanten zusätzlichen Zimmer. Die daraufhin vorgelegte Kostenberechnung des Architekten beläuft sich auf über 240 TEUR. Der Bauherr verlangt unter Fristsetzung vom Architekten, die ursprüngliche Obergrenze von 238 TEUR einzuhalten. Danach kündigt er aus wichtigem Grund. Die Parteien streiten unter anderem über das Vorliegen einer Kostenobergrenze, das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes sowie um das Honorar für die Umplanung. Beide Parteien legten vor dem OLG Berufung ein.
Das OLG sah die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze als Vertragsgrundlage für gegeben an. Hierfür sei es ausreichend gewesen, dass der Bauherr bereits vorvertraglich den Architekten über seine finanziellen Mittel aufgeklärt habe.
Insbesondere sei dem Architekten bekannt gewesen, dass eine Nachfinanzierung wegen Kosten-überschreitung nicht möglich war. Die Parteien hätten demnach eine Baukostenobergrenze als Beschaffenheitsvereinbarung i. S. d § 633 Abs. 2 S. 1 BGB geschlossen. Indem der Bauherr sich – trotz der „Autsch“-Äußerung – mit einer Planung zu 220 TEUR einverstanden erklärt hatte, sei diese ursprüngliche Baukostenobergrenze aufgehoben worden. Doch damit hatten die Parteien nach Auffassung der Stuttgarter Richter erneut eine verbindliche Baukostenobergrenze vereinbart, da der – hier wohl äußerst gewissenhaft kommunizierende – Bauherr erneut seine finanziellen Belastungslinien explizit und unwidersprochen dargelegt hatte. Da der Architekt jedoch auch diese Kostenobergrenze mit seiner letzten Berechnung von 240 TEUR überschritten habe, lag, so das OLG, zwar ein wichtiger Kündigungsgrund nach § 314 BGB vor, jedoch keine mangelhafte Planung. Doch konnte der Bauherr wieder auf seine ursprüngliche Kostenobergrenze von 238 TEUR zurückspringen? Ja und Nein. Der Bauherr durfte seine alte Baukostenobergrenze wieder als für den Architekten beacht¬lichen Maßstab nennen, eine verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung sei aber nunmehr nicht mehr zwischen den Parteien konkludent vereinbart worden. Folglich habe der Architekt auch weiterhin gegen die Kostenvorgaben in kündigungswürdiger Weise verstoßen.
Durfte aber der Architekt nicht die Mehrkosten der Umplanung nach HOAI als „besondere Leistungen“ ersetzt verlangen, zumal hier die Planänderungswünsche nach Abschluss der beiden „Entwurfs-leistungsphasen“ 1 und 2 nach HOAI erfolgt waren? Nein, so das OLG: Der Architekt sei gerade aufgrund der kostensteigernden Änderungswünsche verpflichtet gewesen, eine die Baukosten einhaltende und somit kompensierende Alternativplanung zu betreiben. Der Architekt hätte auch darauf hinweisen müssen, dass die Änderungswünsche zu Mehrkosten führen. Es sei die Aufgabe des Architekten, das Planungs-ergebnis so zu beeinflussen, dass der Kostenrahmen eingehalten werden könne. Auch in den Leistungs-phasen 3 und hier Beginn 5, so das OLG, könne vom Architekten eine kostenfreie Alternativplanung verlangt werden, da noch nicht alle Entscheidungen bezüglich des Bauvorhabens getroffen seien. Ferner, so der Senat, sehe die HOAI Alternativplanungen des Architekten ohne gesonderten Honoraranspruch vor, bis Einigkeit zwischen Bauherr und Architekten herrsche.
Das Urteil verdient Lob und Kritik gleichermaßen. So ist es zu begrüßen, dass das OLG für das Vorliegen einer verbindlichen Baukostenobergrenze die klaren vorvertraglichen Darlegungen des Bauherren genügen lässt. Die im Urteil festgestellten hieraus resultierenden umfassenden Pflichten des Architekten zur Beachtung der Baukostengrenzen schaffen für beide Seiten mehr Klarheit. Auch die Ausführungen zum Kündigungsgrund nach § 314 BGB dürften weit über den Fall Beachtung finden. Vor allem auf Seiten der Architekten werden aber die Ausführungen zur vergütungsfreien Kompensationsplanung auf Kritik stoßen. Zu Recht weist aber das OLG darauf hin, dass dem Architekten genau die Aufgabe zufalle, die Planungs-wünsche des Bauherren unter Einhaltung des Kostenrahmens zu erfüllen, auch wenn diese nach den Entwurfsphasen erfolgen.
Fazit Baukostenobergrenze
Das Urteil ist für die Praxis überaus bedeutsam, bildet es doch geradezu archetypische Abstimmungsprozesse zwischen Bauherr und Architekt insbesondere bei Sonderbauten in der Sozialwirtschaft und Wohlfahrtspflege ab. Es zeigt auf, wie unabdingbar aus Bauherrensicht eine klare Kommunikation der finanziellen Rahmenbedingungen gegenüber dem Architekten ist (Vertragsgestaltung!). Nur so vermag man später seine Position gestärkt vertreten zu können. Auch ist es aus Bauherrensicht zu begrüßen, dass die Pflichten des Architekten zur Alternativplanung ohne Honoraranspruch gleichsam „nach hinten“ geschoben werden. Die Praxis zeugt bislang vom Gegenteil. Bereits in den Leistungsphasen 1 und 2 neigen viele Architekten dazu, allzu leichtfertig eine kostenauslösende Änderungsplanung aufgrund geänderter Anforderungen anzunehmen. Das Urteil zeigt darüber hinaus lehrbuchhaft, wie überaus erfolgreich eine kosten- und planungskritische Bauherrenkommunikation sein kann.