GEMA-Pflicht für gemeinnützige Einrichtungen?

Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) verschickt derzeit Fragebögen an gemeinnützige Träger, in denen sie die Musiknutzung in Aufenthaltsräumen und die Weiterleitung von Sendesignalen in die privaten Zimmer der Bewohner abfragt (z. B. in Bezug auf Seniorenresidenzen). Mit Verweis auf zwei Urteile aus Berlin bejaht die GEMA eine Pfl

Zwei Entscheidungen aus Berlin sorgen für Unruhe.

 

Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) verschickt derzeit Fragebögen an gemeinnützige Träger, in denen sie die Musiknutzung in Aufenthaltsräumen und die Weiterleitung von Sendesignalen in die privaten Zimmer der Bewohner abfragt (z. B. in Bezug auf Seniorenresidenzen). Mit Verweis auf zwei Urteile aus Berlin bejaht die GEMA eine Pflicht für gemeinnützige Einrichtungen und fordert zum Vertragsabschluss auf (Kammergericht Berlin, Beschluss vom 10. Juni 2020 – 24 O 164/19, Landgericht Berlin, Urteil vom 1. Oktober 2019 – 15 O 524/18 (Vorinstanz)).

Definition öffentlicher Wiedergabe

Musikwerke sind urheberrechtlich geschützt. Wird Musik einem größeren Publikum präsentiert, unterliegt diese öffentliche Wiedergabe einer Vergütungspflicht. Die GEMA als Verwertungsgesellschaft ist mit der Durchsetzung der Vergütungspflicht betraut. Die Auslegung des Rechtsbegriffs „öffentliche Wiedergabe“ richtet sich nach europäischem Recht. Für die einschlägige Bestimmung maßgeblich sind europäische Richtlinien, namentlich die Richtlinie 2001/29/EG sowie Richtlinie 2006/115/EG.

Nach dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) setzt der Begriff der Öffentlichkeit eine „unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten“ und recht viele Personen voraus, die einen Zugang zum Werk haben. Die Wiedergabe soll sich an die Allgemeinheit richten und nicht auf besondere Personen einer privaten Gruppe beschränkt sein (vgl. EuGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – C-117/15). Eine Wiedergabe im Sinne des Urheberrechtsgesetzes kann sowohl durch das Abspielen von Musik als auch durch das Verschaffen des technischen Zugangs zum Abspielen von Musik vorliegen.

Privater Bereich ist nicht öffentlich

Nicht öffentlich ist die Wiedergabe von geschützten Werken im privaten Bereich, d. h. durch Personen, die erlaubterweise Musik nutzen, und mit diesen durch persönliche Beziehung verbundene Personen. Klassisches Beispiel ist das Abspielen erworbener Musik im Familienkreis.

Ob bei Einrichtungen gemeinnütziger Träger wie etwa Seniorenheimen eine „öffentliche Wiedergabe“ von urheberrechtlich geschützten Werken erfolgt, ist keineswegs eindeutig geklärt.

Bisherige Rechtsprechung nicht eindeutig

So war nach dem sogenannten Ramses-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Fall einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) die Weiterleitung der über Satellit ausgestrahlten und mit einer Gemeinschaftsantenne der Wohnanlage empfangenen Fernseh- oder Hörfunksignale durch ein Kabelnetz an die angeschlossenen Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungseigentümer nicht öffentlich (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2015 – I ZR 228/14). Bei der WEG handele es sich um eine private Gruppe. Zwar sei bei den 343 Wohneinheiten mit durchschnittlich 30 Eigentümerwechseln pro Jahr gewisse Schwankungen zu verzeichnen. Dennoch bestehe bei den Bewohnern ein abgegrenzter Personenkreis; das Kriterium einer „unbestimmten Zahl potenzieller Adressaten“ sei insofern nicht erfüllt.

Anders sehen dies das Landgericht und das Kammergericht Berlin für zur Miete lebende Bewohner einer Seniorenresidenz mit 128 Zimmern und Appartements für ein bis zwei Personen. Die Bewohner bildeten nach Ansicht der Gerichte keine „private Gruppe“. Im Gegensatz zur miteinander verbundenen WEG im Fall „Ramses“ habe die Seniorenresidenz Mietcharakter. Die Bewohner untereinander hätten keine persönliche Verbindung, zumindest sei diese nicht in dem Verfahren vorgetragen worden. Eine private Verbundenheit bestehe üblicherweise in Seniorenheimen nicht; vielmehr seien die Bewohner altersbedingt zu einem Umzug in eine Seniorenresidenz im Sinne einer „letzten Station“ gezwungen. Bei einer WEG, über die in der Entscheidung „Ramses“ entschieden wurde, sei dies anders gelagert. Dort bestehe eine Verbundenheit bereits deshalb, weil sich die WEG-Mitglieder aktiv gemeinsam um das Eigentum auch in Bezug auf den Radio- und Fernsehempfang kümmern müssten.

Berliner Urteile nicht richtungsweisend

Die Berliner Urteile, auf die sich die GEMA in Bezug auf Einrichtungen gemeinnütziger Träger wie etwa Seniorenresidenzen beruft, sind nicht richtungsweisend. Es erscheint wenig schlüssig, dass der private Charakter der Bewohnerschaft davon abhängig sein soll, ob die Bewohner Eigentümer der Wohnungen sind oder zur Miete wohnen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH im Ramses-Urteil setzt diesen Schwerpunkt nicht. Auch die Musiknutzung in gemeinsamen Aufenthaltsräumen einer Wohneinrichtung kann dem privaten Bereich zuzuordnen sein. Auch in diesem Fall richtet sich die Wiedergabe nicht an einen unbestimmten Personenkreis.

Fazit zur GEMA-Pflicht für gemeinnützige Einrichtungen

Die in den zitierten Urteilen des Landgerichts und des Kammergerichts Berlin dargestellte Anonymität der dortigen Seniorenresidenz ist bei vielen gemeinnützigen und kirchlichen Trägern insbesondere aus dem Bereich der Altenhilfeeinrichtungen nicht vorhanden. Gerade Gemeinschaften und Wohngruppen prägt ein familiärer und privater Charakter, der nicht das Merkmal der Öffentlichkeit erfüllt. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie im Einzelfall Fragen haben.

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