Geänderte Spielregeln für D&O-Versicherungen im Insolvenzfall

D&O-Versicherungen sind spezielle Haftpflichtversicherungen zum Schutz des privaten Vermögens von Geschäftsführern, Vorständen und anderen Führungskräften. Diese Versicherungen decken finanzielle Schäden ab, die durch fahrlässige Pflichtverletzungen im beruflichen Kontext entstehen und für die Führungskräfte persönlich haftbar gemacht werden können. Besonders relevant wird die D&O-Versicherung im Fall der Insolvenz des Unternehmens. Dann steigt das Risiko für Führungskräfte, weil der Insolvenzverwalter vielfach versuchen wird, Haftungsansprüche gegen diese geltend zu machen, um die verteilungsfähige Insolvenzmasse anzureichern. In seinem Urteil vom 18. Dezember 2024 – IV ZR 151/23 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Spielregeln für D&O-Versicherungen im Insolvenzfall geändert und die Rechte von Versicherungsnehmern gestärkt.


Der Fall

Im konkreten Fall hatte die Versicherungsnehmerin Ende 2015 Insolvenz angemeldet. Der mit Verfahrenseröffnung im Februar 2016 eingesetzte Insolvenzverwalter zahlte die D&O-Versicherungsprämie für das Versicherungsjahr ab dem 1. Februar 2016 aus der Insolvenzmasse. Daraufhin teilte die Versicherungsgesellschaft dem Insolvenzverwalter mit, dass der Versicherungsvertrag nach der maßgeblichen Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) automatisch mit Ablauf der Versicherungsperiode, in der der Insolvenzantrag gestellt worden war, geendet habe und dass keine Nachmeldefrist bestehe. Die bezahlte Prämie wurde zurücküberwiesen.

Im April 2019 nahm der Insolvenzverwalter ehemalige Vorstandsmitglieder der Versicherungsnehmerin auf Ersatz von Zahlungen nach Insolvenzreife in Anspruch und zeigte der Versicherungsgesellschaft den Versicherungsfall an. Diese wies die Ansprüche zurück.

Im Rahmen eines gegen die ehemaligen Vorstandsmitglieder geführten Klageverfahrens schloss der Insolvenzverwalter mit diesen Prozessvergleiche, in denen sich die Vorstände zu Zahlungen an die Insolvenzmasse verpflichteten und ihre Ansprüche aus der D&O-Versicherung an den Insolvenzverwalter abtraten.

Die nunmehr aus abgetretenem Recht der Vorstände erhobene Klage des Insolvenzverwalters gegen den D&O-Versicherer war in den Vorinstanzen erfolglos, doch der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache dorthin zurück.


Die Entscheidung

Der BGH führte aus, dass die Klausel in den AVB, die das automatische Ende des Versicherungsvertrages mit dem Ablauf der Versicherungsperiode vorsieht, in der der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde, einer Inhaltskontrolle nicht standhalte. Die Bestimmung benachteilige den Versicherungsnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 11 Abs. 1 und 3 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) unvereinbar sei.

Nach § 11 Abs. 1 und 3 VVG sei zugunsten des Versicherungsnehmers im Fall der ordentlichen Kündigung stets eine Mindestkündigungsfrist von einem Monat einzuhalten. Diese Vorgabe gelte auch für die in den AVB vereinbarte „automatische“ Beendigung des Vertrages mit Ablauf der Versicherungsperiode. Mit der Normierung von (Mindest-)Kündigungsfristen in Dauerschuldverhältnissen beabsichtige der Gesetzgeber den Schutz des Vertragspartners, dem Gelegenheit gegeben werden solle, sich rechtzeitig auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses einstellen zu können. § 11 Abs. 3 VVG solle dem Versicherungsnehmer auch einen gewissen Zeitraum für die Suche nach neuem Versicherungsschutz sichern. Die Stellung eines Insolvenzantrags rechtfertige den Verzicht auf die Mindestkündigungsfrist im Falle einer ordentlichen Kündigung nicht.

Der beklagte Versicherer könne sich – so der BGH weiter – auch nicht darauf berufen, dass die Anspruchsanmeldung außerhalb einer Nachmeldefrist erfolgt sei. Der Versicherungsvertrag wäre infolge einer am 31. März 2016 erklärten ordentlichen Kündigung frühestens am 31. Januar 2017 beendet worden. Die hieran anschließende Nachmeldefrist von 60 Monaten gemäß den AVB sei bei Anspruchserhebung im April 2019 nicht abgelaufen gewesen.


Fazit

Das BGH-Urteil vom 18. Dezember 2024 ändert die Spielregeln für D&O-Versicherungen im Insolvenzfall zugunsten der Versicherungsnehmer. Solche Versicherungen bilden ein essenzielles Sicherheitsnetz für Führungskräfte, um sich gegen die erheblichen Haftungsrisiken abzusichern, die mit ihrer Position verbunden sind. Daher ist es wichtig, dass das Sicherheitsnetz auch dann hält, wenn das Unternehmen in Insolvenz gerät und infolgedessen das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter steigt. Gemessen daran geht von der Entscheidung des BGH in Zeiten finanzieller Unsicherheit, wie sie derzeit viele Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft erleben, ein begrüßenswertes Signal aus.

Viele Versicherer haben bereits begonnen, ihre D&O-Policen nebst AVB an die aktuellen Vorgaben des BGH anzupassen. Ungeachtet dessen dürfte es sich für Versicherungsnehmer empfehlen, ihre D&O-Versicherungsverträge einer kritischen Bestandsaufnahme zu unterziehen und etwaige Anpassungsbedarfe aufgrund der vorstehenden BGH-Entscheidung proaktiv gegenüber dem Versicherer bzw. dem betreuenden Versicherungsmakler zu kommunizieren.

Autor
Autor

Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten

phone
mail Pfeil weiß