Gesundheits- und Sozialwirtschaft in Bedrängnis – Was ist 2025 zu tun?

Die wirtschaftliche Lage in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft ist nach wie vor brisant. Bevor Impulse von Seiten der Politik zu erwarten sind, muss zunächst eine neue Regierung gefunden werden, die Wirtschaft stagniert und auch viele Krankenhäuser und andere sozialtätige Einrichtungen sehen sich – nicht zuletzt aufgrund des Fachkräftemangels – mit enormen wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Wir sprachen mit den Leitern unserer Unternehmensberatung, Frau Claudia Schürmann-Schütte und Herrn Matthias Hennke, darüber, was für das Jahr 2025 zu erwarten ist und welche Handlungsspielräume in diesen schwierigen Zeiten verbleiben.

Frau Schürmann-Schütte, Herr Hennke, das Jahr 2024 ist Geschichte. Wie ist Ihre Sicht aus der Beraterperspektive auf die Gesundheits- und Sozialwirtschaft? Was werden wir gesundheitspolitisch in Erinnerung behalten?

Claudia Schürmann-Schütte: Die Verabschiedung des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) ist meines Erachtens das krankenhauspolitisch prägende Ereignis des Jahres 2024.

Aber ist das ohne die vielen noch ausstehenden, im Bundesrat zustimmungspflichtigen Rechtsverordnungen nicht nur ein unvollständiger Torso?

Schürmann-Schütte: Nein, auf keinen Fall. Wir hören dieses Argument immer wieder, insbesondere von Personen, die meinen, man müsse sich auf die Folgen des Gesetzes nicht zeitnah einstellen. Da sind wir aber anderer Meinung. Das Gesetz nennt drei Rechtsverordnungen: Eine nach § 135e SGB V zur Ausgestaltung der Leistungsgruppen. Diese umfasst die Leistungsgruppen als solche, ihre Definition und die Qualitätskriterien. Eine weitere neue Rechtsverordnung nach § 135f SGB V regelt die sogenannten Mindestvorhaltezahlen. Diese müssen zunächst vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen erarbeitet werden. Es ist aktuell völlig unklar, ob für alle Leistungsgruppen Mindestvorhaltezahlen kommen. Aber selbst wenn sie gar nicht kämen, bleibt das KHVVG in seinen wesentlichen Teilen wirksam. Die dritte Rechtsverordnung bezieht sich auf § 12b KHG und regelt den Transformationsfonds. Die Verordnung ist stark im Interesse der Länder und es ist davon auszugehen, dass sie noch im 1. Halbjahr 2025 zustande kommt. Allerdings wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden. Das KHVVG ist beschlossen und es dürfte die deutsche Krankenhauslandschaft grundlegend verändern.

Matthias Hennke: Das KHVVG und die daraus resultierende Restrukturierung der Krankenhauslandschaft werden sicher in gewisser Weise in die Geschichte eingehen. Das System der Leistungsgruppen, dessen Grundkonzept der Krankenhausplanung in NRW entnommen wurde, ist weitgehend parteiübergreifend Konsens und wird uns nun die nächsten Jahrzehnte begleiten. Dies bedeutet nicht, dass es in den nächsten Jahren völlig unverändert bestehen bleibt. Auch das GKV-Gesundheitsreformgesetz aus dem Jahr 2000, mit dem die DRG-Einführung beschlossen wurde, ist seither vielfach an sich verändernde Anforderungen angepasst worden. Die regulatorischen Rahmenbedingungen waren also immer im Fluss, und sie werden es weiter bleiben.

Wie gestalten sich aus dieser Perspektive die Herausforderungen der Träger?

Schürmann-Schütte: Seit 2024 sind die diversen krisenbedingten Transferzahlungen der Jahre 2021 bis 2023 entfallen. Dies gilt es zu kompensieren. Wir rechnen im Mittel in 2025 mit einem demografischen Leistungszuwachs von circa 1,5 %. Damit bleibt aber das Leistungsniveau gut 6 % unter 2019. Gerade auch im Hinblick auf die reformbedingt noch zu erwartenden Leistungsveränderungen können wir vielen Trägern eine kritische Bestandaufnahme als Basis für Sanierungs- und Restrukturierungsüberlegungen nur dringend anraten.

