Jahressteuergesetz 2024

Das Jahressteuergesetz 2024 hat im Wesentlichen zum Ziel, Anpassungen an das EU-Recht und die Rechtsprechung in verschiedenen Bereichen des deutschen Steuerrechts umzusetzen. Außerdem werden Verfahrens- und Zuständigkeitsfragen geklärt sowie Anpassungen aufgrund von vorangegangenen Gesetzesänderungen und Fehlerkorrekturen vorgenommen. Es gibt daher eine Vielzahl von Einzelregelungen aus den verschiedenen steuerlichen Bereichen. Das Gesetz wurde am 22. November 2024 durch den Bundesrat verabschiedet. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen für Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft.


Einführung der Wohngemeinnützigkeit

Die wohl wesentlichste Neuerung in der Abgabenordnung für steuerbegünstigte Organisationen ist die Einführung eines neuen Gemeinnützigkeitsgrundes. In den Katalog der gemeinnützigen Zwecke wird ab dem 1. Januar 2025 nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 27 AO die Förderung wohngemeinnütziger Zwecke aufgenommen. Dies betrifft die vergünstigte Wohnraumüberlassung an hilfebedürftige Personen im Sinne des § 53 AO. Für die Einkünfte und Bezüge der Mieter wird festgelegt, dass diese nicht höher sein dürfen als das Fünffache des Regelsatzes der Sozialhilfe im Sinne des § 28 SGB XII. Bei Alleinstehenden oder Alleinerziehenden tritt an die Stelle das Sechsfache des Regelsatzes. Die Hilfebedürftigkeit muss nur zu Beginn des jeweiligen Mietverhältnisses vorliegen. Eine Prüfung der Einhaltung der Einkommensgrenze erfolgt nur am Anfang des Mietverhältnisses, so dass steigende Einkommen der Mieter für die Gemeinnützigkeit unschädlich sind.

Der vereinbarte Mietzins muss allerdings dauerhaft unter der marktüblichen Vergleichsmiete – ermittelt anhand von Mietspiegeln – angesetzt werden, da andernfalls keine Unterstützungsleistung der jeweiligen Körperschaft vorläge. In welcher Höhe sich der Mietzins von der marktüblichen Vergleichsmiete unterscheiden muss, wird allerdings nicht ausdrücklich geregelt. Unseres Erachtens dürfte daher auch ein lediglich geringfügiges Unterschreiten der marktüblichen Vergleichsmiete bereits ausreichen. Die Voraussetzung, dass der Mietzins unter der marktüblichen Vergleichsmiete liegt, muss nur zu Beginn des Mietverhältnisses und bei Mieterhöhungen vorliegen. Nicht zu beanstanden ist es, wenn die jeweilige Wohnung zu einem Mietzins vermietet wird, durch welchen lediglich die tatsächlichen Aufwendungen einschließlich Abschreibungen gedeckt werden, und dieser keinen Gewinnaufschlag enthält.

Um das Ansparen notwendiger Mittel für Investitionen in den gemeinnützigen Wohnungsbau (z. B. auch für Renovierungen, Sanierungen, Neubau oder Ausbau) zu ermöglichen, wird die Bildung einer langfristigen Investitionsrücklage gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO durch das Jahressteuergesetz ebenfalls ermöglicht.
 

Verlängerung der Übergangsregelung zum § 2b UStG

Auch für Körperschaften des öffentlichen Rechts gibt es Neuigkeiten: Die Übergangsregelung zur Anwendung des § 2b UStG wird erneut um zwei weitere Jahre bis einschließlich 31. Dezember 2026 verlängert (§ 27 Abs. 22a UStG). Die Gemeinden und auch zahlreiche kirchliche Einrichtungen haben somit zwei weitere Jahre Zeit, ihre Buchhaltungen auf die Umsatzsteuerpflicht umzustellen.
 

Ausweitung der Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen

Außerdem sieht die Neufassung des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG zum 1. Januar 2025 eine Anpassung der Steuerbefreiung für Bildungsleistungen an unionsrechtliche Vorgaben vor. Bislang schon umsatzsteuerfreie Leistungen durch private Schulen, allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen bleiben durch die Gesetzesänderung weiterhin umsatzsteuerfrei. In Anlehnung an das Unionsrecht sollen zukünftig auch steuerbare Bildungsleistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts unter die Steuerbefreiung fallen. Zu diesen Einrichtungen gehören insbesondere in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betriebene allgemeinbildende oder berufsbildende Schulen und staatliche Hochschulen. Auch der Umfang der begünstigten Leistungen wird ausgedehnt: Während bislang lediglich Leistungen, die „auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten“, befreit waren, wird die Befreiung auf „Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung und berufliche Umschulung“ ausgeweitet. Steuerbefreit ist zukünftig außerdem „Schul- und Hochschulunterricht, der von Privatlehrern erteilt wird“. Der Begriff des Privatlehrers umfasst dabei nur natürliche Personen.

