Kirchliche Dienstvereinbarungen im Dienstverhältnis wirksam

Ihr Sinn und Zweck ist es, aus Gründen der Rechtssicherheit klarzustellen, dass Ansprüche aus dem   Arbeitsverhältnis nicht endlos bestehen. Traditionell regeln kirchliche  Arbeitgeber die Arbeitsbedin-gungen in ihrem Bereich auf dem sogenannten „Dritten Weg". Das bedeutet, dass nicht der Arbeitgeber allein oder Tarifvertragsparteien die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen für Beschäft

Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen - Nachweis einer Ausschlussfrist nicht ausreichend!

Ihr Sinn und Zweck ist es, aus Gründen der Rechtssicherheit klarzustellen, dass Ansprüche aus dem   Arbeitsverhältnis nicht endlos bestehen. Traditionell regeln kirchliche  Arbeitgeber die Arbeitsbedin-gungen in ihrem Bereich auf dem sogenannten „Dritten Weg". Das bedeutet, dass nicht der Arbeitgeber allein oder Tarifvertragsparteien die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen für Beschäftigte  der Kirchen festlegen, sondern paritätisch besetzte Gremien. Diese Arbeitsrechtsregelungen werden durch Bezugnahme in den Arbeitsverträgen zum Inhalt der Arbeitsverhältnisse gemacht.  

Eingeschlossen werden auf diese Weise bisher auch die sogenannten Ausschlussfristen. Inhaltlich  entsprechen diese Arbeitsrechtsregelungen weitgehend Tarifverträgen. Rechtstechnisch handelt es  sich jedoch um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB).  Unstreitig ist, dass  Ausschlussfristen  wegen ihrer einschneidenden Wirkung „wesentliche Arbeitsbedingungen" im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1  Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (NachwG) darstellen. Im NachwG ist geregelt, dass der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach  dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen dem Arbeitnehmer unterschrieben aushändigen muss.

In § 2 Abs. 3 NachwG ist klargestellt, dass stattdessen im Arbeitsvertrag auch auf Tarifverträge oder  Betriebs- oder Dienstvereinbarungen Bezug genommen werden kann. Darauf beziehen sich bisher  auch kirchliche Arbeitgeber und verweisen in ihren Arbeitsverträgen auf die Arbeitsvertragsrichtlinien. Nach einer aktuellen Entscheidung des 6. Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil  vom 30.   Oktober 2019–6AZR  465/18) genügt zum Nachweis einer Ausschlussfrist jedoch die einzelvertragliche  bloße  Bezugnahme  im  Arbeitsvertrag auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen (z.B.   AVR-Caritas) nicht. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:Der Kläger war bei einer katholischen  Kirchengemeinde als Küster und Reinigungskraft  beschäftigt. Der Arbeitsvertrag nahm Bezug auf die  Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO).

Diese sieht in § 57 eine sechsmonatige einstufige Ausschlussfrist vor.  Der Kläger machte  Differenzvergütungsansprüche wegen angeblich fehlerhafter Eingruppierung geltend. Die Beklagte  verweigerte die Erfüllung dieser Ansprüche unter Berufung auf die Ausschlussfrist. Der Kläger stellte  die Wirksamkeit der Fristenregelung in Abrede und verlangt hilfsweise Schadensersatz, den er unter  anderem darauf stützte, dass ihm die Beklagte die Ausschlussfrist nicht hinreichend nachgewiesen  habe. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab. Dagegen legte der Kläger Revision ein. Die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) war erfolgreich. Ein etwaiger Erfüllungsanspruch auf die  Differenzvergütung wäre zwar verfallen, da die Inbezugnahme der KAVO auch deren Ausschlussfrist  umfasse  und  diese  wirksam  den Verfall  von  Entgeltansprüchen  anordne, die wie vorliegend den gesetzlichen Mindestlohn überstiegen.

Dem Kläger könnte jedoch ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Nachweisgesetzes  zustehen.  Bei  kirchlichen  Arbeitsrechtsregelungen handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedin-gungen, welche als „ähnliche Regelungen" nach dem Willen des Gesetzgebers nur im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 bis 9 und § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 sowie gemäß § 3 Satz  2 NachwG bei Änderungen der kirchlichen Regelungen erleichterten Nachweismöglichkeiten unterliegen sollen.

Der Nachweis der Ausschlussfrist bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses werde von  diesen  Erleichterungen nicht erfasst. Nach  Auffassung des 6. Senats genügt die bloße Inbezugnahme der kirchlichen Arbeitsrechtsregelung für den danach erforderlichen Nachweis nicht. Auch ein  sogenannter qualifizierter Nachweis nach § 2 Abs. 3 Satz 1 NachwG, wonach sich die Ausschlussfrist nach der kirchlichen Arbeitsrechtsregelung  richte, sei nicht ausreichend, weil der abschließende Katalog dieser Bestimmung Ausschlussfristen nicht erfasse.

Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen - Nachweis einer Ausschlussfrist nicht ausreichend - Fazit:

Die Entscheidung des 6. Senats steht nicht im Einklang mit Entscheidungen des 4. und 5. Senats des BAG (Urteil vom 29. Mai 2002 –5 AZR 105/01 –bzw. Urteil vom 23. Januar 2002 –4 AZR 56/01). Nichtsdestotrotz dürfte die Entscheidung für eine Vielzahl von konfessionellen Einrichtungen und  Einrichtungsträgern bzw. Dienstgebern von hoher praktischer Relevanz sein, insbesondere bei denjenigen, die die weit verbreiteten Musterverträge verwenden. Die schriftlichen Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts sind daher mit Spannung zu erwarten.  Betroffene  Dienstgeber sollten bei Neueinstellungen modifizierte Arbeitsverträge verwenden und bei bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen arbeitsrechtlich zulässige Optionen und Gestaltungsvarianten erörtern.

Kirchliche Dienstvereinbarungen im Dienstverhältnis wirksam

In dem dem Urteil  des  Bundesarbeitsgerichts  (BAG)  vom 22. März  2018 –6  AZR  835/16 – zugrunde  liegenden Sachverhalt stritten die Parteien über einen Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem  Arbeitgeber auf Auszahlung einer Jahressonderzahlung. Der Arbeitgeber ist Mitglied des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburgschlesische Oberlausitz (DWBO).  Das Recht der Mitar-beitervertretung wird durch das Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD) geregelt.  Nach  dem  MVG-EKD  können  die  Mitarbeitervertretung und die  sogenannte  Dienststellenleitung  insbesondere nach dem Anwendungsgesetz  zum MVG-EKD (MVG-AG) bei Vorliegen einer wirt-schaftlichen Notlage die Arbeitsentgelte und sonstigen Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter in  einer Dienstvereinbarung  regeln.  Nach §  8  Abs.  2  MVG-AG  besteht  eine wirtschaftliche  Notlage, wenn

  1. im Bereich der verfassten Kirche die Dienststelle nicht in der Lage ist oder kurzfristig in der Lage sein wird, mit den laufenden Einnahmen die laufenden Ausgaben einschließlich des Schuldendienstes zu decken, und wenn der Kirchliche Rechnungshof dieses feststellt,
  2. im Bereich der Diakonie die diakonische Einrichtung nicht in der Lage ist oder kurzfristig in der Lage sein wird, aus den laufend erwirtschafteten Mitteln die laufenden Verpflichtungen einschließlich des Schulden-dienstes zu erfüllen, und wenn ein in Übereinstimmung zwischen der Dienststellenleitung und der zuständigen Mitarbeitervertretung vorgeschlagener Wirtschaftsprüfer dieses feststellt.

Da sich der Dienstgeber an diesen Kriterien gemessen unstreitig in einer wirtschaftlichen Notlage  befand, vereinbarte er mit der Mitarbeitervertretung in einer Dienstvereinbarung die zeitweilige Aussetzung der Jahressonderzahlung.  Dem stellte sich ein Arbeitnehmer mit der Begründung  entgegen, die getroffene  Dienstvereinbarung finde auf sein Arbeitsverhältnis überhaupt keine Anwendung, weil keine Rechts-grundlage für eine normative Wirkung dieser Dienstvereinbarung bestehe und der Arbeitsvertrag insbesondere nicht auf das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht verweise.

Dieser Argumentation folgte das BAG nicht. Nach Auffassung des BAG findet die Dienstvereinbarung auf das Arbeitsverhältnis bereits kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Diese arbeitsvertragliche Bezugnahme des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts ergibt sich aus einer sogenannten  „Kettenverweisung“.  So verweist der vorliegende Arbeitsvertrag auf den Tarifvertrag  der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburgschlesische Oberlausitz (TV-EKBO). Der TV-EKBO setzt aber selbst die Geltung des Mitarbeitervertretungsrechts voraus, so dass damit das Mitarbeitervertretungsrecht unmittelbare Wirkung auf das Arbeitsverhältnis hat. Denn Arbeitnehmern, die sich mit der grundsätzlichen Geltung besonderer  kirchenrechtlicher Regelungen  bei Abschluss des Arbeitsvertrages einverstanden erklären, dürfte damit offenkundig sein, dass der kirchliche Arbeitgeber eben auch das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht zur Anwendung bringen möchte.

Kirchliche Dienstvereinbarungen im Dienstverhältnis wirksam: Fazit

Die Entscheidung des BAG dürfte hohe praktische Relevanz haben. So stellt das BAG nicht nur die  Anwendbarkeit des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht ausdrücklich fest, sondern auch die Wirksamkeit von auf dieser Grundlage geschlossenen  Dienstvereinbarungen. Hinzuweisen  ist  darüber hinaus darauf, dass diese Entscheidung gleichermaßen für Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes gelten dürfte. So sehen auch die Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR-Caritas) die Anwendbarkeit des kirchlichen Arbeitsrechts vor.

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