Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom17. April 2018 (Rs. C-414/16) zu der Frage Stellung genommen,ob die Kirchen selbst bestimmen können, dass ihre Beschäftigten grundsätzlich der Kirche angehören müssen, ob gegebenenfalls auch hinsichtlich der auszuübenden Tätigkeit zu differenzieren ist und wer eine solche Entscheidung überprüft. Der EuGH stellte mit diesem Urteil folgende Grundsätze fest, die zum Teil im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehen.
›› Die Antidiskriminierungsrichtlinie (2000/768/EG) zielt u. a. auf den Schutz des Grundrechts der Arbeitnehmer ab, nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden, soll aber auch dem anerkannten Recht der Kirchen auf Autonomie Rechnung tragen. Daher kann eine Kirche eine mit der Religion zusammenhängende Anforderung aufstellen, wenn die Religion nach der Art der fraglichen Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung „eine wesentliche, rechtsmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt“.
›› Um einen angemessenen Ausgleich herzustellen, ist eine Abwägung zwischen dem Recht auf Autonomie der Kirchen und dem Recht der Arbeitnehmer vorzunehmen.
›› Eine solche Abwägung im Fall eines Rechtsstreits muss letztlich von einem innerstaatlichen Gericht überprüft werden können. Wenn folglich eine Kirche zur Begründung einer Entscheidung wie der Ablehnung einer Bewerbung geltend macht, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeiten oder den vorgesehenen Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche, muss ein solches Vorbringen Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein können. Das angerufene Gericht muss sich vergewissern, dass die in der Richtlinie für die Abwägung der gegebenenfalls widerstreitenden Rechte genannten Kriterien im konkreten Fall erfüllt sind. Jedoch steht es den staatlichen Gerichten im Regelfall nicht zu, über das der angeführten beruflichen Anforderung zugrunde liegende Ethos als solches zu befinden. Sie haben lediglich festzustellen, ob die drei Kriterien „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ in Anbetracht dieses Ethos im Einzelfall erfüllt sind. Die Anforderung muss notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten sein sowie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen.
›› Eine Unionsrichtlinie entfaltet grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung zwischen Privatpersonen, sondern bedarf der Umsetzung in nationales Recht. Die nationalen Gerichte haben das nationale Recht, mit dem die Richtlinie umgesetzt wird, so weit wie möglich im Einklang mit ihr auszulegen. Erweist sich dies als unmöglich, muss ein nationales Gericht das nationale Recht unangewendet lassen.
Fazit
Staatliche Gerichte müssen nunmehr prüfen, ob die Kirchenmitgliedschaft für eine konkrete Tätigkeit „objektiv geboten“ ist, ob also zum Beispiel ein „Beitrag zum Verkündigungsauftrag“ oder die „Mitwirkung bei der Bestimmung des Ethos“ der Einrichtung erforderlich ist. Im Bereich der Katholischen Kirche wird bereits in Art. 3 und 4 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse geregelt, welche Stelle eine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche erfordert. Gleiches gilt für die Evangelische Kirche in Deutschland, die ihre Anforderungen bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen in § 3 der Richtlinie des Rates über kirchliche Anforderungen der beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Diakonie regelt. Inwieweitbei beiden Kirchen vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH und der noch zu erwartenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Änderungen notwendig sind, soll nun jeweils geprüft werden.