Erwarten Sie denn schon vor 2027 relevante Leistungsveränderungen?

Schürmann-Schütte: Ja. Gerade kleine, insbesondere solitäre Krankenhäuser und solche mit geringen Fallmengen pro Leistungsgruppe haben vor dem Hintergrund des KHVVG nur noch geringe Wachstumsperspektiven. Sie müssen sich eher auf Leistungsbeschneidungen gefasst machen. Für sie wird auch die Vorhaltevergütung eher weniger auskömmlich sein als das aktuelle DRG-System. Es macht Sinn, sich proaktiv auf diese Situation einzustellen. Wir gehen dementsprechend davon aus, dass der Bedarf an Unterstützung bei Sanierungen weiter steigen wird. Auch auf dem Transaktionsmarkt wird sich die Dynamik weiter fortsetzen.

Noch einmal ein politischer Blick nach vorn. Wir bekommen eine neue Bundesregierung, die Krankenkassenbeiträge sind so hoch wie nie, die Wirtschaft stagniert und auch den Krankenhäusern geht es schlecht. Was erwarten Sie im Jahr 2025? 

Schürmann-Schütte: Immerhin dürfte die Gesetzesflut der vergangenen Jahre zunächst abebben. Nach Lage der Dinge beginnen die gesetzgeberischen Aktivitäten so richtig erst wieder nach der parlamentarischen Sommerpause. Bei dem Vorlauf, den Gesetze formal haben, sind relevante Neuerungen im Gesundheitswesen nicht vor dem 1. Quartal 2026 zu erwarten.

Erwarten Sie einen Politikwechsel durch eine neue Regierung?

Hennke: Nein, nicht wirklich. Von CDU, CSU, SPD und FDP liegen die Wahlprogramme mit den entsprechenden Kernaussagen zur Gesundheitspolitik ja schon vor. Keine der genannten Parteien setzt sich für eine bessere Finanzierung der Krankenhausbehandlungen ein. Stattdessen werden Effizienzsteigerungen thematisiert. Das ist vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Kassen auch kein Wunder. Eine gewisse Einigkeit kann man beim Thema Reform des Rettungsdienstes und Notfallversorgung erkennen. Hier stammt der vorliegende, aber nicht mehr zur Abstimmung gekommene Reformvorschlag der Ampel überwiegend bereits aus der Ära Spahn. Es ist also auch von einer unionsgeführten Bundesregierung ein Reformvorschlag bis Mitte 2026 zu erwarten. Für viele Krankenhäuser, insbesondere jene mit niedriger Notfallstufe und urbaner Lage, ist bei einer Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes von erheblichen Fallzahlverlusten auszugehen. Ich möchte damit unterstreichen, für wie wichtig wir es halten, dass die Träger sich mit ihrem mittelfristig zu erwartenden Portfolio auseinandersetzen. Und dabei haben wir das Thema Ambulantisierung noch nicht einmal angesprochen.

Aber wird es nicht auch beim Thema Ambulantisierung zu einem Stillstand durch den ungeplanten Regierungswechsel kommen?

Hennke: Nein, ganz im Gegenteil. Die mit dem Krankenhaus-Pflegeentlastungsgesetz 2022 erstmals auf den Weg gebrachten Hybrid-DRG erhalten durch das KHVVG ab 2026 eine ganz neue Dynamik. Die Selbstverwaltung wurde durch das KHVVG verpflichtet, auf Basis eines bis Februar 2025 zu erstellenden Vorschlags des InEK bis zum März 2025 einen erweiterten Hybrid-DRG-Katalog vorzulegen, der bezogen auf die Leistungen des Jahres 2023 mindestens 1 Million stationäre Fälle umfasst. Bis 2030 soll sich dieser Katalog dann auf mindestens 2 Millionen Fälle, also auf gut 10 % des aktuellen Fallzahlaufkommens erstrecken.

