Keine Aberkennung der Gemeinnützigkeit ohne Zurechenbarkeit der Mittelfehlverwendung

Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden, dass die Aberkennung der Gemeinnützigkeit einer gGmbH wegen Mittelfehlverwendung unzulässig ist, wenn Aufsichtsratsmitglieder durch kriminelle Handlungen innerhalb der Organisation bewusst getäuscht wurden.


Mit Urteil vom 15. April 2024 – 6 K 2425/21 – hat das Finanzgericht (FG) Düsseldorf entschieden, dass die Aberkennung der Gemeinnützigkeit einer gGmbH wegen Mittelfehlverwendung unzulässig ist, wenn Aufsichtsratsmitglieder durch kriminelle Handlungen innerhalb der Organisation bewusst getäuscht wurden. Das Urteil beleuchtet wichtige Aspekte von Überwachungspflichten innerhalb gemeinnütziger Organisationen und stärkt deren Position gegenüber einer vorschnellen Aberkennung der Gemeinnützigkeit mit ihren drastischen Folgen.

Im Mittelpunkt des Urteils steht die klagende gemeinnützige GmbH, deren Gemeinnützigkeitsstatus für die Jahre 2013 bis 2018 vom Finanzamt aberkannt wurde. Anlass war die Feststellung von Mittelfehlverwendungen: Die Geschäftsführerin und der Vorsitzende des Aufsichtsrats hatten eigenmächtig Gehaltserhöhungen beschlossen, die weit über den vom Aufsichtsrat genehmigten Vergütungen lagen. Der Aufsichtsrat wurde lediglich mit einer Vertragsverlängerung befasst, die Änderungsvereinbarungen für die Vergütung der Geschäftsführerin wurden ihm nicht vorgelegt. Diese Vereinbarungen wurden gezielt verschleiert, um eine Überprüfung durch den Aufsichtsrat zu verhindern. Zu den Täuschungsmaßnahmen gehörten manipulierte Sitzungsprotokolle, unvollständige Unterlagen und direkte Anweisungen an Mitarbeiter, relevante Dokumente zu vernichten. Der Fall kam erst durch den Wechsel des Aufsichtsratsvorsitzenden und eine externe Untersuchung ans Licht.

Das FG macht in seinem Urteil deutlich, dass die Aberkennung der Gemeinnützigkeit einer Körperschaft nicht allein auf das objektive Vorliegen von Mittelfehlverwendungen gestützt werden kann. Entscheidend sei, ob der Körperschaft das eigenmächtige Handeln zugerechnet werden könne. Dies sei nur dann der Fall, wenn eine grobe Vernachlässigung der Überwachungspflichten durch den Aufsichtsrat vorliege. Im vorliegenden Fall verneinten die Finanzrichter eine derartige Pflichtverletzung: Die Mitglieder des Aufsichtsrats wurden durch kriminelle Energie einschließlich zurückgehaltener oder manipulierter Dokumente systematisch getäuscht. Die Aufsichtsratsmitglieder hatten auch deshalb keinen Anlass, an der Ordnungsgemäßheit der Zahlungen zu zweifeln, da bei den Jahresabschlussprüfungen keine Beanstandungen geäußert worden waren.

Das Urteil hebt allerdings auch hervor, dass eine Pflichtverletzung vorliegend deswegen ausscheide, weil die Überwachungspflichten ehrenamtlich tätiger Aufsichtsratsmitglieder anders zu bewerten seien als bei hauptamtlichen Gremien. Grundsätzlich hatte die Gesellschaft auf einen Einzelausweis des Geschäftsführergehalts im Anhang zum Jahresabschluss verzichtet, obwohl dies vom Public Corporate Governance Kodex (PCGK) einer Gesellschafterin, dem sich die Gesellschaft freiwillig unterworfen hatte, gefordert wurde. Zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Verzicht auf den Ausweis von keiner der beteiligten Prüfungsgesellschaften beanstandet worden war. Die Aufsichtsratsmitglieder handelten daher nach Ansicht des FG im Rahmen ihrer Möglichkeiten sorgfältig und konnten die verschleierte Vergütungsänderung aufgrund der systematischen Täuschung nicht erkennen.

Schließlich liege eine schädliche Mittelfehlverwendung auch deswegen nicht vor, weil die GmbH und der Aufsichtsrat nach Aufdeckung der Verstöße konsequent gehandelt haben. Die Geschäftsführerin wurde fristlos entlassen und Schadensersatzansprüche gegen die Beteiligten wurden geltend gemacht. Dieser aktive Umgang mit den Vorfällen war ein entscheidender Faktor.

Fazit

Das Urteil aus Düsseldorf verdeutlicht, dass eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit nur das letzte Mittel der Finanzverwaltung sein kann und nicht jede Mittelfehlverwendung reflexartig dazu führen darf. Es zeigt zudem, wie wichtig effektive Überwachungsmechanismen zur Genehmigung von Zahlungen und Verträgen sind. Auch ehrenamtliche Aufsichtsratsmitglieder sind in der Verantwortung, ihre Überwachungspflicht sorgfältig auszuüben. Diese Pflichten sind jedoch dort begrenzt, wo die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Aufsichtsratsmitglieder aufgrund der eingesetzten kriminellen Energie enden. Nach dem Aufdecken von Verstößen ist schnelles und transparentes Handeln (z. B. durch Kündigungen und Schadensersatzklagen) erforderlich, um weitere Schäden zu vermeiden. Mitarbeiter und Gremien sollten zu potenziellen Risiken geschult werden, um mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen.
 

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