Der Fall
In dem von der Solidaris rechtlich begleiteten Fall beabsichtigte eine MVZ-Trägergesellschaft, eine im MVZ angestellte Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Schlafmedizin während des Mutterschutzes und anschließender Elternzeit intern durch eine im gleichen MVZ angestellte Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Schlafmedizin vertreten zu lassen. Hierzu sollte die vertretende Ärztin ihren Tätigkeitsumfang vorübergehend vom bedarfsplanerischen Anrechnungsfaktor 0,25 auf 0,5 erhöhen. Die Vertretung wurde gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zunächst für die Dauer von einem Jahr ab Entbindung angezeigt. Die KV wies unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – B 6 KA 9/18R) darauf hin, dass eine interne Vertretung lediglich für drei Monate und nur aufgrund von Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung möglich sei. Eine Vertretung aufgrund von Elternzeit könne hingegen nur durch einen externen Facharzt erfolgen.
Auch in der weiteren außergerichtlichen Korrespondenz zwischen den Beteiligten ergab sich kein Konsens über die zulässige Dauer der internen Vertretung. Das MVZ erachtete das von der KV zitierte Urteil des BSG als Bestätigung für eine analoge Anwendung der Regelung des § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV, der dort genannten Vertretungsgründe und der Vertretungsdauer auf die interne Vertretung und damit auch für die Zulässigkeit einer Vertretung im Zusammenhang mit einer Entbindung für die Dauer von 12 Monaten. Ergänzend berief sich das MVZ auf den in § 32b Abs. 6 Satz 3 Ärzte-ZV normierten gesetzlichen Freistellungsanspruch als weiteren Vertretungsgrund für angestellte Ärzte in Elternzeit. Vor Ablauf der bereits angezeigten dreimonatigen Vertretung im Zusammenhang mit einer Entbindung reichte das MVZ einen erneuten Antrag bei der KV auf Genehmigung der internen Vertretung der Ärztin für weitere 14 Monate für die Dauer der Elternzeit ein, der lediglich für weitere drei Monate genehmigt und im Übrigen unter Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung abgelehnt wurde. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des MVZ blieb erfolglos. Die gegen den Widerspruchsbescheid erhobene Klage hatte indes Erfolg.
Die Entscheidung
Das SG Düsseldorf bestätigt in seiner Entscheidung die Rechtsauffassung des klagenden MVZ. Demnach ist die interne Vertretung einer im MVZ angestellten Ärztin im Zusammenhang mit einer Entbindung gemäß § 32b Abs. 6 Ärzte-ZV i. V m. § 32 Abs. 1 Satz 3 Ärzte-ZV für die Dauer von 12 Monaten und im Übrigen gemäß § 32 b Abs. 6 Satz 3 Ärzte-ZV für die Dauer der Elternzeit – in beiden Fällen genehmigungsfrei – möglich.
Das SG Düsseldorf stellt klar, das BSG habe in seinem Urteil vom 30. Oktober 2019 die analoge Anwendung der in § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV genannten Regelungen auf die interne Vertretung ohne Einschränkung im Allgemeinen und somit hinsichtlich Vertretungsgrund, Anzeigepflicht und Vertretungshöchstdauer bestätigt. Es gebe keinen sachlichen Grund, interne Vertretungen in Fällen, in denen externe Vertretungen zulässig sind, zu untersagen. Daher sei die Auslegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die beklagte KV, wonach eine interne Vertretung grundsätzlich nur bei den Vertretungsgründen gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV (also bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung) möglich sein soll, nicht nachvollziehbar und für berufstätige Frauen jedenfalls mittelbar diskriminierend.
Im Weiteren weist das SG Düsseldorf darauf hin, dass auch die analoge Anwendung des § 32b Abs. 6 Ärzte-ZV im Allgemeinen auf Fälle der internen Vertretung in der vorgenannten Entscheidung des BSG bestätigt wurde und somit auch für den Fall der Elternzeit als gesetzlicher Freistellungsanspruch gemäß 32b Abs. 6 Satz 3 Ärzte-ZV.
Praxis-Hinweis
Interne Vertretungen bei angestellten Ärztinnen im MVZ im Zusammenhang mit einer Entbindung bzw. der Inanspruchnahme von Elternzeit dürften in der Praxis regelmäßig umgesetzt werden – gerade wenn die Erfüllung eines Teilversorgungsauftrags in einem Fachbereich im Raum steht, für den entsprechend qualifiziertes ärztliches Personal schwer zu finden ist. In der Rechtsprechung sind Entscheidungen zur internen Vertretung in diesem Zusammenhang rar, womöglich weil entsprechende Vertretungsanzeigen gegenüber der KV in der Praxis selten Probleme aufwerfen. Im vorliegenden Fall hatte sich die zuständige KV sämtlichen Argumenten des MVZ versperrt, das sich dadurch der Gefahr der Nichterfüllung des ihm zugewiesenen Versorgungsauftrags ausgesetzt sah. Insoweit ist die klarstellende und ausführlich begründete Entscheidung des SG Düsseldorf unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG zu begrüßen. In der Praxis kann diese auch für interne Vertretungen in Fällen anderer gesetzlicher Freistellungsansprüche des zu vertretenden Arztes, zum Beispiel aufgrund der Pflege eines nahen Angehörigen, herangezogen werden.