Schürmann-Schütte: Wir können allen Krankenhäusern nur dringend raten, sich mit solchen ambulant-sensitiven Portfoliosegmenten tiefer zu befassen und schlanke Prozesse zu etablieren, damit auch unter schlechteren Refinanzierungsbedingungen die Leistungen wirtschaftlich erbracht werden können. Gerade auch die Bemessung der Vorhaltefinanzierung an das Portfolio der Jahre 2023/24 bietet hier die Chance, stationäre Fälle nun als Hybrid-DRG zu erbringen und trotzdem noch das anteilige Vorhaltebudget zu erhalten. Diese Möglichkeit der Übergangsfinanzierung sollte man nutzen.

Das Vorhaltebudget ist sicher auch ein Thema, das im Moment alle Träger umtreibt. Wird es die Finanzierung insgesamt verbessern?

Hennke: Eine endgültige Klarheit für die Träger setzt das Leistungsgruppen-Grouping der Falldaten, die Kalkulation der Vorhaltekosten durch das InEK, die Prüfung der Einhaltung der Strukturqualitätskriterien und die Zuweisung der Leistungsgruppen durch das Land voraus. Das alles wird nicht vor Ende 2026 vollzogen sein. Aber die grundsätzliche Methodik ist ja klar und man kann daraus in gewissem Umfang auch aktuell schon Schlüsse für einen Krankenhausstandort ziehen. Auch wird die Vorhaltefinanzierung primär nur eine Umschichtung des Budgets, aber keine Erhöhung mit sich bringen. 

Wie sieht es denn im Sozialwesen aus? Auch hier hört man immer wieder etwas von einem Einrichtungssterben aufgrund der Rahmenbedingungen.

Hennke: Grundsätzlich muss man sagen, dass wir schon im Jahr 2024 verstärkt feststellen mussten, dass Einrichtungen der Altenhilfe, der Eingliederungshilfe und auch der Kinder- und Jugendhilfe vor großen, insbesondere finanziellen Herausforderungen stehen. Das zeigt sich in defizitären Jahresergebnissen und angespannter Liquidität bis hin zur Insolvenzreife. Man muss aber sicherlich auch in Betracht ziehen, dass ein Bedarf für die Einrichtungen besteht, der in Zukunft sogar eher wachsen wird, so dass fast jede schließende Einrichtung im Sozialwesen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Versorgungslücke eröffnet.

Welche Rahmenbedingungen führen die Einrichtungen in eine so prekäre Situation?

Schürmann-Schütte: In Zeiten des Mangels an Fach- und Hilfskräften ist die Herausforderung, eine qualitätsgerechte Leistung zu erbringen, natürlich groß. Sollte eine signifikante Anzahl an Pflege- und Betreuungsplätzen aufgrund von Personalmangel nicht belegt werden können, führt dies fast unweigerlich dazu, dass Einrichtungen nicht mehr wirtschaftlich agieren können. Zudem haben wir schon 2024 festgestellt, dass Einrichtungen, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, oftmals Pflegesatz- und Vergütungssatzvereinbarungen geschlossen haben, die ihnen bei qualitätsgerechter Leistungserbringung gar kein positives Ergebnis ermöglichen. Die Einrichtungen müssen also ihre Verhandlungen professionalisieren und in der Lage sein, ihre berechtigten Forderungen durchzusetzen. Hier gibt es aber auch positive Beispiele. Immer mehr Einrichtungen holen sich hierzu Unterstützung bis hin zur Vertretung bei der Schiedsstelle und erzielen nun wieder Abschlüsse, die ein wirtschaftliches Handeln ermöglichen.

Was müssen die Einrichtungen konkret tun, um sich im Jahr 2025 gut aufzustellen? 

Schürmann-Schütte: Die wesentlichen Punkte sind meines Erachtens: Finanzierung sichern, sich aktiv mit Personalkonzepten und der Dienstplangestaltung auseinandersetzen, Effizienz in Prozessen aufbauen und die Steuerung professionalisieren. Insbesondere das Thema Personal- und Dienstplanmanagement muss einen hohen Stellenwert bekommen. Zukunftsfähiges Personalmanagement bedeutet ja nicht, einfach eine Stellenanzeige mehr zu schalten. Es bedarf vielmehr nachhaltiger Personalkonzepte, um im Wettbewerb um gutes Personal konkurrenzfähig zu sein. Hierzu gehört auch ein professionelles Dienstplanmanagement. Das Thema Prozesseffizienz muss als kontinuierlicher Faktor der Arbeitsanfallanalyse und der Arbeitsablaufplanung verstanden werden und steht oftmals in direkter Beziehung zum Dienstplanmanagement.