Da das bisherige Bescheinigungsverfahren nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG nun beibehalten wird, müssen entsprechende Bescheinigungen ab dem 1. Januar 2025 in dem neuen Wortlaut der Vorschrift ausgestellt werden. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob Bescheinigungen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes noch nach alter Rechtsfassung ausgestellt worden sind, weiterhin Gültigkeit behalten. Zur Vermeidung einer Flut von Neuanträgen und dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand hat das Bundesministerium für Finanzen in einer schriftlichen Stellungnahme vom 5. Dezember 2024 mitgeteilt, dass die vor dem Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2024 ausgestellten Bescheinigungen nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG auch nach dem 31. Dezember 2024 die Voraussetzungen der neuen Rechtsnorm erfüllen und weiterhin gültig sind. Eine entsprechende Klarstellung soll noch in das BMF-Schreiben zur Neuregelung des § 4 Nr. 21 UStG aufgenommen werden.

Zunächst mag das Festhalten an dem Bescheinigungsverfahren wie das Aufrechterhalten unnötiger bürokratischer Hürden wirken, das Bescheinigungsverfahren bewirkt allerdings vor allem, dass es sich bei der Steuerbefreiung weiterhin um ein Wahlrecht für den Steuerpflichtigen handelt. Wenn eine Bildungseinrichtung von der Steuerbefreiung keinen Gebrauch machen und steuerpflichtig mit der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs bleiben möchte, braucht sie keine Bescheinigung zu beantragen. Ein solches Wahlrecht hätte es nach Abschaffung des Bescheinigungsverfahrens nicht mehr gegeben, so dass in zahlreichen Fällen Bildungseinrichtungen, die zuvor steuerpflichtig waren, unfreiwillig steuerfrei geworden wären und erhebliche Nachzahlungen nach § 15a UStG hätten leisten müssen. Außerdem hätte die Prüfung, ob die Steuerbefreiung im Einzelfall berechtigt oder unberechtigt ist, in diesem Fall allein der Finanzverwaltung oblegen, die diese Prüfung meist erst Jahre nach Eintritt des Besteuerungstatbestandes vorgenommen hätte. Für sämtliche Bildungseinrichtungen hätte eine Abschaffung des Bescheinigungsverfahrens somit jahrelange Rechtsunsicherheit bedeutet.
 

Anhebung der Kleinunternehmergrenze

Zum 1. Januar 2025 wird die Kleinunternehmergrenze von bisher 22.000 Euro Umsatz im Vorjahr und 50.000 Euro im laufenden Jahr auf 25.000 Euro Umsatz im Vorjahr und 100.000 Euro Umsatz im laufenden Jahr angehoben. Wenn der Gesamtumsatz eines Unternehmens diese Schwellenwerte nicht überschreitet, kann auf die Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Umsatzsteuer-Jahreserklärungen verzichtet werden. Im Gegenzug haben Unternehmer, die von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen, allerdings nicht die Möglichkeit, aus Eingangsleistungen den Vorsteuerabzug geltend zu machen. Durch die Anhebung der Umsatzgrenzen wird mehr Unternehmen die Anwendung der Kleinunternehmerregelung ermöglicht. Dies gilt auch für Unternehmen, die überwiegend umsatzsteuerfreie Umsätze (wie steuerfreie Krankenhausleistungen oder Bildungsleistungen) und in geringem Umfang steuerpflichtige Umsätze ausführen, denn auch diese können die Kleinunternehmerregelung für ihre steuerpflichtigen Umsätze in Anspruch nehmen.
 

Neuregelung der Abziehbarkeit von Pflege- und Betreuungsleistungen 

Durch die Neuregelung im Jahressteuergesetz 2024 sind haushaltsnahe Dienstleistungen, wie Pflege- und Betreuungsleistungen, nur noch im Rahmen der Tarifermäßigung nach § 35a Abs. 5 EStG von der Einkommensteuer abziehbar, wenn hierfür eine Rechnung erteilt wurde und die Zahlung unbar auf das Konto des Leistungserbringers erfolgt ist. Diese Gesetzesänderung ist eine Reaktion auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. April 2022 – VI R 2/20, der in Bezug auf die bisher gültige Rechtsfassung, die Notwendigkeit einer Rechnung und einer unbaren Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers verneint hatte.
 

Praxis-Hinweis

Die bedeutendste Neuerung durch das Jahressteuergesetz ist die Einführung der neuen Wohngemeinnützigkeit. Für steuerbegünstigte Unternehmen, die schon in diesem Bereich tätig sind (zum Beispiel mit betreutem Wohnen oder Ähnlichem), oder Unternehmen, die eine Erweiterung ihres Leistungsspektrums in Erwägung ziehen, ist der gemeinnützige Wohnungsbau ein durchaus interessanter Bereich. Für bisher gewinnorientierte Unternehmen ist der Wechsel zur Gemeinnützigkeit zwar mit Einschränkungen verbunden, birgt aber (neben der möglichen Steuerersparnis) mit der richtigen Gestaltung durchaus Potenzial.

Autorin
Autor
Autor
Rechtsanwalt, Steuerberater, Partner, Niederlassungsleitung Münster

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß