Gesellschaftsvertragliche Abfindungsbeschränkungen bei steuerbegünstigten Gesellschaften

Nach einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm ist eine Satzungsregelung einer gemeinnützigen GmbH, die für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters eine Abfindung in Höhe des Nennwertes der Stammeinlage vorsieht, nicht gemäß § 138 BGB nichtig.

OLG Hamm erklärt satzungsmäßige Beschränkung auf den Nennwert der Einlage für zulässig

Nach einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 13. April 2022 – 8 U 112/21 – ist eine Satzungsregelung einer gemeinnützigen GmbH, die für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters eine Abfindung in Höhe des Nennwertes der Stammeinlage vorsieht, nicht gemäß § 138 BGB nichtig. Dies gelte insbesondere auch für den Insolvenzfall des Gesellschafters, so dass auch den Insolvenzgläubigern grundsätzlich nur der Nennbetrag zusteht.

Der Fall

Eine gemeinnützige GmbH, die einen ambulanten Pflegedienst betrieb, war mit einer Stammeinlage in Höhe von 1.000 € an einer gemeinnützigen Gesellschaft (Beklagte) beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sah in bestimmten Fällen, darunter auch die Insolvenz des Gesellschafters, die Möglichkeit der (Zwangs-)Einziehung von Geschäftsanteilen gegen Zahlung des Nennwertes der Stammeinlage vor. Auch bei sonstigem vorzeitigem Ausscheiden (insbesondere bei Kündigung) sollte sich die Abfindung nach dem Nennwert berechnen. Der Insolvenzverwalter der beteiligten gGmbH begehrte mit der Klage eine Abfindung in Höhe des höheren vollen wirtschaftlichen Wertes mit der Begründung, die im Gesellschaftsvertrag geregelte Abfindungsbeschränkung sei insolvenzwidrig sowie – wegen des großen Abstandes zwischen dem Nennwert und dem Verkehrswert und der damit einhergehenden grob unbilligen Benachteiligung der Insolvenzschuldnerin – auch im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig.

Die Entscheidung

Dieser Rechtsauffassung erteilte das Gericht eine Absage. Gesellschaftsvertragliche Beschränkungen des Abfindungsrechts seien aufgrund der Satzungsautonomie grundsätzlich – in den Grenzen des § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) –  zulässig. Mit Blick auf den sachlichen Grund der Beschränkung, nämlich den ideellen Gesellschaftszweck, sei die Beschränkung hier jedoch nicht nur (ausnahmsweise) zulässig, sondern aufgrund der einschlägigen Bestimmungen der Abgabenordnung (§§ 55 ff. AO) sogar geboten, da sichergestellt sein müsse, dass das steuerbegünstigt gebildete Vermögen die steuerbegünstigte Sphäre nicht verlässt. Eine Satzungsbestimmung, die zur Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderlich ist, könne nach dem Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung nicht nach § 138 BGB unwirksam sein. Der sachliche Grund für die Beschränkung sei auch nicht durch die Insolvenz eines einzelnen Gesellschafters entfallen, da dadurch verhindert werde, dass das steuerbegünstigt gebildete Vermögen an Insolvenzgläubiger abfließt. Zudem seien die Gesellschaftsgläubiger – und damit auch die Gläubiger der Insolvenzschuldnerin – in ihrem Vertrauen auf ein bestimmtes Gesellschaftsvermögen nicht geschützt.

Fazit

Die Zulässigkeit von Abfindungsbeschränkungen auf den Nennwert oder sogar des Ausschlusses von Abfindungsansprüchen bei Gesellschaften mit ideeller Zwecksetzung wird in der einschlägigen Literatur ganz überwiegend bejaht. Gleichwohl wurden gerade in Konfliktfällen immer wieder Zweifel an der Rechtswirksamkeit entsprechender Regelungen geäußert. Das Urteil ist jedenfalls im Ergebnis überzeugend und dürfte zur Erhöhung der Rechtssicherheit beitragen, wenngleich Einzelfragen zur Gestaltung von Abfindungsklauseln im Verhältnis zu steuerbegünstigten Gesellschaftern weiterhin offenbleiben. Deutlich wird aus der Entscheidung auch, dass eventuelle weitergehende Abfindungsansprüche, die einem Gesellschafter gegebenenfalls in seiner Eigenschaft als steuerbegünstigte Körperschaft zustehen sollen, einer klaren gesellschaftsvertraglichen Regelung bedürfen.
 

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