Der Personalbedarf ist ja branchenübergreifend ein ganz zentrales Thema. Was kommt da noch auf uns zu?

Hennke: Es ist davon auszugehen, dass sich der Fachkräftemangel bis in die 30er Jahre kontinuierlich weiter verschärfen wird. Schon heute ist es so, dass ein nicht zu unterschätzender Teil von Leistungsminderungen die Folge von Personalmangel ist. Allein durch die Akquise ausländischer Fachkräfte wird dieses Problem nicht zu lösen sein. Eine große Rolle spielt die Unternehmenskultur. Kliniken, die Wert auf sinnstiftende Arbeitsgestaltung, gut organisierte Prozesse, gute Einsatzplanung und kompetente Führungspersonen legen, sind klar im Vorteil. Es kann auch Sinn machen, sich aus Gründen des Personalmangels auf besonders profitable Portfoliosegmente zu beschränken, weil mehr schlicht nicht leistbar ist. Das kann im Krankenhaus beispielsweise bedeuten, ambulant-sensitive stationäre Leistungen zukünftig ambulant zu gestalten, um damit die Ressourcen auf notwendige oder besonders lukrative stationäre Leistungen zu konzentrieren.

Schürmann-Schütte: Und der Personalmangel betrifft nicht nur die primäre Leistungserbringung am Bett oder in der betreuten Werkstatt. Gerade auch in der Verwaltung und im Management hat er bedrohliche Ausmaße erreicht. Längst sind viele und gerade kleinere Träger kaum mehr in der Lage, die für die Unternehmenssteuerung notwendigen Daten verlässlich bereitzustellen. Das Controlling zum Beispiel muss in der Lage sein, zeitnah ein zutreffendes Bild der Geschäftstätigkeit zu vermitteln. Nur so ist es möglich, Fehlentwicklungen zu erkennen und gegenzusteuern. Tabellenkalkulationsprogramme kommen hier an ihre Grenzen. Es braucht Business-Intelligence-Lösungen, um den verengten Steuerungsspielräumen mit aktuellem Controlling-Wissen und modernen Softwarelösungen entgegenzutreten. Ein professionalisiertes Projekt Management Office als zentrales Steuerungsinstrument wäre sinnvoll. In der Etablierung einer solchen Struktur, aber auch in der projektbezogenen Bereitstellung sehen wir dementsprechend für uns ein breites Tätigkeitsfeld.

Sehen Sie aus Ihrer Beraterperspektive noch weitere Querschnittsthemen?

Schürmann-Schütte: Ja, Nachhaltigkeit zum Beispiel. Ab 2025 wird auch für viele Unternehmen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft die Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtend. Grundlage dafür ist eine Wesentlichkeitsanalyse, die nach definierten Richtlinien erhoben werden muss. Da kommt einem aus der Branchenperspektive natürlich als erstes das Thema Bürokratieabbau in den Sinn, aber es ist wohl nicht damit zu rechnen, dass es hier noch einmal Ausnahmeregelungen für den Gesundheits- und Sozialbereich geben wird. Nachhaltigkeit wird aktuell vorrangig mit den Begriffen Umwelt und Ökologie verknüpft. Gleichermaßen wichtig sind aber Themen aus den Bereichen Social und Governance, die auch für die Personalgewinnung und die Personalbindung sehr relevant sind. Man sollte also das Beste daraus machen und schauen, ob sich im Rahmen eines solchen Prozesses nicht auch wirtschaftliche Potenziale identifizieren lassen. Auch solche Themen gehören zu unserem Beratungsrepertoire. Sie sehen, 2025 bleibt spannend, auch wenn politisch eher Stillstand herrschen dürfte.

Frau Schürmann-Schütte, Herr Hennke, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Autorin
Autor
Autorin
Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Partnerin, Leitung Geschäftsbereich Unternehmensberatung
Autor
Geschäftsführer Solidaris Unternehmensberatungs-GmbH

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß