Reform des Gemeinnützigkeitsrechts durch das Jahressteuergesetz 2020

Kurz vor dem Jahreswechsel hat der Gesetzgeber das Jahressteuergesetz 2020 verabschiedet, mit dem unter anderem eine umfassende Reform des Gemeinnützigkeitsrechts umgesetzt wird. Im Kern der gemeinnützigkeitsrechtlichen Änderungen stehen die Neuregelungen zu Kooperationen im dritten Sektor, die Möglichkeit, reine Holdings als gemeinnützige Körperschaften anzuerkennen, sowie die Erleichte

Neue Regelungen bringen Erleichterungen für den Non-Profit-Sektor.

 

Kurz vor dem Jahreswechsel hat der Gesetzgeber das Jahressteuergesetz 2020 verabschiedet, mit dem unter anderem eine umfassende Reform des Gemeinnützigkeitsrechts umgesetzt wird. Im Kern der gemeinnützigkeitsrechtlichen Änderungen stehen die Neuregelungen zu Kooperationen im dritten Sektor, die Möglichkeit, reine Holdings als gemeinnützige Körperschaften anzuerkennen, sowie die Erleichterungen für die Mittelweiterleitung zwischen steuerbegünstigten Körperschaften. Wie üblich verbleiben aber viele ungeklärte Detailfragen, die erst im Laufe der Zeit beantwortet werden können.

Planmäßiges Zusammenwirken

Bislang wurden in gemeinnützigen Verbünden vielfach bestimmte Dienstleistungen (z. B. Reinigung, Speisenzubereitung oder zentrale Dienste) nicht von der operativ gemeinnützig tätigen Gesellschaft ausgeführt, sondern in separate Tochter- bzw. Schwestergesellschaften („Servicegesellschaften“) ausgegliedert. Deren Dienstleistungen gegenüber den originär gemeinnützig tätigen Schwester- oder Muttergesellschaften wurden als reguläre gewerbliche und damit auch vollständig ertragsteuerpflichtige Tätigkeiten gewertet, so dass für diese Gesellschaften bislang keine Möglichkeit bestand, gemeinnützig zu werden. Dies hat sich nun durch die neu eingefügte Regelung des § 57 Abs. 3 AO geändert, die es ermöglicht, eine Servicegesellschaft steuerbegünstigt auszugestalten. Die Dienstleistungen, welche die Servicegesellschaft gegenüber einer steuerbegünstigten Körperschaft erbringt, sind nun aufgrund des planmäßigen Zusammenwirkens als unmittelbare gemeinnützige Zweckverfolgung anzusehen und es liegt insgesamt ein steuerbegünstigter Zweckbetrieb vor.

Nach unserer Auffassung bedeutet dies ein Ende der immer wieder mit der Finanzverwaltung geführten Debatte über angemessene Preise oder Gewinnaufschläge, da die Serviceleistungen nicht mehr der Besteuerung unterliegen. Wir gehen darüber hinaus davon aus, dass auch sogenannte Betriebsaufspaltungsmodelle, also Konstruktionen, in denen eine steuerbegünstigte Körperschaft einer anderen die für den Zweckbetrieb notwendigen Immobilien vermietet, im Licht der Neuregelung gesehen werden müssen. Folglich ergeben sich unseres Erachtens hier keine Mittelverwendungsprobleme mehr, da diese Immobilien eben nicht im Bereich der Vermögensverwaltung gehalten werden, sondern im Rahmen des planmäßigen Zusammenwirkens nun als Bestandteil des Zweckbetriebs anzusehen sind.

Um in den Genuss der Neuregelung zu kommen, müssen die Satzungen der betroffenen Körperschaften dahingehend angepasst werden, dass die Regelungen der gemeinnützigkeitsrechtlichen Mustersatzung übernommen werden und ein Hinweis auf den neuen § 57 Abs. 3 AO erfolgt. Nach den allgemeinen Grundsätzen muss eine steuerbegünstigte Körperschaft die satzungsmäßigen Voraussetzungen während des gesamten Veranlagungszeitraums erfüllen, so dass die Steuerbegünstigung für bestehende Gesellschaften bei einer Satzungsänderung im Jahr 2021 erst ab dem Veranlagungszeitraum 2022 greifen kann. Ob es noch eine Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung geben wird, die auch die Anwendung bei einer Satzungsänderung im Jahr 2021 ermöglicht, bleibt abzuwarten. In Neugründungsfällen ist die Begünstigung jedenfalls von Beginn an möglich.

Zu beachten ist, dass Leistungen, die gegenüber nicht steuerbegünstigten Dritten erbracht werden, im Rahmen eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erfolgen. Hier sind die allgemeinen Grundsätze, zum Beispiel hinsichtlich der Angemessenheit von Entgelten, zu beachten.

Gemeinnützigkeit der Holding

In der Vergangenheit war es erforderlich, dass die Holding in einem steuerbegünstigen Verbund immer auch selbst unmittelbar ihre steuerbegünstigten Zwecke operativ verfolgt. Dies war oft ineffizient und passte häufig nicht in eine vernünftige Arbeitsteilung innerhalb eines gemeinnützigen Verbundes. Mit der Neuregelung wird nun endlich anerkannt, dass es aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht ausreicht, wenn eine solche Körperschaft sich darauf konzentriert, Beteiligungen an steuerbegünstigten Körperschaften zu halten und zu verwalten. Nach § 57 Abs. 4 AO verfolgt eine Körperschaft mit genau diesen Tätigkeiten ihre steuerbegünstigten Zwecke nunmehr unmittelbar.

Daraus folgt aus unserer Sicht, dass der Erwerb und das Halten von steuerbegünstigten Beteiligungen nicht mehr nur aus freien Mitteln finanzierbar sein müssen, da diese Tätigkeiten jetzt als unmittelbare Zweckverfolgung angesehen werden. Letztlich ist noch nicht geklärt, wie sich etwaige Beteiligungen an gewerblichen, nicht steuerbegünstigten Körperschaften auswirken. Denkbar – und sachgerecht – wäre es, diesbezüglich eine vermögensverwaltende Tätigkeit oder gegebenenfalls einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb anzunehmen. Wohl eher abwegig ist die Auffassung, dass eine Beteiligung an einer steuerpflichtigen Gesellschaft die Anwendung von § 57 Abs. 4 AO und damit die Steuerbegünstigung der Holdinggesellschaft von vornherein ausschließt. An dieser Stelle bleibt die Positionierung der Finanzverwaltung – und möglicherweise der Finanzgerichte – abzuwarten.

Neue Mittelweiterleitungsmöglichkeiten

Ebenfalls neu geregelt wurde die Mittelweiterleitung an steuerbegünstigte Körperschaften. Bislang war diese im Rahmen des alten § 58 Nr. 1 AO nur möglich, soweit eine zumindest partielle Zweckidentität zwischen den betreffenden Körperschaften bestand. Ferner musste § 58 Nr. 1 AO in der Satzung der Körperschaft verankert werden. § 58 Nr. 1 AO ist jetzt neugefasst worden und erlaubt eine nahezu unbegrenzte Mittelweiterleitung an andere steuerbegünstigte oder öffentlich-rechtliche Körperschaften zur Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke. Eine Zweckidentität ist nunmehr nicht mehr erforderlich. Auch die Verankerung von § 58 Nr. 1 AO in der Satzung ist aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht nicht mehr notwendig, es sei denn, die Mittelweiterleitung ist die einzige Art der Zweckverfolgung der betreffenden Körperschaft. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht kann aber die Aufnahme der Regelung in die Satzung je nach Situation weiterhin sinnvoll oder notwendig sein.

Weitere Aspekte der Gemeinnützigkeitsrechtsreform

Neben den drei vorgenannten zentralen Aspekten der Reform wurden im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 noch eine Reihe weiterer Änderungen umgesetzt. Hierzu zählen insbesondere:

  • neue gemeinnützige Katalogzwecke (§ 52 Abs. 2 AO): Klimaschutz, Ortsverschönerung, Unterhaltung von Friedhöfen, Förderung des Freifunks.
  • Freistellung von der zeitnahen Mittelverwendungspflicht (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 4 AO): Kleine Körperschaften mit Einnahmen von maximal 45 TEUR im Jahr sind vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung befreit.
  • Bagatellgrenze beim steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64 Abs. 3 AO): Die Grenze, ab der eine steuerbegünstigte Körperschaft ein Ergebnis im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ermitteln muss, wird von 35 TEUR auf 45 TEUR im Jahr angehoben.
  • Förderung des Ehrenamtes (§ 3 Nr. 26 und 26a EStG): Die Übungsleiterpauschale wird von 2.400 EUR auf 3.000 EUR, die Ehrenamtspauschale von 720 EUR auf 840 EUR angehoben.
  • Vereinfachung bei Spenden (§ 50 Abs. 2 EStDV): Die Grenze, bis zu der Spenden auch ohne Zuwendungsbestätigung abziehbar sind, wird von 200 EUR auf 300 EUR angehoben (gilt bereits ab 2020).
  • Feststellung nach § 60a AO: Die Feststellung kann jetzt verweigert oder zurückgenommen werden, wenn die betreffende Körperschaft aufgrund ihrer tatsächlichen Geschäftsführung voraussichtlich nicht steuerbegünstigt ist.
  • neue Katalogzweckbetriebe (§ 68 AO): Neu in den Katalog der Zweckbetriebe wurden die entgeltliche Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Flüchtlingen sowie die Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen bzw. Behinderungen aufgenommen.

Fazit Reform des Gemeinnützigkeitsrechts

Aus Sicht des Non-Profit-Sektors sind die dargestellten Neuerungen insgesamt zu begrüßen, auch wenn im Detail noch viele Fragen zu klären sind. Wenn Sie diesbezüglich weitere Einzelheiten erfahren möchten oder eine Beratung benötigen, kommen Sie gerne auf uns zu.

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