Kopftuchverbot für Krankenschwester in einem evangelischen Krankenhaus
Loyalitätsrichtlinie der evangelischen Kirche
Das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) hat sich mit den Loyalitätspflichten der Arbeitnehmer in kirchlichen Arbeitsverhältnissen befasst (Urteil vom 8. November 2018 –18 Sa 639/18). Die Klägerin ist muslimischen Glaubens und seit 1996 als Krankenschwester in einer gemeinnützigen Krankenhaus-GmbH tätig. Alleinige Gesellschafterin der GmbH ist eine evangelische Stiftung. Die Gesellschaft ist dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen.
In dem Arbeitsvertrag der Klägerin aus dem Jahr 2000 wird der Bundes-Angestellten-Tarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF) zum Vertragsinhalt gemacht, welcher die „Loyalitätsrichtlinie“ der evangelischen Kirche (RL-EKD) in seinen Anwendungsbereich einbezieht. Diese fordert von nicht-christlichen Mitarbeitern im kirchlichen Dienst ein neutrales Verhalten gegenüber der evangelischen Kirche.
Kopftuchverbot trotz Religionsfreiheit?
Nach längerer Abwesenheit aufgrund von Elternzeit und Arbeitsunfähigkeit erklärte die Klägerin, dass sie ihre Arbeit zukünftig mit einem islamischen Kopftuch verrichten wolle, und berief sich auf ihre Religionsfreiheit sowie ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht. Das Krankenhaus lehnte ab und verwies auf seine konfessionelle Trägerschaft. Die Klägerin akzeptierte dies nicht und klagte zunächst vor dem Arbeitsgericht Bochum, welches die Klage abwies.
Verpflichtung zu neutralem Verhalten
Die Berufungsinstanz bestätigte die Entscheidung des Gerichts mit einer umfangreichen Begründung. Die Abwägung der Interessen unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechte führte zu dem Ergebnis, dass das Tragen eines Kopftuches als Krankenschwester nicht mit der Verpflichtung zu neutralem Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche in Einklang steht.
Das Krankenhaus sei eine kirchliche Einrichtung, die am Auftrag der Kirche teilnimmt. Die Gesellschafterin, der Gesellschaftsvertrag und die Mitgliedschaft im diakonischen Werk würden ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeit der evangelischen Kirche gewährleisten, so dass sich das Kranken-haus auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berufen könne.
Ökonomische Gesichtspunkte seien nachrangig, da keine Gewinnentnahmen vorgenommen würden und die Jahresüberschüsse lediglich der Bestandserhaltung dienten. Die Kirche dürfe ihre Loyalitätspflichten bis zur Grenze des Willkürverbotes und des Verstoßes gegen die guten Sitten selbst festlegen, dies gelte auch für das hier maßgebliche Neutralitätsgebot für nichtchristliche Mitarbeiter. Das Krankenhaus müsse keine Glaubensäußerungen zugunsten anderer Religionen in seiner Einrichtung zulassen. Dabei fiele besonders ins Gewicht, dass die Klägerin in ihrer Funktion als Krankenschwester in direktem und ständigem Kontakt zu den in der Einrichtung der Beklagten behandelten Patienten und zu anderen Arbeitnehmern stehe. Die Glaubensbekundung der Klägerin für den Islam würde von diesen unmittelbar als solche wahrgenommen.
Arbeitsrechtliche Einhaltung
Auch liege kein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor, da die Einhaltung der Neutralitätspflicht, eine „wesentliche, rechtmäßige, gerechtfertigte und verhältnismäßige berufliche Anforderung“ darstelle und andernfalls das christliche Ethos der Beklagten in einem Kernbereich beeinträchtigt und damit der Verkündigungsauftrag der Kirche und deren Glaubwürdigkeit ernsthaft gefährdet wäre.
Kirchliches Selbstbestimmungsrecht
Die Entscheidung macht deutlich, dass sich kirchliche Einrichtungen nach wie vor auf ihr kirchliches Selbstbestimmungsrecht berufen können, wenn es um die Bekundung anderer Glaubensvorstellungen durch Mitarbeiter in ihren Einrichtungen geht. Es handelt sich jedoch um eine Abwägung der Grundrechte der Beteiligten im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Tätigkeit. Möglicherweise wäre die Entscheidung anders ausgefallen, wenn die Klägerin eine Backoffice-Tätigkeit ausgeübt hätte, da das Gericht dem Umstand des direkten und ständigen Patientenkontakts eine besondere Bedeutung zugemessen hat.