Reform des Gemeinnützigkeitsrechts beschlossen

Änderungen erfolgen im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020

 

Mit abschließendem Bundesratsbeschluss vom 18. Dezember 2020 hat der Gesetzgeber im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 die weitreichendste Reform des Gemeinnützigkeitsrechts seit vielen Jahren beschlossen. Die Änderungen bedeuten an vielen Stellen Erleichterungen für das Agieren von steuerbegünstigten Körperschaften. Insbesond

Änderungen erfolgen im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020

 

Tiefgreifende Änderungen ab dem Jahr 2021

Mit abschließendem Bundesratsbeschluss vom 18. Dezember 2020 hat der Gesetzgeber im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 die weitreichendste Reform des Gemeinnützigkeitsrechts seit vielen Jahren beschlossen. Die Änderungen bedeuten an vielen Stellen Erleichterungen für das Agieren von steuerbegünstigten Körperschaften. Insbesondere für das Zusammenwirken von Körperschaften, beispielsweise in einer Konzernstruktur, ergeben sich durch die Reform begrüßenswerte Begünstigungen. Die neuen gesetzlichen Regelungen gelten ab dem Tag nach der Gesetzesverkündung.

Im Einzelnen ergeben sich die folgenden wesentlichen Änderungen:

Begünstigung von Kooperationen nach § 57 Abs. 3 AO

Eine Körperschaft soll nunmehr auch dann unmittelbar gemeinnützig tätig sein, wenn sie planmäßig mit mindestens einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft zusammenwirkt. Nach der Gesetzesbegründung soll damit beispielsweise gewährleistet werden, dass eine – bisher steuerpflichtige – Servicegesellschaft künftig ebenfalls steuerbegünstigt werden kann, soweit sie ihre Dienstleistungen an andere steuerbegünstigte Körperschaften für deren steuerbegünstigte Tätigkeiten erbringt. Insoweit können Servicegesellschaften nunmehr auch als steuerbegünstigte Körperschaften ausgestaltet und im Rahmen eines gemeinnützigkeitsrechtlichen Zweckbetriebs tätig werden, was sich mit Blick auf eine etwaige Mittelweitergabe, die Kapitalaufbringung und die Überlassung beispielsweise von Immobilien an die Servicegesellschaft positiv auswirken könnte. Daneben ist damit wohl auch die Problematik angemessener Verrechnungspreise und von Gewinnaufschlägen entschärft. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob und, wenn ja, welche satzungsmäßigen Voraussetzungen neben der sicherlich erforderlichen Anpassung an die Mustersatzung hierfür bei den betroffenen Körperschaften geschaffen werden müssen.

Erleichterung für Konzernstrukturen nach § 57 Abs. 4 AO

Neben der Erleichterung des Zusammenwirkens von Gesellschaften ist es für die Steuerbegünstigung auch ausreichend, wenn eine Körperschaft ausschließlich Beteiligungen an steuerbegünstigten Gesellschaften hält. Damit ist es möglich, dass reine Holdinggesellschaften ihre Steuerbegünstigung auf die Holdingeigenschaft stützen können, ohne selbst ein steuerbegünstigtes operatives Geschäft auszuüben. Voraussetzung ist, dass die gemeinnützige Tätigkeit durch die Tochtergesellschaft(en) ausgeübt wird. Diese Neuregelung gibt Sicherheit für bestehende Konzernstrukturen, auch wenn sich noch eine Reihe von ungeklärten Folgefragen ergeben, wie etwa die Zulässigkeit der Beteiligung an nicht steuerbegünstigten Gesellschaften.

Erweiterung des Katalogs der gemeinnützigen Zwecke in § 52 AO

Der Katalog der gemeinnützigen Zwecke in § 52 Abs. 2 AO soll um die folgenden Zwecke erweitert werden:

  • Förderung des Klimaschutzes 
  • Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen
  • Förderung der Unterhaltung von Gedenkstätten für nicht bestattungspflichtige Kinder und Föten
  • Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden
  • Förderung der Heimatpflege, Heimatkunde und Ortsverschönerung
  • Förderung der Einrichtung und Unterhaltung von Freifunk-Netzen [Anwendung in allen offenen Fällen]

[Anwendung mit Ausnahme des letzten Punktes ab Gesetzesverkündung]

Erweiterung der „Katalog-Zweckbetriebe“ nach § 68 AO

Einrichtungen zur Unterbringung, Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Bürgerkriegsflüchtlingen oder Asylbewerbern werden nunmehr gemäß § 68 Nr. 1 c) AO zum Katalogzweckbetrieb. 

Daneben sind zukünftig auch Einrichtungen, die Fürsorge für Menschen mit psychischen und seelischen Erkrankungen bzw. Behinderungen ausüben, als Katalogzweckbetriebe nach § 68 Nr. 4 AO erfasst.

Da sämtliche dieser Einrichtungen bislang wohl bereits unter die allgemeinere Zweckbetriebsnorm des § 66 AO fielen, sind sie auch weiterhin in die Betrachtung der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre mit einzubeziehen, ohne jedoch für sich betrachtet in das „Gewinnverbot“ des § 66 AO zu fallen.

Erleichterung der Mittelweitergabe zwischen steuerbegünstigten Körperschaften nach § 58 AO

Die Mittelweiterleitung von gemeinnützigkeitsrechtlich gebundenen Mitteln von einer steuerbegünstigten Körperschaft an eine andere ist in der Praxis bislang immer wieder mit Fallstricken behaftet gewesen. Nach der einen der beiden bestehenden Regelungen hierzu (§ 58 Nr. 2 AO) dürfen nicht mehr als 50% der Mittel an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft weitergegeben werden, was bei der Unterstützung großer Finanzierungsvorhaben immer wieder problematisch werden kann. Die andere Regelung (§ 58 Nr. 1 AO) erlaubt zwar eine höhere Mittelweitergabe, ist aber wiederum an weitere Voraussetzungen geknüpft. So muss, wenn diese Vorschrift in Anspruch genommen werden soll, eine Zweckidentität der gebenden und der empfangenden Körperschaft gegeben sein. Ferner muss die Fördereigenschaft zwingend in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag der gebenden Körperschaft verankert sein.

Nach der Neuregelung werden nun § 58 Nr. 1 und Nr. 2 AO in einer neu formulierten Nr. 1 zusammengefasst. Hiernach können jetzt ohne übereinstimmende Satzungszwecke Mittel in beliebiger Höhe an andere steuerbegünstigte Körperschaften weitergeleitet werden. Die erforderliche Verwendungsfrist der Mittel wird allerdings hierdurch nach wie vor nicht beeinflusst, so dass Mittel, die bei der gebenden Körperschaft zeitnah zu verwenden waren, auch bei der Empfängerkörperschaft grundsätzlich zeitnah zu verwenden sind. Eine ausdrückliche Satzungsregelung ist nicht mehr notwendig, außer wenn es sich bei einer Körperschaft um eine reine Förder- bzw. Mittelbeschaffungskörperschaft handelt, die ihre Zwecke nicht auch anderweitig verwirklicht.

Abgerundet wird die Neuregelung durch eine Vertrauensschutzklausel für die Geberkörperschaft, soweit sie sich die Steuerbegünstigung der Empfängerkörperschaft durch geeignete Unterlagen hat nachweisen lassen (Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid, Freistellungsbescheid, Feststellungsbescheid nach § 60a AO).

Anhebung der Bagatellgrenze nach § 64 Abs. 3 AO

Nach der alten Regelung in § 64 Abs. 3 AO wurden ertragsteuerpflichtige Tätigkeiten einer steuerbegünstigten Körperschaft („steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb“) nicht der Besteuerung unterworfen, wenn die Einnahmen in diesem Bereich einen Betrag von 35.000 EUR pro Jahr nicht überstiegen. Diese Bagatellgrenze liegt nun bei 45.000 EUR. Liegen die Einnahmen darunter, muss keine steuerliche Gewinnermittlung mehr erfolgen.

Aufhebung der zeitnahen Mittelverwendungspflicht für kleine Körperschaften nach § 55 AO

Kleine Körperschaften, deren Einnahmen 45.000 EUR nicht übersteigen, unterliegen nun nicht mehr der zeitnahen Mittelverwendungspflicht, so dass diesen die Möglichkeit eingeräumt wird, Mittel für ihre Zweckverfolgung auch längerfristig anzusparen. Eine zweckentsprechende Mittelverwendung ist jedoch auch weiterhin nötig und sollte auch entsprechend nachgewiesen werden können.

Aufhebung von Feststellungsbescheiden nach § 60a AO

Nach der Neuregelung ist es möglich, einen §-60a-AO-Bescheid, der grundsätzlich die formellen Anforderungen an eine Steuerbegünstigung bescheinigt bzw. feststellt, aufzuheben, wenn erkennbar ist, dass die betroffene Körperschaft sich tatsächlich nicht gemeinnützigkeitskonform verhält (sog. „tatsächliche Geschäftsführung“). So ist es möglich, dass einer Körperschaft noch vor einer ersten steuerlichen Veranlagung die Möglichkeit zum Ausstellen von Zuwendungsbestätigungen für Spenden und Mitgliedbeiträgen genommen wird, wenn sie sich erkennbar nicht an die gemeinnützigkeitsrechtlichen Spielregeln hält. Die Neuregelung zielt insbesondere auf extremistische Vereinigungen ab.

Weitere Änderungen

Neben den vorgestellten Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechts im engeren Sinne hat der Gesetzgeber noch weitere Änderungen im Zusammenhang mit gemeinnützigen Tätigkeiten beschlossen. Im Wesentlichen ist hier hinzuweisen auf die Anhebung des Übungsleiterfreibetrags von 2.400,00 EUR auf 3.000,00 EUR pro Jahr und die Erhöhung der Ehrenamtspauschale von 720,00 EUR auf 840,00 EUR (§ 3 Nr. 26 und Nr. 26a EStG). Auch die Grenze für den sogenannten vereinfachten Spendennachweis bei Zuwendungen wird von 200,00 EUR auf 300,00 EUR angehoben (§ 50 Abs. 4 EStDV).

Fazit zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts

Die Neuregelungen des Gesetzgebers im Gemeinnützigkeitsrecht bedeuten in vielen Fällen eine deutliche Erleichterung für viele steuerbegünstigten Körperschaften, die sehr zu begrüßen ist. Insbesondere die Neuregelung zum Zusammenwirken und zu den Konzernstrukturen sichern viele steuerbegünstige Träger ab. Naturgemäß ergeben sich aber in vielen Details noch Fragen zur konkreten Umsetzung. Wir beraten Sie jederzeit gerne zu den hier vorgestellten Neuerungen.

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